So verteidigungsfähig sehen Konfliktforscher die Bundeswehr
Studie vergleicht Nato-Partner:Ist die Bundeswehr fähig zur Verteidigung?
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Bonner Konfliktforscher haben die Bundeswehr mit Nato-Partnern verglichen. Ihnen zufolge steht Deutschland besser da als oft angenommen. Andere Experten sehen die Studie kritisch.
Eine Studie von Konfliktforschern bescheinigt der Bundeswehr eine Wehrfähigkeit auf Niveau der Nato-Partner Frankreich und Großbritannien. (Archivbild)
Quelle: AFP
Konfliktforscher sehen die Bundeswehr bei Ausrüstung und Einsatzbereitschaft etwa gleichauf mit den Streitkräften der zwei wichtigsten Verbündeten der Nato in Europa. In einer Studie des Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) heißt es:
Die Wissenschaftler haben im Auftrag von Greenpeace öffentlich zugängliche Daten aus den vergangenen drei Jahrzehnten ausgewertet. Sie stellen fest: "Die Hauptwaffensysteme der Bundeswehr sind insgesamt sogar deutlich moderner als die der beiden Nato-Partner." Ihre Kernthese:
Studie: Deutschland mit meisten und modernsten Kampfpanzern
Insgesamt verfüge Frankreich über die meisten Großwaffensysteme vor Deutschland und Großbritannien, jedoch vor allem über mehr kleinere gepanzerte Fahrzeuge. Mit einem Durchschnittsalter von unter 20 Jahren seien die deutschen Landsysteme im Schnitt sieben Jahre jünger als die Systeme Frankreichs und fast zehn Jahre jünger als die des Vereinigten Königreichs. Deutschland besitze mit dem Leopard 2 nicht nur die meisten, sondern auch den modernsten Kampfpanzer.
Infografik: Der Kampfpanzer Leopard
Bei den Luftstreitkräften verfüge Frankreich über die zahlenmäßig größten Streitkräfte (664 Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Tank- und Transportflugzeuge sowie Transporthubschrauber). Deutschland liege mit 477 Einheiten deutlich dahinter, aber klar vor Großbritannien (346).
Personal: Frankreich hat über 200.000 aktive Soldaten
Nach den aktuellen Daten aus dem Jahrbuch "Military Balance" des International Institute for Strategic Studies (IISS/2023) rangiere Frankreich 2022 mit 203.250 aktiven Soldaten an erster Stelle. Deutschland liege mit 183.150 Soldaten auf Platz zwei.
Großbritannien leistete sich mit 150.350 Männer und Frauen am wenigsten Soldaten. Interessant: Auf die Jahre 2015 bis 2022 gerechnet kostete ein Soldat das Vereinigte Königreich mit rund 141.764 US-Dollar am meisten. Deutschland lag demnach mit rund 128.974 US-Dollar auf dem zweiten Platz, vor Frankreich mit Ausgaben von rund 121.836 US-Dollar pro Soldat.
Beschaffung: Großbritannien investiert deutlich mehr in Forschung und Entwicklung
Auffällig sind deutliche Unterschiede bei Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Beschaffungen. Die Forscher haben Gesamtbeschaffungsausgaben der drei Staaten in den Jahren von 1993 bis 2022 zusammengerechnet. Großbritannien hat die Nase mit 43 Prozent Anteil (483,5 Milliarden US-Dollar) demnach deutlich vorn.
Auf Frankreich entfallen 37 Prozent oder 369,3 Milliarden US-Dollar. Am wenigsten aber gab Deutschland dafür und stellte 200,4 Milliarden US-Dollar oder 20 Prozent an den rechnerischen Gesamtausgaben. Die Forscher stellen fest:
So seien die Probleme mit dem deutschen Schützenpanzer Puma "eher gering im Vergleich zu den erheblichen Mängeln des britischen Schützenpanzers Ajax", welcher Finanzplanungen und Zeitlinien noch deutlicher gerissen habe.
Im Zeitraum 1993 bis 2022 hat Deutschland 1.408,8 Milliarden US-Dollar für seine Streitkräfte aufgewendet. Ohne Ausgaben für Atomwaffen gaben Frankreich 1.401,39 Milliarden US-Dollar, Großbritannien aber 1.780 Milliarden US-Dollar aus. Der Etat für die Bundeswehr sei von 2014 bis 2022 aber von rund 32 Milliarden Euro auf 50,3 Milliarden Euro gewachsen.
Militärexperten sehen Studie kritisch
Unter deutschen Militärexperten wurde die Auftragsstudie am Dienstag hingegen kritisch aufgenommen. "Hier wird aber ein letztendlich unzureichender Vergleich zwischen Staaten gemacht, der keine relevanten Aussagen erlaubt", schreibt Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) auf X. "Er sagt nur, wer unter den verglichenen besser oder schlecher ist - ob das Champions League oder Kreisliga ist, spielt keine Rolle."
Die Studie würde nicht die "Lücke zwischen dem militärischen Soll und Ist" untersuchen, sondern "wild Panzer und Schiffe zählen", so Mölling. "Hier werden nur Einheiten gezählt - dass diese zusammenwirken sollen und wie weit sie das tun, spielt keine Rolle."
Auch Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München merkt an:
"Was nicht passiert ist die Frage zu stellen, wie einsatzfähig sind Material und Personal (...). Das kann man auch nur schwer vergleichen. Dazu hätte man Experteninterviews führen müssen. Dann wäre das Bild differenzierter", schreibt Masala.
Neue Bedrohungen und Aufgaben, zu wenige Soldaten: Bundeswehrverbandschef André Wüstner fordert mehr Anreize für Interessierte. Sonst müsse man über eine Wehrpflicht nachdenken.