Essen: Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger?

    Brisantes Papier aus Essen:Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger?

    von Ina Baltes
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    Seine Erfahrungen aus der Praxis der Jobcenter machten ihm Sorgen, so der Sozialdezernent von Essen. Eine Bürgergeld-Reform sei notwendig. Wer arbeiten könne, müsse etwas leisten.

    Ein Schild weist den Weg zur Agentur für Arbeit in Sangerhausen (Sachsen-Anhalt)
    Ein Papier aus Essen diskutiert die Arbeitspflicht für Leistungsempfänger.
    Quelle: Jan Woitas/dpa

    Seit über 22 Jahren arbeitet das CDU-Mitglied Peter Renzel in der Stadtverwaltung Essen. Jetzt ist er Stadtdirektor und zuständig für Soziales, Arbeit und Gesundheit - dazu gehören auch die Jobcenter. Er kennt sich also bestens aus in der Praxis. Und sein Job ist selten rosig.
    Um die zehn Prozent Arbeitslose verzeichnet Essen. Wie in vielen Ruhrgebietsstädten ist auch hier der Strukturwandel längst nicht abgeschlossen. So hat Renzel nun ein viel beachtetes Papier geschrieben zur Reform des Bürgergeldes.

    Leistungsempfänger sollen gemeinnützige Arbeit leisten

    Darin mahnt er an, das Ziel, dass Bürgergeldempfänger sich um eine Arbeitsstelle bemühen müssten, in Zukunft konsequenter zu verfolgen. "Solange Leistungsempfänger erwerbsfähig sind", so Renzel, "müssen diese etwas [...] leisten. Für das Gemeinwohl".
    Dies könnten zum Beispiel gemeinnützige Einsätze in Sport- und Parkanlagen sein oder Hilfe bei der Sauberkeit in den Stadtteilen. Denn es gebe, schreibt Renzel, "nicht sehr wenige Leistungsempfänger", die regelmäßig einer Schwarzarbeit nachgingen.
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    Gleichzeitig, so Renzels Idee, sollten die nicht mehr erwerbsfähigen Leistungsempfänger künftig medizinisch und/oder psychologisch begutachtet und vom Sozialamt betreut werden. Auch sie sollten einige Stunden pro Woche gemeinnützige Arbeit leisten, wenn sie gesundheitlich dazu in der Lage seien. Bei Verweigerung würde dann die Leistung gekürzt werden. Das Gleiche gelte für erwerbsfähige Asylbewerber.

    Arbeitskonzept aus den Niederlanden Vorbild

    Der Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, einer Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, Bernd Fitzenberger, sieht in einer Arbeitspflicht Vor- und Nachteile:

    Die Möglichkeit der Schwarzarbeit für Menschen im Bürgergeld reduziert sich.

    Bernd Fitzenberger, Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

    Zudem könnten Betroffene Beschäftigungserfahrung sammeln. Auf der anderen Seite sei es bürokratisch und finanziell sehr aufwändig, eine gut passende Pflichtbeschäftigung zu organisieren. Außerdem sei die Arbeitsmotivation in solchen Jobs eher gering.
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    Vorbild von Renzels Plan ist offenbar das "Work First"-Konzept aus den Niederlanden. Dort liegt der Fokus auf der schnellen Rückkehr in den Arbeitsmarkt - auch wenn dies weniger qualifizierte Tätigkeiten sind. Wer in den Niederlanden ein Jobcenter betritt, wird zügig über offene Stellen informiert, die schon am nächsten Tag besetzt werden können.

    Konzept für Bürgergeld-Empfänger "interessanter Vorschlag"

    Renzels Vorschlag wird inzwischen beim Städtetag in Nordrhein-Westfalen diskutiert. Und auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, ebenfalls CDU, zeigt sich durchaus angetan. Er teile, so schreibt er an Renzel, die Einschätzung, dass eine zeitnahe grundlegende Revision des Bürgergeldes erforderlich sei. Die Forderung nach einem "Work First"-Ansatz finde er interessant.
    Gleichzeitig weist Laumann aber auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum hin. Die Richter in Karlsruhe hatten entschieden, dass der Staat dafür sorgen müsse, dass die Bürger genug Geld haben, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Das mache Kürzungen beim Bürgergeld schwierig.
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    Dortmund verfolgt anderes Konzept für Bürgergeld-Empfänger

    Andere Städte im Ruhrgebiet sind in einer ähnlichen Lage wie Essen. In Dortmund zum Beispiel will aber die Sozialdezernentin Birgit Zoerner von der SPD eher den Schwerpunkt darauf setzen, die Menschen bei ihrer Reintegration in den Arbeitsmarkt bestmöglich zu unterstützen. Es gebe keine Diskussion darüber dies unter Zwang durchzusetzen, sagte sie den "Ruhr-Nachrichten". Experte Fitzenberger dazu:

    Es liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor, wie sich eine umfassende Arbeitspflicht auswirken würde.

    Bernd Fitzenberger, Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

    Dass Renzels Vorschläge auch in Berlin Gehör finden könnten, ist nicht unwahrscheinlich. Viele Experten rechnen damit, dass es nach der Bundestagswahl zu einer deutschlandweiten Bürgergeld-Reform kommen könnte.
    Ina Baltes ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.

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    Quelle: dpa

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