Zweitstärkste Kraft im Bund, stärkste Kraft im Osten außer Berlin: Die AfD kann zufrieden sein mit der Bundestagswahl. Das hat Gründe, sagen Politikwissenschaftler.
AfD ist nach der Bundestagswahl gestärkt. Tino Chrupalla und Alice Weidel wollen weitere das Führungsduo bilden - und strecken die Hand Richtung Union aus. 24.02.2025 | 5:58 min
"Herzlich willkommen zur Bundespressekonferenz." Alice Weidel strahlt am Tag nach der Bundestagswahl in die Kameras. Es ist zwar nicht die Veranstaltung der AfD-Vorsitzenden, sondern sie spricht dort auf Einladung des Vereins der Hauptstadtpresse und wird die Medien später auch beschimpfen. Aber das ist ihr offensichtlich egal.
Das Gefühl, nun an dem Platz zu sein, der der AfD zusteht, ist Weidel und ihrem Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla an diesem Morgen anzusehen. Und sie haben ja auch allen Grund zur Freude.
45 von 48 Wahlkreisen im Osten gewonnen
Bundesweit ist die AfD die zweitstärkste Partei geworden, mit 20,8 Prozent der Wählerstimmen, doppelt so viel wie vor gut drei Jahren. In den ostdeutschen Bundesländern, bis auf Berlin, ist der Unterschied noch größer. Dort liegt sie mit hohem Abstand vor allen anderen Parteien.
Einstige Hochburgen der CDU wie Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt kommen noch nicht einmal mehr auf 20 Prozent, während die AfD auf zwischen 37 und 38 Prozent nach oben schießt. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den früheren Hochburgen der SPD - Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern: Die SPD liegt bei 12 bis 14 Prozent, AfD bei 32 bis 35 Prozent.
CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist der Wahlsieger der Bundestagswahl 2025. ZDFheute informiert über aktuelle Nachrichten, Daten, Reaktionen und Analysen.
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Anders als bei den Wahlen zuvor hat die AfD fast alle Wahlkreise gewonnen. Vor drei Jahren waren es 16, jetzt 45 der 48 Wahlkreise. Ausnahmen sind Erfurt, Leipzig und Potsdam. Viele Wahlkreise gewinnt die AfD mit Abstand und mit Personal aus dem Partei-Establishment, die seit einigen Jahren zeigen, wofür sie stehen: Alexander Gauland mit 84 Jahren in Chemnitz, der einst mit einem Auftrittsverbot belastete Maximilian Krah im Chemnitzer Umland und Erzgebirgskreis, Bundestags-Zwischenrufer Stephan Brandner in Gera/Greiz/Altenburger Land.
Doch auch im Westen kann die AfD gewinnen: In Gelsenkirchen liegt sie vor der SPD, in Kaiserslautern vor der CDU. Glaubt man Chrupalla, gewinnt sie auch westdeutsche Sport-Prominenz. Er habe von zwei Nationalspielern und ehemaligen Spielern des FC Bayern München Glückwünsche bekommen, sagte er bei der Pressekonferenz. "Von daher auch viele Grüße an Uli Hoeneß." Der Ehrenpräsident des FC Bayern hatte sich allerdings oft kritisch zur AfD geäußert.
"Die AfD konnte einen historischen Erfolg einfahren", sagt AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel. "Wir sind stabil zweitstärkste Kraft in Deutschland, steigende Tendenz".24.02.2025 | 8:02 min
Politologe Korte: "Vertrauensabriss" zu Ampel-Parteien
Die AfD wird laut der Forschungsgruppe Wahlen zu 68 Prozent wegen ihrer politischen Forderungen gewählt, zu 29 Prozent aus Protest. Das wichtigste Wahlmotiv sei das Thema "Flüchtlinge und Asyl". Der AfD-Erfolg sei ein "Abbild der Unzufriedenheit mit den Parteien der politischen Mitte", sagt Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen. Es gebe einen "Vertrauensabriss" zur Ampel, was die Oppositionsparteien und die "radikalen Ränder" fördere.
Hinzu kommt das Klima der Angst, auch sicherheitspolitisch, wovon die AfD profitiert, die mit Angstszenarien wirbt.
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Karl-Rudolf Korte, Parteienforscher
Für die Regierungsbildung sei eine "Kompromisskultur, eine Kompromisskompetenz" sehr wichtig, sagt Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Denn diese habe letztlich gefehlt.23.02.2025 | 3:06 min
Benjamin Höhne, Professor für Politikwissenschaften an der TU Chemnitz, wertet den Wahlerfolg als "Abwehrkampf gesellschaftlicher Kräfte, die die bestehenden Hierarchien aufrechterhalten wollen, und denen, die sie abbauen wollen". Und es sei eine Reaktion auf die Krise der repräsentativen Demokratie. Er glaubt:
Deshalb braucht es auch eine Reform der Demokratie selbst.
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Benjamin Höhne, TU Chemnitz
Nötig sind laut Politologe Höhne: "Mehr inklusive Partizipationsmöglichkeiten, etwa durch Bürgerräte oder Vorwahlen in den Parteien, und eine diversere Repräsentation durch Parlamente, allein schon um die Anerkennungsfähigkeit von Politik zu erhöhen."
Wer zieht nicht in den Bundestag ein?
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Habeck: Union hat Mitte geschwächt und Ränder gestärkt
Die Parteien selbst suchen die Schuld eher nicht im System selbst. Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck sieht eine "erschreckende Normalisierung der AfD", es habe sich in diesem Wahlkampf "enorm etwas verschoben". Und wenn sich die Union vor allem in der Migrationspolitik "die Position der AfD etwas aufgehellt zu eigen macht", dann brauche man sich nicht zu wundern, dass dies die "Mitte schwächt und die Ränder stärkt".
Die AfD selbst fühlt sich allerdings nicht am politischen Rand. Im Gegenteil. AfD-Chefin Weidel sagt:
Wir sind Volkspartei. Wir sind stabil zweitstärkste Kraft in Deutschland.
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Alice Weidel, AfD
Die AfD wurde bei der Bundestagswahl in allen fünf ostdeutschen Flächenländern stärkste Kraft, auch im Westen gibt es AfD-Hochburgen. Ein Überblick über die Zahlen und Fakten.24.02.2025 | 0:57 min
Daraus leitet sie einen klaren Machtanspruch ab, selbst wenn eine Koalition mit der Union kaum zustande kommen dürfte, da der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ein solches Bündnis mehrfach ausgeschlossen hat. Die Brandmauer müsse weg, so Chrupalla. Und er forderte die ostdeutschen Ministerpräsidenten zum Rücktritt auf, da zum Beispiel in Sachsen Michael Kretschmer (CDU) mit einer Minderheitsregierung regiert. Die CDU, so Chrupalla, habe "Regierungen gebildet, die gegen das Volk und ohne das Volk gebildet wurden."
Die Brandmauer bestehe im Osten ohnehin nicht mehr. "Wie lange will man dieses Monstrum, die Brandmauer, aufrechterhalten?", fragt Chrupalla.
Das BSW hat den Einzug in den Bundestag verpasst, damit ist eine schwarz-rote Koalition möglich. Gut 13.000 Stimmen haben dem BSW gefehlt. Bei der Linken gab es eine große Party.24.02.2025 | 3:46 min
AfD will in Präsidium und Geheim-Gremium
Ihre Oppositionsrolle im Bund will die AfD ohnehin stärker ausfüllen. Sie hat nun gemeinsam mit der Linken eine Sperrminorität im Bundestag - beide Parteien verfügen zusammen über etwas mehr als ein Drittel der Sitze. Sollte eine Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Grundgesetzes nötig werden, wie zur Reform der Schuldenbremse und bei einem neuen Sondervermögen für die Bundeswehr oder Infrastruktur, könnten beide Parteien zusammen diese blockieren. Solche Vorhaben blockieren will die AfD auf jeden Fall. Man müsse die Ausgaben "mit einem Besen zusammenstreichen", kritisierte Weidel.
Im neuen Bundestag verfügen AfD und Linke zusammen über 216 der 630 Sitze und damit knapp mehr als ein Drittel. Die beiden Parteien an den politischen Rändern verfügen damit gemeinsam über eine sogenannte Sperrminorität. Über diese Sperrminorität können Oppositionsparteien bestimmte Vorhaben der Regierung blockieren und so politischen Druck ausüben.
Blockieren könnten beide Parteien zusammen wichtige Entscheidungen des Parlaments, für die eine Zweidrittelmehrheit aller gesetzlichen Abgeordneten nötig ist. Dazu zählen Änderungen des Grundgesetzes wie etwa eine Reform der dort verankerten Schuldenbremse. Auch die Einigung auf ein Sondervermögen für das Verteidigungsbudget müsste so beschlossen werden. Die Linke, die sonst eher unverdächtig ist, gemeinsam mit der AfD abzustimmen, vertritt hier jedoch bisher eine andere Haltung. Deshalb könnte gerade an diesem Punkt die Sperrminorität der beiden Parteien von Bedeutung sein.
Ende 2024 wurde die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts gegen eine mögliche Blockade aus der Sperrminorität heraus abgesichert. SPD, Union, Grüne und FDP haben sich auf einen Ersatzwahlmechanismus geeinigt: Falls absehbar keine Zweidrittelmehrheit für eine Besetzung zustande kommt, kann das Wahlrecht vom Bundestag auf den Bundesrat übergehen und umgekehrt. Die Hälfte der 16 Karlsruher Richterinnen und Richter wird im Bundestag, die andere Hälfte im Bundesrat gewählt. Die Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen (ohne Stimmenthaltungen) ist auch erforderlich, um Einsprüche des Bundesrats zurückzuweisen, die dieser gegen Gesetzesbeschlüsse des Bundestages mit zwei Dritteln seiner Mitglieder eingelegt hat. Quelle: dpa
Die AfD will zudem den Vorsitz von Ausschüssen übernehmen, einen Sitz im Bundestagspräsidium und im Parlamentarischen Kontrollgremium, das unter anderem den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst und die Verfassungsschutzämter überwacht. Die Behörden also, die wiederum die AfD überwachen und in Teilen als rechtsextrem eingestuft haben. Es sei "absolut unterirdisch, eine Frechheit", sagt Weidel, dass die AfD an diesem Gremium bislang nicht beteiligt wurde.
Ein Viertel der Mandate, um Untersuchungsausschüsse im Bundestag einzusetzen, hat die AfD allerdings nicht erreicht. Dafür fehlen ihr nur wenige Abgeordnete. Aber auch das gebe sich laut Weidel bald: "Wir werden die Union überholen, das wird sehr, sehr schnell gehen."
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