Abschiebungen: Ein Bundespolizist berichtet

    Interview

    Rückführung per Flugzeug:Abschiebe-Einsätze: Ein Polizist berichtet

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    Im vergangenen Jahr wurden mehr als 18.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Ein Polizist berichtet von Rückführungsflügen und wie er mit tragischen Momenten umgeht.

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    Vor der Bundestagswahl ist die Debatte um die Migrationspolitik aufgeheizt. Eine politische Forderung: Ausreisepflichtige sollten konsequenter abgeschoben werden. Aus Deutschland sind in den ersten elf Monaten des Jahres 2024 insgesamt 18.384 Menschen abgeschoben worden. Das ist nur ein Teil der geplanten Rückführungen - gut 60 Prozent scheitern. Die Zahl ist seit Jahren ähnlich hoch.
    Ein Beamter der Bundespolizei, der seit langem Abschiebungen per Flugzeug durchführt, erzählt im "ZDF frontal"-Interview, wie er mit menschlichen Ausnahmesituationen umgeht und wann er den "Abschiebegürtel" anlegt. Seinen Namen will der Polizist, der etwa zehn Mal im Jahr solche Flüge begleitet, nicht öffentlich lesen - zu groß ist die Sorge vor Drohungen.
    ZDF frontal: Im vergangenen Jahr sind bis einschließlich November 62,1 Prozent aller geplanten Abschiebungen gescheitert. Woran liegt das?
    Bundespolizist: Eine Rückführung läuft so ab: Wir als Bundespolizei übernehmen die Person am Flughafen. Sie wird dorthin verbracht von unseren Kollegen der Landespolizei. Die meisten Maßnahmen scheitern schon vor Übergabe an die Bundespolizei, weil die Person nicht in ihrer Unterkunft angetroffen wurde oder weil vom Anwalt plötzlich noch Rechtsmittel eingelegt wurden oder gesundheitliche Gründe der Rückführung an diesem Tag entgegenstehen.
    Gescheiterte Abschiebungen

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    ZDF: Wie oft wehren sich Menschen gegen ihre Rückführung?
    Bundespolizist: Bei mir kommt es bei vier von zehn Flügen vor, dass es keine ruhige Maßnahme ist. Ich habe erlebt, dass eine Abschiebung gescheitert ist, weil jemand sich im Vorfeld schon beim Transport zum Flughafen eingekotet hat. Oder beispielsweise, dass sich ein Rückzuführender seine Jacke ausgezogen und dann versucht hat, den Ärmel seiner Jacke um seinen Hals zu wickeln und sich so zu erdrosseln.
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    Ein anderes Mal ging es um eine Familie, die rückgeführt werden sollte. Wir haben in den Flughäfen sogenannte Spielecken, um die Maßnahme für Kinder so angenehm wie möglich zu machen. Da war irgendwo eine CD, die hat der Papa gefunden, hat die kaputt gemacht und hat sich versucht, die Halsadern beziehungsweise Pulsadern aufzuschlitzen.
    ZDF: Was haben Sie in diesem Moment gedacht?
    Bundespolizist: Wenn man das zu nah an sich ran lässt, nimmt man es mit. Deswegen versuche ich, das strikt zu trennen und mir klar zu werden, dass das heute mein Job ist.

    Ich versuche auszublenden, ob es jetzt menschlich richtig ist, diese Person wegzubringen.

    Rückführer

    ZDF: Die Menschen sitzen entweder in Einzelflügen, mit denen auch Urlauber fliegen, oder in Sammelchartern. Wen schieben Sie da ab?
    Bundespolizist: In der Regel sind es abgelehnte Asylbewerber. Einzelmaßnahmen werden hauptsächlich durchgeführt bei Dublin-II-Fällen. Die Rückzuführenden werden dorthin nach Europa überstellt, wo sie das erste Mal einen Asylantrag gestellt haben. Die Sammelmaßnahmen gehen meist nach Afrika oder nach Asien.
    Wie viele Menschen sind ausreisepflichtig?

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    ZDF: Bei Rückführungen müssen Sie mitunter Gewalt anwenden. Was ist der sogenannte Abschiebegürtel?
    Bundespolizist: Wenn es zu Problemen kommt oder wenn wir denken, es kann zu Problemen kommen, setzen wir den Festhaltegurt ein. Rechtlich gesehen dürfen wir diesen Gurt nur anlegen, wenn wir mindestens drei Rückführer sind.
    Das funktioniert dann so, dass wir diesen Gurt um die Hüfte des Rückzuführenden legen, ihm links und rechts an den Händen jeweils eine Handschelle anlegen. Je nachdem, wie sich die Situation verhält, ist es möglich, die Bänder der Handfesseln lang oder sehr kurz am Körper zu tragen. Dann ist die Person in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt.
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    ZDF: Wie könnten mehr Abschiebungen durchgeführt werden?
    Bundespolizist: Aus meiner Sicht bräuchte es zentrale Unterkünfte, wo die Rückzuführenden schon mehrere Tage oder Stunden vor der Rückführung an einem Ort gesammelt werden.
    Man muss auch darüber nachdenken, was passiert, wenn ich die Person zum Beispiel nach Spanien zurückbringe. Sie wird dort übernommen von den Kollegen, es werden Maßnahmen getroffen und dann wird sie wieder auf freien Fuß gesetzt.

    Es ist teilweise Praxis, dass sich der Rückzuführende dann vielleicht in einen Flixbus setzt und dann wieder schneller in Deutschland ist als wir selbst.

    Rückführer

    ZDF: Sie haben dem Gespräch unter der Bedingung zugestimmt, dass Ihr Name nicht veröffentlicht wird. Warum?
    Bundespolizist: Es kam schon vor, dass Kolleginnen und Kollegen im Privaten von Menschen der Familie aufgelauert wurde, deren Angehörige man zurückgebracht hatte. Sie wurden beim Gassigehen mit dem Hund bedroht. 'Ich weiß, wo deine Frau arbeitet, ich weiß, wo dein Kind zur Schule geht. Wenn du noch weiter unsere Brüder und Schwestern zurück in das Land bringst, dann töten wir dein Kind oder vergewaltigen deine Frau.'
    Heutzutage ist auch ganz schnell irgendwo eine Kamera. Wenn bei Rückführungen in Einzelmaßnahmen was passiert, zücken Reisende ihr Handy und das landet dann in Sozialen Netzwerken, das können wir gar nicht kontrollieren.
    Das Interview führte Julia Klaus aus der Redaktion ZDF Frontal.

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