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Verteidigungsminister Li Shangfu:China: Schon wieder ein Minister weg?
von Miriam Steimer, Peking
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Ist Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu abgesetzt? Wird gegen ihn ermittelt? Was wir wissen, was nicht - und warum. Fragen und Antworten zu dem Fall.
Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu gilt als verschollen (Archivfoto).
Quelle: Imgao
Li Shangfu - erst vor wenigen Monaten hat er sein Amt angetreten, nun gilt Chinas Verteidigungsminister seit einigen Wochen als verschollen. Die Regierung in Peking schweigt. Was man weiß - Fragen und Antworten.
Was wissen wir über Li Shangfus Verschwinden?
Offiziell nicht sehr viel. Fakt ist: Wir haben ihn seit einigen Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen - zuletzt am 29. August in Peking. Die US-Regierung geht Medienberichten zufolge davon aus, dass gegen ihn ermittelt wird.
Die britische Zeitung "Financial Times" berichtete unter Berufung auf mehrere US-Beamte und mit Geheimdienstinformationen vertraute Menschen, Li sei von seinen Pflichten als Minister entbunden worden. Laut dem US-Botschafter in Japan, Rahm Emanuel, soll Li unter Hausarrest stehen.
Die Sprecherin des Außenministeriums sagte bei der offiziellen Pressekonferenz, als sie danach gefragt wurde, ihr sei "die angesprochene Situation nicht bekannt".
Weshalb könnte gegen den Minister ermittelt werden?
Berichten zufolge soll es um die Beschaffung von Militärausrüstung gehen, um mehrere Rüstungsankäufe aus den Jahren 2017/2018 - also lange bevor Li Shangfu Verteidigungsminister wurde. Gegen ihn und acht weitere hohe Beamte soll wegen Korruptionsverdachts ermittelt werden.
Warum wäre das für die USA interessant?
Einerseits wegen der anhalten militärischen Spannungen um Taiwan: China betrachtet die demokratische Insel als Teil seines Staatsgebiets und die USA hat Taiwan Unterstützung zugesagt.
Andererseits könnte eine Ablösung Lis für die USA auch interessant sein, weil er seit 2018 auf einer Sanktionsliste der USA steht. Als General des chinesischen Militärs verantwortete er den Kauf von Kampfflugzeugen und Rüstungsgütern eines russischen Waffenexporteurs. Der Militärdialog zwischen China und des USA liegt weiter auf Eis, was die Gefahr von Missverständnissen und unbeabsichtigter Eskalation erhöht.
Ist nicht gerade ein anderer Minister verschwunden?
Erst Ende Juli ist Außenminister Qin Gang seines Amtes enthoben worden. Gründe wurden nicht genannt. Im gleichen Monat tauschte Peking den Befehlshaber der Raketenstreitkräfte aus, in deren Zuständigkeitsbereich auch das Atomwaffenarsenal des Landes fällt. Auch ein früherer Kommandeur war vor dem Wechsel wochenlang nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden.
"Entscheidungen hinter verschlossenen Türen" seien "in China üblich", erklärte Miriam Steimer, ZDF-Korrespondentin in Peking, im Juli.26.07.2023 | 3:13 min
Seit Außenminister Qin Gang abgesetzt wurde, ist der vorherige Außenminister wieder der aktuelle: Wang Yi. Auch um ihn hatten sich in den vergangenen Tagen Leute Sorgen gemacht, weil er bei einigen offiziellen Terminen fehlte. Der Mangel an Informationen führt dazu, dass Gerüchte schnell ins Kraut schießen. Wang Yi ist inzwischen wieder aufgetaucht.
Was sind Chinas Gründe?
Das kommt in China häufiger vor. Die Führung der Kommunistischen Partei ist eine Blackbox, in die niemand richtigen Einblick hat: Entscheidungen werden hinter verschlossenen Türen getroffen, Staats- und Parteichef Xi Jinping braucht keine Erklärungen zu liefern. Das ist für den Rest der Welt zwar befremdlich und auch unbefriedigend, aber vielleicht werden wir nie erfahren, was gerade passiert.
In der Vergangenheit gab es mehrere hohe Politiker, gegen die partei-intern ermittelt wurde. Shuanggui heißt das interne Verhörsystem und Li Shangfu wäre nicht der erste, der in einer solchen Untersuchung verschwindet und wochen- oder monatelang nicht erreichbar ist.
Was bedeutet das für Staatschef Xi?
Xi Jinping hat im Zuge seiner Anti-Korruptions-Kampagne viele politische Gegner aus dem Weg geräumt. Der Unterschied nun: Beim letzten Parteitag hat Xi sein Führungsgremium ausschließlich mit Vertrauten besetzt.
Es geht also nun gegen seine "eigenen Leute". Bei vielen Besetzungen hat er mit üblichen Regeln gebrochen und Leute befördert ohne Rücksicht zu nehmen auf andere mit höherem Dienstalter und mehr Erfahrung. Von Xi ins Amt gehoben, von Xi aus dem Amt entfernt, damit könnte er zeigen, dass niemand - auch nicht seine Zöglinge - über der Parteidisziplin stehen.
Miriam Steimer ist Leiterin des ZDF-Studios in Peking.
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