China nimmt Firmen, Forschende und Journalisten ins Visier

    Chinas neues Anti-Spionagegesetz:Firmen, Forscher und Journalisten im Visier

    ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt aus Peking
    von Elisabeth Schmidt
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    Nach Durchsuchungen und Verhaftungen halten viele in China den Atem an: Laut einem neuem Gesetz kann nahezu jede Weitergabe von Informationen als Spionage gelten.

    Ausblick von Shanghai Tower auf Oriental Pearl Tower, Pudong, Shanghai, China, Asien
    China versucht mit einem neuen Gesetz die Informationsfreiheit im Land noch weiter einzuschränken.
    Quelle: picture alliance / imageBROKER / Erich Schmidt

    Anfang Mai statuierte Chinas Führung im staatlichen Fernsehsender CCTV ein Exempel: In einem gut 15-minütigen Beitrag wurde die Durchsuchung der amerikanischen Beraterfirma Capvision beleuchtet. Das Unternehmen habe "nachrichtendienstliche Informationen in Schlüsselbereichen wie Chinas Militärindustrie, Wirtschaft und Finanzen gestohlen", hieß es.
    Motiv sei, eine "Strategie der Eindämmung und Unterdrückung Chinas zu erreichen". Capvision berät nach eigenen Angaben Kunden - meist ausländische Unternehmen - dabei, ihr Business in China aufzubauen. Auch Büroräume der Beratungsunternehmen Bain & Company in Shanghai sowie der Firma Mintz wurden durchsucht.
    Firmen wie die drei genannten sammeln Informationen über Geschäftspartner, über Lieferketten, etwa auch in der Uiguren-Provinz Xinjiang - also auch über umstrittene Gebiete, von denen die chinesische Führung gerne hätte, dass keine Informationen an Ausländer gehen.
    14.01.2022, Indonesien, Jakarta: Studentische Aktivisten tragen Masken mit den Farben der Flagge der Unabhängigkeitsbefürworter Ostturkestans während einer Protestkundgebung.
    In der chinesischen Provinz Xinjiang werden Muslime systematisch überwacht, verfolgt und interniert. Selbst im Ausland können sich geflüchtete Uiguren nicht sicher fühlen. 27.12.2022 | 44:07 min

    China versucht Informationen noch stärker zu kontrollieren

    Jetzt ist das harte Vorgehen des Sicherheitsapparats in ein Gesetz gegossen: Chinas neues Anti-Spionage-Gesetz, das am 1. Juli 2023 in Kraft tritt, lässt den Strafverfolgungsbehörden praktisch freie Hand.
    "Wir haben jetzt einen Schritt, der alle Informationen, die nicht von der chinesischen Regierung kontrolliert werden, unter Spionage-Verdacht stellen", sagt Prof. Sebastian Heilmann, Lehrstuhlinhaber "Politik und Wirtschaft Chinas" an der Universität Trier.

    Neues Gesetz bewusst allgemein formuliert

    Das Gesetz selbst umfasst 70 Artikel und ist bewusst sehr allgemein gehalten. Nach dem alten Gesetzestext aus dem Jahr 2014 fiel lediglich die Weitergabe von Staatsgeheimnissen und Geheimdienstinformationen unter den Spionagebegriff. Jetzt zählen dazu auch "Dokumente, Daten, Materialien und Gegenstände, die Chinas nationale Sicherheit und nationale Interessen berühren".
    "Nationale Sicherheit" ist ein Propaganda-Begriff Xis. Er umfasst alles und nichts. Allein die Kommunistische Partei definiert - und definiert beständig neu - was unter ihn fällt. Wenn dieses Anti-Spionage-Gesetz konsequent durchgesetzt wird, befürchtet Heilmann, dann müssten viele ausländische Unternehmen in China und auch Investoren, die in den chinesischen Markt rein wollten, künftig im Blindflug agieren - mit katastrophalen Auswirkungen für die Wirtschaft:

    Letztlich ist diese Informationsunterdrückung ein Anlass dafür, dass viele ihre Investitionen zurückhalten werden.

    Sebastian Heilmann, Lehrstuhlinhaber "Politik und Wirtschaft Chinas" an der Universität Trier

    Der chinesische Staatspräsident mit erhobenem Arm und gereckter Faust. Er ist neben einem großen Fragezeichen zu sehen. Das Foto ist schwarz gelb eingefärbt.
    Xi Jinping ist heute vielleicht der mächtigste Mann der Welt. Und das, obwohl die Kommunistische Partei Chinas den Mitgliedsantrag des jungen Xi Jinping zunächst neun Mal ablehnte.31.08.2022 | 15:17 min

    Wissenschaftler besorgt wegen Anti-Spionage-Gesetz

    Das neue Anti-Spionage-Gesetz steht in einer Reihe von Gesetzesverschärfungen, mit denen Chinas Alleinherrscher Xi Jinping im Namen der nationalen Sicherheit gegen ausländische Institutionen und Privatpersonen vorgeht.
    Auch Wissenschaftler blicken mit Sorge auf das neue Gesetz, vor allem China-Forschende, die im Ausland tätig sind. Jedes informelle Telefonat, jeder Austausch mit einer chinesischen Kontaktperson kann als Spionage gewertet werden. Das Gesetz gilt auch für Personen im Ausland. "Letztlich will die Kommunistische Partei erreichen, dass China nicht mehr beforscht wird, dass keine Informationen an Ausländer gehen, die nicht von der Regierung kontrolliert und gefiltert worden sind", erläutert Heilmann.

    Neues Gesetz in China betrifft auch Forschende

    Das Anti-Spionage-Gesetz nimmt auch Forschende und Journalist*innen ins Visier. Cheng Lei, eine australische TV-Moderatorin und Reporterin, die für den staatlichen chinesischen Sender CGTN über Wirtschaftsthemen berichtete, wurde verhaftet und mehr als 1.000 Tage inhaftiert. Vorwurf: Sie habe Staatsgeheimnisse an das Ausland verraten. Der chinesische Journalist Dong Yuyu tauschte sich regelmäßig mit Botschaftern und internationalen Korrespondenten aus. Auch er wurde wegen Spionage angeklagt.
    Informanten, Interviewpartner*innen und chinesische Angestellte ausländischer Medien leben ebenfalls gefährlich. "Wenn chinesische Mitarbeiter Informationen weitergeben, die aus Sicht der Regierung die nationale Sicherheit betreffen, dann machen sie sich strafbar", erklärt Heilmann. Es kann jeden treffen. Willkür-Entscheidungen sind letztlich kein Riegel vorgeschoben.

    Peking fühlt sich vom Ausland bedroht

    Xis hartes Durchgreifen zeigt, dass er sich - angesichts von geopolitischen Spannungen mit den USA, mit Australien und anderen westlichen Ländern - vom Ausland bedroht fühlt. Um seine Macht weiter auszubauen, um China vor ungewünschten ausländischen Einflüssen weiter abzuschotten, nimmt er sogar in Kauf, das Vertrauen ausländischer Investoren zu verlieren.
    Elisabeth Schmidt ist ZDF-Korrespondentin im Auslandsstudio Peking.
    Olaf Scholz und Li Qiang beim Aufeinandertreffen.
    Eigentlich sollte die China-Strategie der Bundesregierung längst vorliegen. Doch die Koalition streitet über den richtigen Umgang mit dem wichtigsten Handelspartner.27.06.2023 | 8:55 min

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