Probleme auf dem Arbeitsmarkt:So zeigt sich der Azubi-Mangel auf dem Bau
von Tonja Pölitz
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Schon jetzt fehlen in der Baubranche rund 40.000 Leute. Auch die Lehrstellen können nicht besetzt werden. Das liegt nicht allein daran, dass es immer weniger Schulabgänger gibt.
In Deutschland fehlen Arbeitskräfte. Das kommt die deutsche Wirtschaft teuer zu stehen.09.11.2023 | 12:38 min
Gerade fängt das neue Ausbildungsjahr an. Laut der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) konnten so viele Unternehmen wie noch nie ihre Stellen für Azubis nicht besetzen. Mehr als ein Drittel hätte keine einzige Bewerbung erhalten. In der Baubranche konnte fast die Hälfte (48 Prozent) der Betriebe nicht alle Ausbildungsplätze besetzen.
Dieter Mießen ist Ausbildungsleiter bei der Berliner Tiefbaufirma Frisch & Faust. Er sagt, die, die sich bei ihm noch bewerben, seien oft nicht mehr geeignet:
Von 100 Praktikanten bleiben gerade mal sechs
Frisch & Faust habe über 100 Praktika durchgeführt, mit hohem finanziellem Aufwand. Von zehn Azubi-Stellen konnten trotzdem nur sechs besetzt werden. Denn das, was die Schule anliefere, sei immer weniger in der Praxis auszugleichen. Der Ausbildungsleiter: "Fehltage und unentschuldigte Tage, das ist mittlerweile der Normalfall geworden. Und dann sollen wir das Ganze richten?"
Haben die Unternehmen zu hohe Ansprüche?
90 Prozent der Arbeitgeber klagen schon jetzt über fehlendes Personal. Was, wenn jetzt auch immer weniger Nachwuchs nachkommt? Die Zahl der Schulabgänger ist um 100.000 pro Jahr niedriger als noch vor zehn Jahren.
Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit und ehemalige Arbeits- und Sozialministerin, empfiehlt Arbeitgebern, die Ansprüche weiter herunterzuschrauben:
Zurückhaltung hat sich Mießen längst abgewöhnt. Doch Hilfe von der Agentur komme nicht immer in ausreichendem Maße. Zum Beispiel wenn es um berufsbegleitende Hilfen geht. Nicht immer sei die billigste Deutschschule auch die Beste. Vor allem dann nicht, wenn sie vom Firmensitz viel zu weit entfernt ist.
Viele junge Menschen finden keine für sie passenden Ausbildungsplätze, obwohl viele Betriebe nicht alle ihre angebotenen Plätze besetzen konnten.01.09.2023 | 2:34 min
Ein Beispiel ist Aboubacar Camara. Der 23-Jährige floh 2017 aus Guinea. Jetzt ist er Azubi bei Frisch & Faust. Er bekommt seine Chance. Er hat jedoch Probleme an der Berufsschule, da seine Deutschkenntnisse nicht gut genug sind.
Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland steigt
Deutschland geht der Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt aus. Gleichzeitig steigt die Jugendarbeitslosigkeit. Bei Jugendlichen unter 25 Jahren gibt es 7,5 Prozent mehr Arbeitslose als noch im Vorjahr: Rund 270.000. Das heißt, jeder zehnte Arbeitslose ist unter 25. Das geht aus den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom August hervor.
Bei den unter 35-Jährigen sind 878.540 ohne Job. Viele machen gar keine Ausbildung mehr. Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister, sagte im Mai dem ZDF:
Hat Deutschland ein Motivationsproblem?
Rücken aber nicht genügend Junge auf dem Arbeitsmarkt nach, verliert das Land bis zum Jahr 2035 aus Altersgründen sieben Millionen Beschäftigte. Die Bundesregierung will vorrangig auf Zuwanderung setzen. Aber liegt bei Jugendlichen ohne Job und bei jenen ohne Ausbildung nicht auch noch gewaltiges Potenzial für den Fachkräfte-Nachwuchs?
Fachkräftemangel und zu wenig Azubis: Manche Betriebe bieten kreative Extras, um attraktiver zu werden.23.08.2023 | 2:28 min
Salih Delibaslar fährt immer noch bei Frisch & Faust Bagger, obwohl er schon seit zwei Jahren Rentner ist - und das nicht, weil es so viel Spaß macht. Nach 43 Jahren Arbeit bekommt er 1.400 Euro Rente. Das reicht aber nicht für seine Lebenshaltungskosten - allein seine Miete beträgt 800 Euro.
Deutschland habe ein Motivationsproblem, sagt Salih. "Die Arbeitgeber finden keine Arbeiter, aber guck mal, da, alle sitzen im Café und jetzt ist Arbeitszeit, normalerweise!", sagt Delibaslar.
Ausbildungsleiter: Zu viel Dolce Vita
Sein Kollege Dieter Mießen sieht es ähnlich. Deutschland sei mal bekannt für Disziplin und Fleiß gewesen. Jetzt aber mache sich hier zu viel Dolce Vita breit - mit Diskussionen über Homeoffice und Vier-Tage-Woche: "Das färbt dann auf diejenigen ab, die zu uns kommen mit Deutsch, Mathe, Englisch 5, Fehlzeiten ohne Ende. Ist doch alles so einfach. Wo soll ich unterschreiben?"
Prof. Dr. Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im Gespräch10.08.2023 | 7:41 min
Der Fachkräftemangel wird von den meisten Unternehmen als das größte Geschäftsrisiko der Zukunft eingeschätzt. Geht das so weiter, wird der Mangel an geeignetem Personal zum Stillstand führen, sagt Mießen. Seine Tiefbaufirma musste für einen Havarie-Einsatz auf dem Berliner Kaiserdamm bereits zwei andere Baustellen in der Stadt für Monate stilllegen.
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