Nahost, Ukraine, China: Warum sich die USA beschränken müssen

    Nahost, Ukraine, China :Warum sich die USA beschränken müssen

    Elmar Theveßen
    von Elmar Theveßen, Washington
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    Amerikas Macht ist begrenzt. Das zeigt sich auch im aktuellen Nahost-Krieg. Und doch sind die beschränkten Machtdemonstrationen der Biden-Administration enorm wichtig.

    Joe Biden
    Nach dem Hamas-Überfall auf Israel haben die USA ihre Militärpräsenz in Nahost deutlich erhöht. Doch die Kriege in der Welt setzen US-Präsident Biden zunehmend unter Druck.15.11.2023 | 6:37 min
    Noch immer sehen sich die Vereinigten Staaten als Weltenführer und Vorkämpfer für die Freiheit, so beschrieb Biden es in seiner Rede zum "Veterans Day" auf dem Arlington-Soldatenfriedhof am vergangenen Samstag: "Diese Nation setzt der Dunkelheit das Licht entgegen, immer und immer wieder. Egal, wie hoch die Kosten, egal, wie schwer die Last, dieses Licht der Freiheit sehen wir nicht nur, wir leben danach."  

    Begrenzte Macht der USA

    In Wirklichkeit aber ist Amerikas Macht begrenzt, denn die komplexen Probleme der Welt lassen sich nicht mit militärischer Macht allein lösen. Das wisse auch Joe Biden, so der Journalist Franklin Foer.
    In seinem Buch "The Last Politician" erklärt er, wie der US-Präsident in der Außenpolitik vor allem auf die Kraft der Überzeugung setzt: "Der Krieg in der Ukraine und die Vorgänge im Nahen Osten sind Nebenwirkungen einer multipolaren Welt. In der gibt es regionale Mächte, keine Supermächte, die aber ihre Vormachtstellung unterstreichen. Da gibt es eben Grenzen für das, was die Vereinigten Staaten tun können." 
    Biden konnte dem israelischen Premierminister Netanyahu in der Gaza-Offensive nur kleine Feuerpausen abringen, auch weil sein Rat, sich im Kampf gegen den Hamas-Terror nicht von blinder Wut leiten zu lassen, ein wenig hohl klingt. Schließlich hat Amerika in seinen eigenen Anti-Terror-Kriegen nach Nine Eleven wenig Rücksicht genommen auf die Zivilbevölkerung. Israel folge letztlich nur dem amerikanischen Vorbild, so der Strategieforscher Thomas Barnett.

    Israel: Nur begrenzter Einfluss möglich

    Außerdem sei das Land auch eine Nuklearmacht, die angesichts einer existentiellen Bedrohung beliebige Mittel anwenden könne: "Also, wenn Israel in Gaza seinen Willen durchsetzt, selbst wenn es am Ende die Zerstörung des Gaza-Streifens bedeuten würde, kann es damit durchkommen, weil niemand es wagen wird, Israel zu stoppen." Nicht einmal Amerika - auch wenn Proteste in aller Welt mehr fordern von dem Land, das angeblich für die Freiheit und Würde aller eintritt.  
    Amerikas Einsatz für die Freiheit ist erlahmt. Die überwältigende Mehrheit der Amerikaner will sich nicht mehr reinziehen lassen in Konflikte. 

    Amerikas Präsenz im Nahost-Konflikt

    Also beschränkt sich Amerikas Machtdemonstration in der Nahost-Region auf ein Ziel: All jene abzuschrecken, die den Krieg um Gaza für ihre Zwecke ausnutzen könnten. Abgesehen von einigen Raketenangriffen aus Libanon, Syrien und Jemen, scheint es zu funktionieren. Zwei Flugzeugträger und ein atomwaffenfähiges U-Boot sorgen dafür, dass der Iran sich raushält.  
    Gleichzeitig erzwingen die Bilder vom Leid der Zivilbevölkerung in Gaza politische Einsichten - dass es so nicht weitergehen kann; dass es endlich eine Lösung braucht, die Israel und den Palästinensern Sicherheit, Würde und Freiheit bringt; und dass Benjamin Netanjahu dafür nicht der Richtige ist, genauso wenig wie der Palästinenserchef Mahmoud Abbas – zu diesen Schlussfolgerungen kommt die US-Regierung in diesen Tagen. 

    Pendeldiplomatie für Frieden in Gaza

    Die Pendeldiplomatie von Außenminister Blinken erinnert an die von Henry Kissinger in den 70er Jahren nach dem Jom-Kippur-Krieg. Auch damals war der Schlüssel für den Friedensschluss, die Anführer der gesamten Region - von Ägypten bis Saudi-Arabien - einzubinden. Sechs Jahre dauerte es, bis der ägyptische Präsident Sadat und der israelische Premierminister Begin den Friedensvertrag unterzeichneten.
    Dass es damals klappte, gibt Hoffnung für heute, meint Biden-Biograf Franklin Foer: "Der Konflikt in Gaza wird es notwendig machen, dass Biden die Rolle des Friedensstifters übernimmt und dass die Vereinigten Staaten wieder zum Vermittler zwischen Israelis und Palästinensern werden. Das ist unvermeidlich.“ 

    Möglicher Druck auf Israel und die Botschaft an China

    Der US-Präsident könnte Druck machen auf Israel, indem er den Siedlungsbau im Westjordanland zum Bruch des Völkerrechts erklärt und das Konsulat für Palästinenserfragen in Jerusalem wieder eröffnet, das sein Vorgänger Trump hatte schließen lassen. Es wären klare Signale, dass ein "Weiter so" nach dem Ende des Krieges aus amerikanischer Sicht nicht akzeptabel ist.  
    Und es wäre auch eine Botschaft an China, dass die Supermacht USA immer noch mehrere Krisen gleichzeitig managen kann, so General Ben Hodges, der ehemalige Kommandeur der US-Armee in Europa: "Die Chinesen schauen genau zu, ob die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten den Willen, die Fähigkeit und die Mittel haben, der Ukraine zu helfen, dass Russland verliert. Israel zu helfen, Hamas zu besiegen, und dabei gleichzeitig Israel zurückzuhalten, damit es nicht eskaliert, und Iran davon abzuhalten, seine Nachbarn anzugreifen."
    Gelinge das nicht, meint Hodges, könnte China die Schwäche Amerikas als Ansporn sehen, Taiwan anzugreifen. 

    Ringen um eine neue Weltordnung
    :Wie der Krieg in Nahost die Welt spaltet

    Rund um die Welt beschäftigt der Gaza-Krieg die Menschen. Die Wucht der Reaktionen, vor allem im globalen Süden, lässt vermuten, dass mehr dahintersteckt, als das Leid in Nahost.
    von Johannes Hano, Singapur
    Pro-palästinensische Demonstranten in Kolkata, Indien
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