USA-Experte: Worauf es für die Demokraten jetzt ankommt

    Interview

    Experte über weiteren Wahlkampf:Worauf es für die US-Demokraten jetzt ankommt

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    Der Parteitag der US-Demokraten ist vorbei, ein intensiver Wahlkampf steht an. Worauf es für Kamala Harris und ihre Partei nun ankommt, hat USA-Experte Michael Werz analysiert.

    TN: "Es gab einen Generationenwechsel"
    Die Demokraten müssen die Dynamik des Parteitages nutzen, sagt Politikwissenschaftler Michael Werz. Wichtig sei die Mobilisierung der Erst- und Zweitwähler sowie der Latinos.23.08.2024 | 15:33 min
    Die Harris-Show ist vorbei: Nach dem viertägigen Nominierungsparteitag in Chicago wird die Wahlkampfarbeit für die US-Demokraten aber erst richtig intensiv.
    Welche Auswirkungen hat der Parteitag auf die nächsten rund 70 Tage bis zum Wahltag? Worauf muss die Partei mit ihrem Kandidatenduo Kamala Harris und Tim Walz jetzt achten? Einschätzungen lieferte der Politikwissenschaftler und USA-Experte Michael Werz von der Denkfabrik "Center for American Progress" bei ZDFheute live.
    Sehen Sie das gesamte Gespräch oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen.
    Das sagte Werz über...

    ... die Bedeutung des Parteitags für die US-Demokraten

    Der Nominierungsparteitag sei wichtig gewesen, sagte Werz - vorrangig aber nicht wegen seiner Wirkung auf die gesamte Wählerschaft in den USA:

    Er hat eine enorme Wirkung nach innen, innerhalb der demokratischen Partei, entfaltet.

    Michael Werz, Center for American Progress

    Auf dem Parteitag hätten "auf verschiedenen Ebenen Generationswechsel innerhalb der demokratischen Partei stattgefunden". Zum einen von US-Präsident Joe Biden zu Kamala Harris als neue stärkste Kraft. Es sei aber auch klar geworden, "dass Bernie Sanders, der legendäre Senator aus Vermont, nicht mehr die Speerspitze der Parteilinken ist, sondern diese Position jetzt von Alexandria Ocasio-Cortez, einer jungen Abgeordneten aus der Bronx in New York, übernommen worden ist."

    Diese Dynamik zu dokumentieren und in der Partei zu kommunizieren, war eine wichtige Funktion dieses (...) Parteitages.

    Michael Werz, Center for American Progress

    Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Vizepräsidentin Kamala Harris spricht während des Parteitags der Demokraten in den USA.
    Auf dem Parteitag der US-Demokraten hat Kamala Harris ihre Präsidentschaftskandidatur angenommen. Am 5. November haben die USA die Wahl zwischen Trump und Harris. 23.08.2024 | 1:47 min
    Außerdem habe, so der Experte, die starke "Konzentration der Republikaner auf weiße Wählerinnen und Wähler mit nationalistischer Rhetorik, fundamentalistischen, christlichen Ober- und Untertönen" zuletzt dafür gesorgt, dass die Demokratische Partei "ungeheuer breit aufgestellt wirkt - oder aufgestellt ist".
    Laut dem Politikwissenschaftler umfasse das Spektrum der Demokraten auf deutsche Verhältnisse übertragen mittlerweile Positionen der Sozialdemokraten, der Grünen, der FDP und Teilen der rheinischen CDU.

    Alleine diese Bandbreite an politischen Stimmungen und auch die Konflikte, die es in dieser Partei gibt, zusammenzuführen, war eine ganz wichtige Funktion dieses Nominierungsparteitages.

    Michael Werz, Center for American Progress

    Die Wirkung nach außen hingegen werde "in einigen Tagen eher wieder verblassen".

    ... Schlüsselfragen für den demokratischen Wahlkampf

    Wegen des Kopf-an-Kopf-Rennens in den Meinungsumfragen müsse es für Kamala Harris und Tim Walz nun vor allem um zwei Dinge gehen: "Im mittleren Westen, wo die Demokraten bei vergangenen Wahlen viel Unterstützung verloren haben", müssten die US-Demokraten versuchen, die Dynamik der euphorischen Wahlkampagne aufrechtzuerhalten.
    SGS Theveßen
    Der Parteitag der Demokraten hat eine Welle der Euphorie ausgelöst. Wie das Momentum genutzt werden soll, erklärt ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen in Chicago. 23.08.2024 | 1:09 min
    "Der zweite wichtige Punkt ist die Mobilisierung von Erst- und Zweitwählern, also von jungen Leuten und von Minderheiten", so Werz. Insbesondere die Latino-Community, die inzwischen 70 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten umfasse, sei daher wichtig zu gewinnen.

    ... die Migrationsdebatte als heißes Wahlkampfthema

    Das Migrationsthema sei eines der wichtigen Themen für Donald Trump, der eine "Kampagne der Angst und der Furcht" führe. Die Debatte sei gerade für linksliberale Politiker wie Harris und Walz "ein politisches Minenfeld", so Werz.
    Trotz der schwierigen Lage an der Südgrenze der USA zeigten Meinungsumfragen, "dass die Migrationsfrage für viele dann zu einem wahlentscheidenden Thema wird, je näher sie an der kanadischen Grenze leben". Der Experte schlussfolgerte:

    Hier ist das Phänomen zu beobachten, das sie auch aus Ostdeutschland oder aus Polen kennen: eines Rassismus ohne Ausländer (...).

    Michael Werz, Center for American Progress

    Es sei "ganz schwer zu kommunizieren und damit politisch umzugehen, wenn Leute solche verzerrten Wahrnehmungen davon haben, wie ihre Wirklichkeit und ihre gesellschaftlichen Erfahrungen sich strukturieren".
    Elmar Theveßen
    Man habe Kamala Harris immer vorgeworfen, dass "sie keine Visionen habe", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. Auf dem US-Demokraten-Parteitag habe sie "konkrete Dinge angeführt".23.08.2024 | 3:29 min

    ... den Ton des weiteren Wahlkampfes

    Werz erwartet einen Lagerwahlkampf, in dem politische Differenzierungen wenig im Vordergrund stehen würden. "Für die Demokraten ist es, glaube ich, eher ein Vorteil, (...) dass Donald Trump im Moment eher den Eindruck erweckt, als fühle er sich in die Enge getrieben durch den relativen Erfolg von Kamala Harris in den vergangenen Wochen."
    Ein Lagerwahlkampf ermögliche es Harris zudem, staatstragend aufzutreten - wie in ihrer Abschlussrede auf dem Parteitag:

    Das war im Prinzip ihre erste Bewerbungsrede, die über den Parteitag hinausging, um Amerikanerinnen und Amerikanern zu signalisieren: Diese Dauerpolarisierung, dieses Wutbürgertum von Donald Trump führt ein heterogenes Land wie die USA in den Abgrund.

    Michael Werz, Center for American Progress

    Das Interview führte ZDF-Moderator Christopher Wehrmann. Zusammengefasst hat es ZDF-Redakteur Torben Heine.

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    Quelle: ZDF

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    Quelle: ZDF

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