Ukraine-Krieg: Wie gefährlich Putins Oreschnik-Rakete ist
Angriff auf Ukraine:"Oreschnik": Wie gefährlich Putins Rakete ist
von Christian Mölling und András Rácz
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Russland setzt eine neue Rakete ein, die Reichweite ist größer als bei allen zuvor eingesetzten Raketen. Um eine unerwünschte Eskalation zu vermeiden, warnte Moskau Washington.
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In der Nacht zum 21. November setzte Russland ein zuvor nicht gesehenes Raketensystem gegen die Stadt Dnipro ein. Den verfügbaren Bildern zufolge war die Rakete mit einem MIRV-System (Multiple Independent Targetable Reentry Vehicle), also mehreren Sprengköpfen ausgestattet. Nach Informationen, die nach dem Angriff veröffentlicht wurden, trug die Rakete sechs Sprengköpfe, die jeweils sechs kleinere Ladungen enthielten.
Neue Rakete im Zentrum russischer Medien
Russland hat offensichtlich die Absicht, die mediale Wirkung der neuen Rakete zu verstärken. Der russische Präsident Wladimir Putin widmete einen bedeutenden Teil einer seiner Fernsehansprachen der neuen Waffe, ebenso wie andere russische Informationskanäle.
Er behauptete bereits am Donnerstag, dass es sich bei der Rakete um ein neues, experimentelles System mit dem Codenamen "Oreschnik"handele. Dessen Einsatz sei eine Reaktion auf die Erlaubnis der USA, der Ukraine den Einsatz von Waffen aus amerikanischer Produktion für Schläge tiefer in Russland zu erlauben.
Laut ukrainischen Angaben hat Russland erstmals eine Interkontinentalrakete abgefeuert. Zuvor soll die Ukraine in der Region Kursk britische Marschflugkörper eingesetzt haben.
21.11.2024 | 1:30 min
Ukraine fordert moderne Luftabwehrsysteme
Moskau erklärte, dass es keinen Schutz gegen diese neue Waffe gibt, da die bestehenden Raketenabwehrsysteme sie nicht abfangen können. Es sei jedoch daran erinnert, dass Russland vor der umfassenden Eskalation ähnliche Behauptungen über seine Kinzhal-Rakete aufgestellt hat, während tatsächlich mehrere Kinzhals in der Ukraine abgeschossen wurden, vor allem durch Patriot-Luftabwehrsysteme.
Die Ukraine hat die Nachricht über die neue russische Waffe sofort genutzt, um weitere moderne Luftabwehrsysteme zu fordern. Aus ukrainischen Regierungskreisen verlautete, dass entweder modernisierte Patriots oder THAAD-Abwehrsysteme (Terminal High Altitude Area Defense) für ballistische Flugkörper benötigt werden.
Bei einem Angriff auf die Ukraine nutzte Russland bereits eine neue Mittelstreckenrakete. Jetzt kündigte Präsident Putin an, die Oreschnik-Rakete in Serie zu produzieren.
mit Video
Ukraine berichtet von russischem Angriff mit ICBM
Die ukrainische Seite versuchte, auch die öffentliche Wahrnehmung des Angriffs mit Informationsmitteln zu beeinflussen. Am Donnerstag behaupteten mehrere ukrainische offizielle Quellen, Russland habe eine ballistische Interkontinentalrakete (ICBM) gegen die Stadt eingesetzt.
Wäre dies der Fall, wäre es der erste Kampfeinsatz einer Interkontinentalrakete seit der Entwicklung dieser Waffen in den 1950er Jahren gewesen.
Russland setzt modifizierte Mittelstreckenrakete Oreschnik ein
Tatsächlich handelte es sich jedoch höchstwahrscheinlich nicht um eine ICBM, sondern um eine modifizierte ballistische Mittelstreckenrakete. Wie aus offenen Quellen hervorgeht, handelte es sich auch nicht um ein völlig neues System, sondern um eine modifizierte Version der ballistischen Mittelstreckenrakete RS-26 Rubezh.
Bei der RS-26 selbst handelt es sich um eine verkürzte, kleinere Version der ballistischen Interkontinentalrakete RS-24 Yars, die für den Einsatz gegen näher gelegene Ziele konzipiert ist. Die ursprüngliche RS-26 ist für den Transport mehrerer nuklearer Sprengköpfe oder eines Hyperschall-Gleitflugkörpers für eine kürzere Reichweite ausgelegt.
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Bei der gegen Dnipro eingesetzten Modifikation soll es sich um eine Variante handeln, die mit mehreren konventionellen statt nuklearen Sprengköpfen bestückt ist. Es ist unklar, ob die Rakete auch mit Nuklearsprengköpfen bestückt werden kann, aber die Antwort ist höchstwahrscheinlich positiv. Die Waffe hat eine geschätzte Reichweite zwischen 2.500 und 3.500 Kilometern, möglicherweise sogar nahe 5.000 - öffentlich zugängliche, verlässliche Informationen dazu gibt es nicht.
Quelle: DGAP
... ist Senior Advisor beim European Policy Centre. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Oreschnik: Größere Reichweite und schwerer abzufangen
Die größere Reichweite macht die Oreschnikgefährlicher als die anderen bisher eingesetzten russischen ballistischen Raketen. Die mehrere tausend Kilometer große Reichweite bedeutet, dass diese Waffe jeden Teil der Ukraine treffen kann, auch die westlichen Teile des Landes, die bisher eher weniger angegriffen wurden als die Städte im Osten.
Außerdem ist der Flugkörper aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit - auch wenn er nicht mit Hyperschall fliegt, sondern "nur" ballistisch ist - extrem schwer abzufangen. Russland hat bereits Marschflugkörper mit einer Reichweite von 2.000 bis 2.500 Kilometern im Einsatz, nämlich die Kalibr-Systeme, aber diese sind langsamer und daher relativ leicht abzufangen. Darüber hinaus ermöglicht der MIRV-Sprengkopf der Oreschnik, mehrere Ziele gleichzeitig zu treffen.
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Moskaus Versuch, Stärke zu beweisen und Risiken zu minimieren
Der größte Engpass auf russischer Seite sind die geringen verfügbaren Stückzahlen der Oreschnik, da es sich um ein experimentelles System handelt. Außerdem ist ihr Preis wahrscheinlich viel höher als der anderer serienmäßig hergestellter Marschflugkörper oder ballistischer Flugkörper. Sobald jedoch die Serienproduktion anläuft, könnte es durchaus zu weiteren derartigen Schlägen kommen.
Russland sah sich offensichtlich gezwungen zu versuchen, seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Es hatte für den Fall der Freigabe von Systemen mit größerer Reichweite immer wieder mit Konsequenzen gedroht.
Zugleich hat Moskau das Eskalationsrisiko im Blick gehabt: Kurz vor dem Start wurden über die etablierten Kanäle zur Risikoreduktion die USA benachrichtigt, um sicherzustellen, dass Washington den Start nicht mit einem ICBM-Start verwechselt. Dieser angekündigte Einsatz der neuen russischen Rakete zeigt, dass Moskau nach wie vor ein rationaler, berechnender Akteur ist.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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