US-Wahlkampf nach Attentat auf Trump: "Das Rennen ist offen"

    Interview

    Expertin zu US-Wahlkampf:Nach Trump-Attentat: "Das Rennen ist offen"

    von Annika Heffter
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    Das Attentat auf Donald Trump wirkt sich auch auf den US-Wahlkampf aus. Ein neuer Ton könnte dabei auch für Präsident Joe Biden von Nutzen sein, sagt Expertin Andrea Römmele.

    Politikwissenschaftlerin Prof. Andrea Römmele
    Mit dem Attentat verändere sich Trumps Rolle, er würde vom Angeklagten zum Opfer, so Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele.15.07.2024 | 15:26 min
    Der Wahlkampf in den USA geht weiter - auch nach dem Attentat auf den Ex-Präsidenten Donald Trump bei einer Veranstaltung am Samstag (Ortszeit). Die einen glauben: Jetzt wird Trump erst recht zum Präsidenten gewählt werden. Die anderen sagen: Amtsinhaber Joe Biden hat nun die Chance, als vereinende Kraft Menschen hinter sich zu versammeln.
    Im Interview mit ZDFheute live beantwortet Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele, Professorin an der Hertie School, die wichtigsten Fragen: Tritt jetzt ein ganz neuer Donald Trump zutage? Und wie wird sich das Attentat auf die Wahlkampfstrategien der Demokraten und der Republikaner auswirken?

    Römmele: Wahl nach Attentat noch nicht entschieden

    Dass der Mordversuch auf Trump die US-Wahl "entschieden" hat, glaubt Römmele nicht: "Das Rennen ist offen." Allerdings sei es entscheidend, "wie die beiden Lager, also das Biden-Lager auf der einen Seite und das Trump-Lager auf der anderen Seite, sich jetzt aufstellen, wie sie sich strategisch neu positionieren", sagt die Expertin.
    Slomka in der Doppelschalte mit Bates und RöllerSlomka in der Doppelschalte mit Bates und Röller
    Trumps Wahl von J.D. Vance als Vizekandidat ordnet ZDF-Korrespondentin Claudia Bates aus Milwaukee ein. Ulf Röller berichtet über die Reaktionen zum US-Wahlkampf aus Brüssel. 15.07.2024 | 5:23 min
    Das sei besonders wichtig, um unentschiedene Wählerinnen und Wähler der Mitte nun für sich gewinnen zu können. Für Biden komme es darauf an, dass er "einfach noch den Atem hat bis zum Herbst" und die Demokraten den Fokus darauf lenken können, "welche inhaltliche Alternative sie bieten".

    Ich glaube, es ist auch ganz zentral, dass sie die wirtschaftlichen Erfolge, die unter der Biden-Administration geleistet wurden, dass sie die in den Vordergrund stellen.

    Andrea Römmele, Hertie School

    Für die Republikaner gehe es dagegen darum, die Unentschiedenen "mit einer moderaten Tonalität" zu erreichen und dass Trump sich jetzt "als der große Vereiner" darstelle, "der das Land wieder zusammenbringt".
    Delegierte nehmen am ersten Tag des Republikanischen Nationalkongresses 2024 im Fiserv Forum in Milwaukee, Wisconsin, am 15. Juli 2024 teil.
    Nur zwei Tage nach dem Attentat auf Donald Trump werden er und J.D. Vance, der mögliche Vizepräsident, auf dem Parteitag der Republikaner offiziell als Kandidaten nominiert. 15.07.2024 | 3:11 min

    Wird Trump jetzt also anders, versöhnlicher?

    "Das Wenige, was wir jetzt schon gehört haben von Trump nach diesem Attentat, war in der Tat versöhnlicher, vereinender", sagt Politikwissenschaftlerin Römmele. Allerdings gebe es zwei Punkte, die eher gegen eine neue, moderate Art der republikanischen Seite sprechen:
    • Aus dem Umfeld Trumps seien bereits jetzt "sehr aggressive, extrem polarisierende Nachrichten" zu hören, "die die ganze Verschwörungsmaschinerie wieder ankurbeln". Diese kämen etwa von J.D. Vance, der als ein möglicher Vize-Kandidat für Trump gehandelt wird. Er habe Biden direkt für das Attentat verantwortlich gemacht. Aus dem Trump-Lager würden zudem Verschwörungstheorien verbreitet, dass Biden "den Mord in Auftrag gegeben" habe.
    • Eine komplett neue Rhetorik Trumps ist Römmele zufolge eher unwahrscheinlich. "Er müsste ja mit all dem brechen, was er davor gesagt hat." Er müsse dann etwa zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 Stellung nehmen oder zugeben, dass Biden die letzte Wahl doch nicht "gestohlen" habe. "Und den Bruch, den sehe ich nicht kommen", sagt die Expertin.

    Expertin: Trump nun Opfer statt Angeklagter

    Was der Schussangriff auf Trump allerdings auf jeden Fall bewirkt habe, sei eine andere Wahrnehmung seiner Person in der Öffentlichkeit.

    Mit diesem Attentat verändert sich seine Rolle um 180 Grad. Er ist jetzt nicht mehr Angeklagter, er ist Opfer.

    Andrea Römmele, Politikwissenschaftlerin

    In den vergangenen sechs Monaten habe man Trump in den Medien hauptsächlich im Zusammenhang mit seinen Gerichtsprozessen wahrgenommen - nun denke niemand mehr an die Zeit im Gerichtssaal und seine vielen Anklagen. Das Bild von dem Attentat, "dieses starke Bild", sei den Menschen nun in Erinnerung "und wird als allererstes mit ihm in Verbindung gebracht".
    USA, Butler: Einsatzkräfte stürmen die Bühne während einer Wahlkampfveranstaltung mit dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber und ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump
    Die Ermittlungen zum Täter dauern noch an. Es war offenbar ein Einzeltäter. Viele Fragen sind noch offen, auch wie es überhaupt zu den Schüssen kommen konnte.15.07.2024 | 1:29 min

    Was für und was gegen Biden spricht

    Für Biden sei es gut, dass nun eine Seite von ihm gefragt sei, "die er gut bespielen kann", sagt Römmele. Er könne nun als derjenige agieren, "der Gräben zuschüttet". Der "aggressive Wahlkampfton" und der "aggressive Schlagabtausch im Duell", die ihm zuvor eher schadeten, stünden nun weniger im Fokus. Der Druck auf Biden, auch innerhalb seiner eigenen Partei, dürfte also eher nachlassen. "Also das stärkt Biden sicherlich."
    Auf der anderen Seite betont die Expertin: Im Vergleich zu Trump sehe Biden nun schwächer aus. Trump könne sich als "der große Märtyrer und Hero" geben, "der sogar noch ein Attentat überlebt und am nächsten Tag wieder auf der Bühne ist". Biden hingegen habe sich von einem "alten Kandidaten hin zu einem greisen Kandidaten" entwickelt.
    Alles in allem sagt Römmele: Wer am Ende das Rennen macht und US-Präsident wird, entscheide sich unter anderem dadurch, wie die beiden Lager sich nach dem Attentat auf Trump strategisch ausrichten. Und ob die jeweiligen Strategien aufgehen.
    Das Interview bei ZDFheute live führte Philip Wortmann.

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    Quelle: ZDF

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