Web Summit: Warum die diesjährige Tech-Konferenz anders ist

    Europas größte Tech-Konferenz:Warum der diesjährige Web Summit anders ist

    von Anne Arend, Lissabon
    |

    Der Krieg in Nahost beschäftigt auch die Tech-Welt. Namhafte Unternehmen bleiben dem Web Summit in Lissabon fern. Dafür wollen rund 2.600 Start-ups das Treffen nutzen.

    Web Summit, in Lisbon
    Europas größte Internetkonferenz findet seit Jahren in Lissabon statt. Immer mehr Unternehmen verlegen ihre Digital Hubs nach Lissabon.14.11.2023 | 2:10 min
    Der Web Summit gehört zu den größten Tech-Konferenzen weltweit. Junge Unternehmensgründer werben hier für ihre Ideen und um Investoren. Doch in diesem Jahr wird das Treffen von Boykottaufrufen und Kontroversen aufgrund des Nahost-Konflikts überlagert.
    Der Grund: Der Gründer des Web Summit, Paddy Cosgrave, hatte kurz nach dem Massaker der Hamas an Israelis die Reaktion Israels angeprangert. Auf der Plattform X warf er Israel vor, Kriegsverbrechen zu begehen. Er entschuldigte sich zwar dafür, doch die Kritik riss nicht ab. An seine Stelle tritt nun Katherine Maher, frühere Leiterin der Stiftung hinter Wikipedia. Die wünsche sich anregende, respektvolle Debatten in den kommenden Tagen, erklärte sie und mahnt zugleich:

    Das Recht auf freie Meinungsäußerung zu haben und das Gewicht der eigenen Worte zu bedenken, sind zwei unterschiedliche Dinge.

    Katherine Maher, Chefin des Web Summit

    Absagen von Google, Meta und Co.

    Nach Cosgraves Vorwürfen riefen Prominente aus der israelischen Tech-Welt zum Boykott auf, Firmen wie Google, Meta, Intel und Siemens sagten ihre Teilnahme ab. Und auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) führte die Kontroverse als einen der Gründe auf, weshalb er einem Treffen mit deutschen Start-ups in Lissabon nun fernbleibt - anders als geplant.
    Andere sind gekommen. Sogar zahlreicher als in den Jahren zuvor, so die Veranstalter. Etwa 2.600 Start-ups aus allen Teilen der Welt. Zum Opening-Event am Abend versammeln sich in der Messehalle in Parque das Nações viele junge Menschen, denen es um Business geht, aber nicht nur: Sie sind voller Elan, überzeugt, die Welt zu einem besseren, sozialeren und nachhaltigeren Ort machen zu können. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz etwa, einer der Schwerpunkte während der viertägigen Konferenz.

    Portugals Lockangebote für die IT-Branche

    Nils Henning kennt diesen Spirit. Der Unternehmer hat schon mehrere Start-ups gegründet, mit einer Bandbreite von Computerspielen bis zu Immobilien-Datenbanken. Und er war schon mehrfach auf dem Web Summit vertreten. Henning lebt seit 2017 in Lissabon. Das Land habe ihn damals mit offenen Armen empfangen, erzählt er im Gespräch mit ZDFheute:

    Portugal war nach der Finanzkrise an einem Punkt, an dem es sich überlegen musste, wie können wir Innovation ins Land bringen? Und es wurden entsprechend steuerliche Impulse geschaffen, Internet für Startups war damals for free, die Büros umsonst.

    Nils Henning, Start-up-Gründer beim Web Summit

    Portugal: High-Speed Internet und soziale Probleme

    Dass das Anlocken der IT-Branche zu sozialen Problemen, steigenden Mieten und Verdrängung der Alteingesessenen geführt hat, hat die Regierung inzwischen auch erkannt und fährt einige Lockangebote zurück.
    Von anderen profitiert jedoch das ganze Land. "Insbesondere auch in ländlichen Regionen ist der 5G Standard deutlich besser ausgebaut. Es gab direkt diesen Schritt in Richtung High Speed Internet und eine landesweite Abdeckung, also wir können uns wirklich nicht beklagen", lobt Henning und außerdem gebe es weniger Bürokratie, weniger Barrieren für ausländische Fachkräfte.
    In den direkten Wettkampf wollen drei deutsche und drei portugiesische Start-ups beim sogenannten "freundlichen tech battle" treten. Was damit gemeint ist, ist noch nicht bekannt.

    Verantwortung der Tech-Branche

    Der Web Summit rühmt sich als Ort des Austausches, des miteinander Ringens und gehört mit mehr als 70.000 Teilnehmenden in diesem Jahr wieder zu den größten Treffen der Branche. Doch viele sind nachdenklicher geworden und sich ihrer Verantwortung bewusst. Die Rede von der neuen Leiterin Katherine Maher klingt zumindest nicht nach schneller, höher, weiter, um jeden Preis.

    Die Technologie ist sowohl unsere größte Hoffnung auf Fortschritt als auch unser größter potenzieller Spalter.

    Katherine Maher, Chefin Web Summit

    plan b: Fachkräfte ohne Mängel
    Der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal wird immer dramatischer. Doch es gibt Hoffnung: In naher Zukunft könnten menschengroße Roboter Pflegeaufgaben übernehmen.13.10.2023 | 29:44 min

    Mehr zu KI und Technik