Land setzt auf IT-Branche:Portugal: Reich der digitalen Nomaden
von Tilo Wagner
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Schnelles Internet, angenehmes Klima, bezahlbares Leben - Portugal ist zum Hotspot der IT-Community gereift. Jetzt lockt das Land mit einem Visum für digitale Nomaden.
Lange ein schwarzer Fleck, nun IT-Hotspot: In Lissabon findet die wohl größte Internetkonferenz Europas statt.
Quelle: Reuters
Portugals Premierminister António Costa bahnt sich einen Weg durch die Menschenmenge. Hunderte von Startups, überall flimmernde Bildschirme, 70.000 Besucher: Der Lissabonner Web Summit gilt als größte Internetkonferenz Europas. Als Costa vor über einem Jahrzehnt noch Bürgermeister von Lissabon war, förderte er die ersten Start-up-Inkubatoren in der portugiesischen Hauptstadt.
Portugal war auf der Landkarte für innovative digitale Unternehmen ein schwarzer Fleck. Das Blatt sich nun gewendet. Im vergangenen Jahr flossen 1,5 Milliarden Euro in die Start-up-Szene. Das Land zählt bereits sieben Unicorns (Einhörner), also Start-up-Unternehmen, die einen Marktwert von über einer Milliarde Euro erreicht haben.
Visum für digitale Nomaden
Die Regierung geht jetzt den nächsten Schritt: Seit dem 30. Oktober bietet Portugal digitalen Nomaden aus aller Welt ein einjähriges Visum an. So können auch IT-Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland sehr einfach nach Portugal kommen und hier arbeiten. "Dies ist eine großartige Gelegenheit, die Entwicklung, die wir erlebt haben, fortzusetzen", sagt Premierminister Costa dem ZDF.
Klima reizt IT-Fachkräfte, Madeira profitiert
Aber was reizt junge IT-Fachkräfte an Portugal? Felix Brüning, ein 36-jähriger Software-Entwickler aus Hamburg, hat vergangenes Jahr die portugiesische Atlantikinsel Madeira für sich entdeckt. In einem Ort an der Südküste fand er nicht nur eine internationale Community, sondern auch die nötige Infrastruktur für das digitale Arbeiten: "In Portugal ist das Internet sehr viel schneller als in Deutschland. In den Städten, aber auch in den Dörfern. Sogar auf Madeira hatte ich 250 Megabit zu Hause."
Und das zahlt sich auch für die Insel aus, insbesondere in den Monaten außerhalb der Hochsaison. Laut Schätzungen der IT-Community Madeira sollen die digitalen Nomaden monatlich rund 2,5 Millionen Euro auf der Insel lassen.
Drei Faktoren für IT-Boom in Portugal entscheidend
Felix Brüning und viele seiner Kollegen arbeiten dabei für Unternehmen, die nicht unbedingt ihren Sitz in Portugal haben. Dennoch sind sie ein wichtiger Teil einer innovativen IT-Community, die in den vergangenen Jahren in Portugal sehr stark gewachsen ist. Das sagt Afonso Eça, Professor für Finanzwissenschaften an der Business School Nova SBE in Lissabon. Eça verweist auf drei Faktoren, die den Wachstum der Branche und die Attraktivität Portugals für IT-Fachkräfte erklären:
"Wir haben ein attraktives Steuersystem mit einer Flatrate von nur 20 Prozent für Freiberufler. Wir haben immer mehr erfolgreiche Startups, die hier ihre Software-Entwicklungszentren aufbauen. Und wir haben immer noch relativ geringe Arbeitskosten – zumindest verglichen mit anderen europäischen Großstädten."
IT-Boom hat auch Schattenseiten
Doch es gibt auch Schattenseiten. Der Boom in den Metropolen Porto und Lissabon hat die Immobilienpreise und Mieten sehr stark ansteigen lassen, weil immer mehr Leute aufschlagen, die viel mehr Geld verdienen als die ansässige Bevölkerung. Der Wohnraum für Studierende und junge Familien wird knapp. Eine unabhängige Beobachtungsstelle schätzt, dass das Angebot von Wohnungen und Zimmern für Studierende in Lissabon in diesem Jahr um rund 80 Prozent zurückgegangen ist.
"Mehr als 10.000 Studierende haben in Portugal einen Studienplatz bekommen, aber sie konnten sich nicht einschreiben, weil sie in den Studienorten keine Wohnung gefunden habe", sagt João Machado, Präsident des Studenten-Verbandes Lissabon.
Portugal will mehr Studentenwohnheime bauen
Die sozialistische Regierung will nun auch das Geld aus dem portugiesischen Wiederaufbau- und Resilienzplan nutzen, um die Wohnungsnot einzudämmen. Über eine Milliarde Euro sollen in den Neubau von Sozialwohnungen und Studentenwohnheimen investiert werden.
Doch bis das Wohnungsbauprojekt tatsächlich umgesetzt wird, könnte der Wettbewerb um Wohnraum in Lissabon und Porto noch weiter zunehmen - auch wegen der digitalen Nomaden.