Krieg in Syrien: Rebellen-Offensive gegen Assads Regime
Analyse
Rebellen-Offensive:Wie der Krieg nach Syrien zurückkehrt
von Golineh Atai
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Seit Jahren bewegten sich die Fronten und Einflussbereiche in Syrien kaum noch. Baschar al-Assads Regime schien in Stein gemeißelt. Nun kommt die syrische Opposition zurück.
Rebellen haben Syriens zweitgrößte Stadt Aleppo erobert. Machthaber Assad ist bei der Gegenoffensive auf die Unterstützung Russlands, des Irans und des Iraks angewiesen.02.12.2024 | 31:47 min
"Wir sind unbewaffnete Zivilisten. 2011 war unsere einzige 'Sünde', dass wir 'Nein'" sagten. Dass wir eine Vision hatten: Einen Rechtsstaat aufzubauen und eine Justiz, unter der wir alle leben konnten. Aber das Regime hat uns mit Chemiewaffen angegriffen, zweihundert Meter von dem Ort, wo ich jetzt stehe", erklärt der Mann, der vor dem Rathaus von Khan Sheikhoun steht und seinen Namen nicht nennt.
Er gehört zu jenen, die 2019 vertrieben wurden aus seiner Stadt - und nun im Zuge der Rebellenoffensive zurückgekommen sind.
Wir sind die Menschen dieser Region. Und wir wollen dieses Land wieder aufbauen.
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Anonymer Rückkehrer
Die Kämpfe zwischen den islamistischen Rebellen und der syrischen Armee breiten sich aus. Fast 50.000 Menschen sind wegen der jüngsten Eskalation in Syrien auf der Flucht.03.12.2024 | 2:12 min
Seit Offensive hoffen Vertriebene auf Rückkehr
Die islamistischen Aufständischen der Gruppe Hayat Tahrir al Sham, kurz HTS, sind in Idlib, der Oppositionsenklave im Nordwesten Syriens, nicht sonderlich beliebt - auch wenn sie einen funktionierenden kleinen Staat geschaffen haben. Doch die Offensive der Rebellenallianz elektrisiert viele. Sie bedeutet Aussicht auf Rückkehr, Aussicht auf eine Zukunft - in einem neuen Syrien.
"Der Ruf nach den Idealen der syrischen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Demokratie - ist in Idlib nie verstummt", erklärt Anna Fleischer, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut. Der Widerstand gegen Assad bedeute nach wie vor Widerstand gegen dessen Gewalt, gegen willkürliche Verhaftungen, gegen gewaltsames Verschwindenlassen, gegen seinen Personenkult.
Sein Regime war auf dem Kipppunkt, als Moskau intervenierte, und es so von außen am Leben erhielt.
Nachdem Aleppo in den letzten Tagen fast vollständig von den Rebellen eingenommen wurde, bewegen sich die Kämpfe mit den Regierungstruppen mittlerweile auf die Stadt Hama zu. 03.12.2024 | 1:38 min
Gemischte Gefühle gegenüber Rebellenführer
Mit gemischten Gefühlen schauen viele Syrer nun auf den HTS-Führer und ehemaligen Al-Kaida-Kämpfer Abu Muhammad al-Jolani, wenn er vor der Zitadelle von Aleppo ein Selfie macht und in einer Menschenmenge seinen Erfolg dokumentiert. Dass die internationale Gemeinschaft in Syrien in den vergangenen dreizehn Jahren massiv scheiterte, während Al-Jolani sich nun in Aleppo feiert, ist für viele Syrer schmerzhaft zu beobachten.
Nach Angaben des syrischen Militärs wird die Offensive von der Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) angeführt, die einen Großteil des Nordwestens von Syrien kontrolliert. Die Gruppe war früher als Nusra-Front bekannt, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Seither hat sie ihren Namen mehrmals geändert und sich von Al-Kaida distanziert.
"Die dschihadistischen Ursprünge Jolanis wecken ganz klar Befürchtungen unter den Zivilisten - auch wenn er sich pragmatisch gibt. Im Frühjahr demonstrierten Bürger in Idlib gegen Jolanis autoritäre Herrschaft und Folter in seinen Gefängnissen. Es gibt Berichte über die Unterdrückung von politischem Dissens und Machtmissbrauch", erklärt der syrische Menschenrechtler Fadel Abdulghani im Gespräch mit ZDFheute.
Ohne Respekt für die Menschenrechte, ohne das Bemühen nach Einheit zwischen verschiedenen Gruppen in Syrien, ohne eine unabhängige zivile Regierung könnten Jolanis militärische Gewinne in neuer Instabilität und Chaos enden, warnt er.
Die größte Befürchtung sei, dass Assad sich wieder gezwungen sieht Chemiewaffen oder Bombenattentate einzusetzen, so ZDF-Korrespondentin Golineh Atai.02.12.2024 | 13:03 min
Experten: Das Assad-Regime wird bis zum letzten Soldaten kämpfen
Und das Regime in Damaskus? Nichts lässt vermuten, dass sich an seiner totalitären Natur etwas geändert hat. Alle Beobachter sind sich einig, dass Baschar al-Assad bis zum letzten Soldaten und mit allen Mitteln kämpfen werde, um die Herrschaft des Assad-Clans zu schützen.
Die neuen Luftangriffe auf mehrere Krankenhäuser in den Rebellengebieten sind ein typisches Reaktionsmuster: Zivilisten wissen aus Jahren der Erfahrung, dass Assad sich zuerst an ihnen rächt, wenn er an der Front verliert.
Plötzlich ist Syrien als Konfliktherd wieder international wieder ein Thema.
Quelle: ZDF
Dass die Rebellen-Allianz innerhalb weniger Tage ihr Territorium mehr als verdoppeln konnte, liegt auch am Zustand der Assad-Armee - die gerade einen neuen Einberufungsbefehl lanciert hat. Es gibt zahlreiche Berichte über den strukturellen Verfall der Armee, den Frust in den Rängen wegen ausbleibendem Sold und schlechter Behandlung, ebenso über vermehrte Übertritte.
Wie werden sich Assads Verbündete verhalten?
Assads Verbündeter Iran hat ins Gespräch gebracht, Truppen zu schicken, wenn Assad es wünsche. Hunderte pro-iranische Kämpfer sind bereits aus dem Irak zur Verstärkung des Regimes in Syrien angekommen.
Aufgrund der Zunahme der Kämpfe im Norden Syriens beschäftigte sich der UN-Sicherheitsrat mit der Lage im Land. 03.12.2024 | 0:18 min
Syriens ehemaliger Premierminister Riad Al-Hijab hat indessen aus dem Exil die Verbündeten des Machthabers aufgerufen, "den Interessen ihrer eigenen Länder Vorrang zu geben und darauf zu verzichten, es Assad zu ermöglichen, noch mehr syrisches Blut zu vergießen". Es liege nicht in deren Interesse, das ganze syrische Volk gegen sich aufzubringen - nur um einen Autokraten an der Macht zu halten.
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