Präsidentschaftswahl verschoben:Senegal: Land stürzt in eine Verfassungskrise
von Susann von Lojewski
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Das Parlament hat die Wahlen im Senegal um Monate verschoben. Im ganzen Land kommt es zu Protesten gegen die Regierung. Dabei gilt der Senegal als Stabilitätsanker in der Region.
Im Senegal wurden die Wahlen verschoben. Damit konnte Präsident Macky Sall seine Amtszeit noch einmal verlängern. Mit der nächsten Wahl muss dann ein Wechsel erfolgen.
Quelle: dpa
Noch nie hat der Senegal Szenen erlebt, wie sie vor wenigen Tagen zu sehen waren: Sicherheitskräfte in schusssicheren Westen marschierten im Parlament auf, Oppositionelle wurden aus dem Saal eskortiert. Zuvor wollten sie eine Abstimmung verhindern. Eigentlich sollte am 25. Februar Präsidentschaftswahl im Senegal sein. Die aber wurden mit einer Mehrheit der Parlamentarier schließlich auf Dezember verschoben. Warum, darüber streiten die Experten.
Senegals Präsident in letzter Amtszeit
Sicher ist, dass Präsident Macky Sall seine Amtszeit damit noch einmal verlängern konnte. Der 62-Jährige darf bei der nächsten Wahl nicht wieder kandidieren. Sein Wunschnachfolger, Premierminister Amadou Ba, aber gilt als farblos und unbeliebt. Doch auch Teile der Opposition stimmten für die Verschiebung - um ihre Kandidat*innen besser in Stellung zu bringen.
"Es ist das erste Mal in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen im Senegal, dass es zu einer solchen Verzögerung kommt", so Vincent Foucher, Westafrika-Experte der International Crisis Group, einer unabhängigen Nicht-Regierungsorganisation zur Lösung von Konflikten.
Expertin: Politische Lage im Senegal komplex
Dass sich der Senegal schon seit einiger Zeit weg von einer Demokratie und hin zu autokratischen Strukturen entwickelt, war bereits seit Monaten spürbar. Skeptiker fürchten sogar, dass dem Land im Westen Afrikas ebenso ein Militärputsch drohen könnte wie anderen Ländern in der Region - Mali, Burkina Faso oder Niger.
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Caroline Hauptmann, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung im Senegal, bezweifelt das: "Die politische Krise im Senegal ist sehr komplex, findet aber dennoch in einem an sich stabilen Umfeld mit funktionierenden Institutionen statt. Die Armee gilt außerdem als republikanisch. Sie mischt sich nicht in innere politische Krisen ein."
Tatsächlich war die Sicherheitslage in Mali, Niger und Burkina Faso vor den Militärputschen noch einmal wesentlich angespannter. Zu inneren Konflikten kamen dort terroristische Angriffe durch den Islamischen Staat (IS) oder Boko Haram. Leichtes Spiel für die Armeen, die Macht an sich zu reißen.
Biontech investiert in Dakar
Der Senegal dagegen ist das einzige Land Westafrikas, in dem es noch nie einen Militärputsch gab. Er ist ein beliebter Partner für europäische Politiker*innen, westliche Investoren wie Biontech wollen den Senegal zu einem der führenden Pharma-Standorte auf dem Kontinent machen. Die Bundeswehr wickelte Teile ihres Abzugs aus Mali über den Hafen der Hauptstadt Dakar ab. Der Senegal war eine Art Leuchtturm in Westafrika.
Bevölkerung im Senegal ist überwiegend jung
Die Unzufriedenheit mit der Politik von Präsident Macky Sall aber ist groß. 75 Prozent der Menschen im Senegal sind unter 35 Jahren, die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe groß. Viele wollen lieber die Flucht über den Atlantik nach Europa wagen, auch wenn sie dort keine Chance auf Asyl haben.
Entwicklung abhängig von internationaler Zusammenarbeit
"Die Entwicklung im Senegal hängt sehr von seinem positiven internationalen Image ab, von den Investitionen und der Unterstützung, die daraus resultieren", so Politikberater Vincent Foucher. Tatsächlich ist der Zinssatz für die Eurobonds, also die europäischen Staatsanleihen, des Senegals seit Beginn der Unruhen bereits gestiegen.
Auch Caroline Hauptmann von der Adenauer-Stiftung im Senegal verlangt eine klare Positionierung: "Die Länder sind verbunden und sei es durch Kredit-, Subventions- und Investitionszusagen. Da darf man schon Bedingungen stellen und sollte sehr klar sein."
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Sicherheitsrisiken an Grenze zu Mali
Ob der Senegal in der instabilen Lage auch für Avancen Russlands empfänglich ist wie etwa Mali? Durchaus möglich, sagt Caroline Hauptmann. Vor allem warnt sie vor sicherheitsrelevanten Risiken: "Die Grenzen zu Mali sind durchlässig, und schon jetzt gibt es Hinweise auf lokale kriminelle Netzwerke." Dschihadisten in der Sahelzone könnten damit weiter an Einfluss gewinnen. Und der Westen sein letztes Bollwerk in der Region verlieren.
Susann von Lojewski berichtet über Ost-, Zentral- und Westafrika.
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