Belgien: Kritik an Papst wegen Aufarbeitung von Missbrauch

    Vorwürfe gegen Papst in Belgien:Schleppende Missbrauchaufarbeitung der Kirche

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    Während seiner mehrtägigen Reise durch Belgien wurde Papst Franziskus immer wieder mit den Folgen des Missbrauchs in der Kirche konfrontiert. Auch in Belgien hat es Fälle gegeben.

    Belgien: Papst Franziskus winkt bei seiner Ankunft im König-Baudouin-Stadion, um die Heilige Messe zu leiten
    Papst Franziskus bei seiner Ankunft im König-Baudouin-Stadion zum Abschlussgottesdienst seiner Belgienreise
    Quelle: dpa

    Papst Franziskus hat bei seinem Besuch in Belgien scharfen Gegenwind bekommen: Nach Kritik von König Philippe und Regierungschef Alexander De Croo an der schleppenden Aufklärung von Missbrauchsfällen versicherte der Papst am Sonntag in seiner Abschlussmesse, es gebe in der katholischen Kirche "keinen Platz für Missbrauch" und "keinen Platz für das Vertuschen von Missbrauch".

    Franziskus fordert Verurteilung von Tätern

    Bei der Freiluftmesse in einem Brüsseler Fußballstadion berichtete der Papst vor knapp 40.000 Gläubigen von einem Treffen mit 17 Opfern sexueller Gewalt am Freitag. Er habe den Betroffenen "zugehört" und ihren "Schmerz" gespürt, sagte Franziskus in seiner Predigt. Dann richtete er eine Bitte an alle Bischöfe:

    Vertuschen Sie den Missbrauch nicht. Verurteilen Sie die Täter und helfen Sie ihnen, sich von der Krankheit des Missbrauchs zu heilen.

    Papst Franziskus in Belgien

    "Das Böse muss an die Öffentlichkeit gebracht werden, es muss bekannt werden", forderte das Oberhaupt der katholischen Kirche. Alle Täter müssten verurteilt werden, "egal ob Laie, Priester oder Bischof".
    Papst Franziskus während einer akademischen Sitzung bei einem päpstlichen Besuch an der Universität KU Leuven
    In Belgien hat Papst Franziskus mit Betroffenen sexualisierter Gewalt durch Geistliche gesprochen. Der belgische König hatte zuvor die schleppende Aufarbeitung kritisiert.28.09.2024 | 0:19 min

    Kritik an Missbrauchsaufarbeitung von König Philippe

    Das Thema Missbrauch hatte den dreitägigen Belgien-Besuch des Papstes stark dominiert. Bei einem Empfang am Freitag auf Schloss Laeken bei Brüssel kam König Philippe in seiner Begrüßungsansprache nach einer kurzen Einleitung direkt auf den "abscheulichen Missbrauch" von Kindern und Erwachsenen durch Kleriker zu sprechen. Es habe "viel zu lange gedauert", bis die Hilferufe der Opfer gehört worden seien, kritisierte der Monarch.
    Der scheidende Regierungschef De Croo sagte, die vielen Fälle von Missbrauch hätten das Vertrauen in die katholische Kirche schwer beschädigt. Der liberale Politiker forderte:

    Worte reichen nicht aus, es müssen konkrete Schritte unternommen werden.

    Alexander De Croo, Regierungschef Belgien

    Menschen, die auf einer Straße neben einem Feld fahrrad fahren. Fotografiert von oben
    Sie wurden von Mitarbeitern der Kirche missbraucht. Ihr dringlichster Wunsch: endlich Aufklärung, Aufarbeitung und Entschädigung - und dafür radeln sie bis zum Papst.28.05.2023 | 1:30 min
    Die Kirche müsse die "Verbrechen" anerkennen. Viele Geschädigte erwarten neben einer uneingeschränkten Anerkennung ihres Leids auch Entschädigungszahlungen, wie eine Opfergruppe bereits Anfang September in einem offenen Brief an Franziskus geschrieben hatte.

    Untersuchungsausschuss wegen Missbrauchsfällen in Belgien

    Das belgische Parlament hatte zudem am Donnerstag einen neuen Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht. Er soll die Vergehen des früheren Bischofs von Brügge untersuchen, den der Papst im März aus dem Klerikerstand entlassen hatte.
    Der frühere Bischof Roger Vangheluwe hatte sein Kirchenamt in Brügge bereits 2010 niedergelegt, nachdem bekannt geworden war, dass er einen seiner Neffen jahrelang sexuell missbraucht hatte. Danach kamen weitere Fälle ans Licht.
    Vor rund einem Jahr rüttelte zudem eine vierteilige Fernsehdokumentation unter dem Titel "Gottvergessen" Belgien auf. Darin äußerten sich erstmals viele Opfer von Übergriffen durch Kleriker.
    25.01.24, Hannover: Detlev Zander mit der Studie zu Missbrauchsfällen innerhalb der Evangelischen Kirche.
    9.355 Fälle sexualisierter Gewalt: diese Zahl nennen die Forscher der Studie zu Missbrauch in der Evangelischen Kirche. Betroffene beklagen, die Aufarbeitung käme zu spät.26.01.2024 | 2:26 min

    Kritik an Vatikan wegen Rolle der Frau

    Gegenwind bekam der Papst auch nach einem Besuch der Katholischen Universität Löwen am Samstag. Die Hochschule, die 2025 den 600. Jahrestag ihres Bestehens feiert, brachte im Anschluss offiziell ihr "Unverständnis und Missfallen" über die Haltung des Kirchenoberhaupts zur Rolle von Frauen in der katholischen Kirche zum Ausdruck.
    Bei einem Treffen mit Studierenden in Löwen war ein Brief an den Papst verlesen worden, in dem es auch um Gleichstellung ging. Studentinnen befragten Franziskus zur historischen Verantwortung der Kirche für die Schlechterstellung und Diskriminierung von Frauen. "In der gesamten Kirchengeschichte wurden Frauen unsichtbar gemacht", hieß es in dem Schreiben. "Welchen Platz haben Frauen in der Kirche?"
    Eine Gruppe von Frauen steht auf einem Platz und hält ihre bunten Protestschilder in den Händen.
    Es sind vor allem Frauen, die aktuell die Machtfrage in der katholischen Kirche stellen. Sie sind die Säulen des kirchlichen Lebens. Wenn sie gehen, ist die Kirche am Ende.05.04.2021 | 43:38 min

    Franziskus: "Kirche ist weiblich"

    Franziskus antwortete, dass die Kirche weiblich sei - das italienische Wort für Kirche, "Chiesa", sei schließlich ein weibliches Substantiv. "Eine Frau ist im Volk Gottes eine Tochter, eine Schwester, eine Mutter", sagte er und fügte hinzu, Weiblichkeit stehe für "fruchtbare Aufnahme, Fürsorge und lebensspendende Hingabe".
    Studierende und Beschäftigte der Uni reagierten entsetzt. Der Professor Jean-Pascal van Ypersel sagte, Franziskus sei "der Situation nicht gewachsen" gewesen. "Wir sind wirklich schockiert", sagte die Studentin Valentine Hendrix. Der Papst reduziere Frauen "auf die Rolle von Gebärenden, Müttern und Ehefrauen" - also auf all das, "wovon wir uns emanzipieren wollen."

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    Quelle: ZDF

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    Quelle: AFP

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