Soldaten versinken im Schlamm:Russland rückt weiter auf Awdijiwka vor
von Christian Mölling, András Rácz
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Russlands Offensive bei Awdijiwka dauert an, die Ukraine schlägt weit hinter der Front zu. Schnee und Regen sorgen für extrem schwierige Bedingungen für die Soldaten an der Front.
Die ukrainische Frontlinie in der Region Donezk: Schnee und Schlamm erschweren die Kämpfe.
Quelle: reuters
Die Schlammsaison, auf Ukrainisch bezdorizhzhia und auf Russisch rasputitsa genannt, ist voll im Gange. Beide Konfliktparteien im Ukraine-Krieg leiden sehr unter dem tiefen Schlamm und den heftigen Regenfällen, die manchmal durch Schnee ersetzt werden. Die Temperaturen sind noch nicht kalt genug, um den Schlamm gefrieren zu lassen; daher ist es für Fahrzeuge sehr schwierig, sich auf unbefestigten Straßen fortzubewegen. Das erschwert sowohl die Kampfhandlungen als auch die Versorgung.
Die extremen Witterungsbedingungen stellen für die Soldaten beider Seiten eine große Belastung dar: Gräben füllen sich mit Regenwasser oder werden von Schlamm aufgeweicht; Bunker und Schützenlöcher werden von Ratten und Mäusen heimgesucht; Krankheiten treten bei den Soldaten immer häufiger auf. Die Situation ist zwar leicht zugunsten der Ukrainer, die besser versorgt sind und dank westlicher Militärgüter über eine bessere Winterausrüstung verfügen, aber dennoch ist die Lage miserabel.
Putin braucht russischen Erfolg bei Awdijiwka
Ungeachtet dessen setzten die russischen Streitkräfte ihre Offensive gegen die Kleinstadt Awdijiwka im Oblast Donezk fort und erzielten sowohl an der Nord- als auch an der Südflanke der Siedlung erhebliche Fortschritte. Die Einkreisung, die Russland um die ukrainischen Verteidiger zu bilden versucht, schreitet allmählich voran. Für die russische Militärführung scheint die Einnahme von Awdijiwka absolute Priorität zu haben: Die Angreifer erleiden extreme Verluste, manchmal mehr als Tausend Soldaten pro Tag, und dennoch dringt Russland weiter vor.
Karte vom Südosten der Ukraine mit den von Russland kontrollierten Gebieten eingezeichnet.
Quelle: ZDF
Ukrainischen Berichten zufolge hat Russland hier fast 40.000 Soldaten zusammengezogen, die meisten davon reguläre Soldaten, was auf die Bedeutung der Belagerung hinweist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die russischen Streitkräfte versuchen, die Eroberung der Stadt bis zum 17. Dezember abzuschließen. An diesem Tag findet der jährliche Kongress der Regierungspartei "Einiges Russland" statt, auf dem Wladimir Putin höchstwahrscheinlich seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen am 17. März 2024 bekanntgeben wird. Die Einnahme von Awdijiwka bis dahin wäre ein solcher Sieg, der der Öffentlichkeit als strategischer Sieg präsentiert werden könnte, unabhängig von seiner de facto geringeren Bedeutung.
Der Ukraine steht der zweite Kriegswinter bevor. Kälte in Kombination mit Nässe sei "das Schlimmste in den Schützengräben", so Militärexperte Gressel. Über die Lage an den Fronten.
von Katharina Schuster
Artillerie trifft russische Armee-Feier
Auch um Bachmut und in Richtung Kupjansk-Swatowe rücken die russischen Streitkräfte vor und erzielten einige Fortschritte. Unterdessen griffen die ukrainischen Truppen erneut die Frontlinie weiter südlich in Saporischschja an und erzielten begrenzte Fortschritte in Richtung Robotyne-Kopani.
Quelle: DGAP
... leitet das Programm "Europas Zukunft" für die Bertelsmann Stiftung in Berlin. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Am 19. November gelang es der ukrainischen Artillerie, eine russische Festveranstaltung rund 60 Kilometer hinter der Frontlinie in dem Dorf Kumachove in der Region Donezk zu treffen. Die russischen Soldaten feierten gerade einen militärischen Feiertag, als die Ukraine sie mit Himars-Raketen beschoss. Berichten zufolge wurden etwa 25 russische Soldaten getötet und mehr als hundert verletzt. Auch die russische Sängerin und Schauspielerin Polina Menshikh kam bei dem Einschlag ums Leben.
Die Tatsache, dass dies nicht das erste Mal war, dass russische Befehlshaber ihre Truppen unvorsichtigerweise in Reichweite ukrainischer Raketen versammelten, hat in den russischen Medien zu ungewöhnlich öffentlicher Kritik geführt. Der Tod der angesehenen Künstlerin Menshikh rückte solches leichtsinnige Verhalten ins Licht der Öffentlichkeit.
Russischer Winterterror beginnt
Während der gesamten Woche führte Russland eine Reihe von Drohnen- und Raketenangriffen auf zivile und militärische Ziele in der Ukraine durch, die sich hauptsächlich auf den Osten und Süden des Landes konzentrierten, darunter auch die Hauptstadt Kiew. Bei den abgeschossenen Geschossen handelte es sich überwiegend um Shaheed-"Selbstmord"-Drohnen, während nur sehr wenige Präzisions-Marschflugkörper eingesetzt wurden.
Die ukrainische Luftabwehr bekämpfte sie effizient und schoss die meisten Drohnen und auch einige Marschflugkörper ab. Seine erwarteten Massenangriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine hat Russland jedoch bislang noch nicht begonnen. Womöglich wartet man dafür noch auf kälteres Wetter in den kommenden Wochen, um dann maximalen Druck auf die ukrainische Zivilbevölkerung auszuüben.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.