Gentechnik in der Landwirtschaft: Pläne zu NGT in der EU

NGT: Neue genomische Techniken:Welche Regeln die EU für neue Gentechnik will

von Maren Fourier und Lara Wiedeking, Brüssel
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Sie heißt kurz NGT: Moderne Gentechnik, unter anderem mithilfe der "Genschere", soll Pflanzen trocken- und krankheitsresistent machen. Die EU will nun Regeln für deren Einsatz.

Wissenschaftler betrachtet Zellen in einem Kulturtopf mit einem DNA-Profil auf einem Bildschirm im Hintergrund zur Veranschaulichung der Genbearbeitung.
Eine neue Form der Gentechnik könnte Anbaupflanzen noch resistenter gegen den Klimawandel machen. Wie ist die Zulassung in der EU derzeit geregelt?
Quelle: Photocase

Es klingt erstmal sperrig: NGT. Neue genomische Techniken. Man könnte es auch "moderne Gentechnik" nennen. Die bekannteste Methode ist wahrscheinlich die sogenannte "Genschere" CRISPR/Cas - ein Verfahren, mit dem man - molekularbiologisch - einen DNA-Strang quasi durchschneiden und diesen anschließend verändern kann.
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Anbaupflanzen sollen krisenbeständiger werden

Die Hoffnung: Anbaupflanzen zu erschaffen, die trockenresistent sind, oder immun gegen bestimmte Krankheiten - und damit die Versorgung mit Lebensmitteln so krisenbeständiger zu machen.
Für deren Einsatz will die Europäische Union sich jetzt Regeln geben und zum Beispiel festlegen, welches Saatgut wie gekennzeichnet werden muss.
Die moderne Landwirtschaft arbeitet mit Kulturpflanzen, die aus Züchtungen von Wildpflanzen entstanden sind. Prof. Holger Puchta ist Pflanzengenetiker vom Karlsruher Institut für Technologie. Er erklärt, die Züchtungen seien notwendig, um Pflanzen zu optimieren. Zum Beispiel würden natürliche Gräser mit ihren langen Halmen umknicken, wenn sie auf einem Feld angebaut werden würden. Dass Wildpflanzen genetisch verändert werden, sei deshalb nichts neues, meint Puchta.

Neue Techniken besser als bisherige Manipulationsverfahren?

Und Verfahren, die das Erbgut der Pflanze verändert haben, waren auch vor der Entdeckung der NGT (Neuen genomischen Techniken) im Einsatz. So hat man die Gene von Pflanzen zum Beispiel mit radioaktiver Strahlung manipuliert. Hartweizen, aus dem Nudeln hergestellt werden, oder europäische Gerste für Bier sind dafür Beispiele. Die so veränderten Kulturpflanzen dürfen in der EU schon länger angebaut werden.
Bei NGT kann etwa die Genschere so programmiert werden, dass sie nur an bestimmten Stellen das Erbgut schneidet und dort verändert werden kann. Das ermöglicht einen gezielteren Eingriff.

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EU will Regeln bei NGT- Verwendung

Jetzt geht es darum, EU-Regeln zur Verwendung von NGT zu setzen, im so genannten "Trilog-Verfahren". Hier verhandeln die drei Institutionen, die EU-Kommission, das EU-Parlament und der Rat. Streit dürfte es bei der Frage der Patentregelung und der Kennzeichnung geben.
Die EU besteht aus sieben zentralen Organen und weiteren Institutionen. Durch die Europawahl haben die EU-Bürgerinnen und Bürger EInfluss auf ihre Zusammensetzung. Die EU-Bürger*innen wählen das Europäische Parlament. Dieses kontrolliert die EU-Kommission. Die wiederum schlägt dem Parlament Gesetze vor. Gemeinsam mit dem Rat der EU, der aus den Fachminister*innen der EU-Länder besteht, beschließt das Parlament Gesetze und den Haushalt. Der Europäische Rat besteht aus den EU-Staastchefs, dem Ratsptäsident und der Kommissionspräsidentin. Dieser Europäische Rat gibt dem Rat der EU politische Leitlinien vor. In Brüssel haben der Europäische Rat, der Rat der EU und die EU-Kommision ihren Hauptsitz. In Luxemburg sind der Europäische Rechnungshof und der Gerichtshof der Europäischen Union. Die Europäische Zentralbank sitzt in Frankfurt am Main und das EU-Parlament vor allem in Straßburg.

Aktueller Vorschlag: nur Saatgut kennzeichnen

Pflanzen mit maximal 20 veränderten DNA-Bausteinen fallen unter die Kategorie "NGT 1". Das Saatgut, so der aktuelle Vorschlag, müsste entsprechend gekennzeichnet werden. Die Pflanzen, die daraus wachsen, allerdings nicht.
Das würde bedeuten: Kauft ein Landwirt Futterpflanzen für seine Tiere, sieht er nicht, ob sie gentechnisch verändert wurden. Auch im Supermarkt wäre für Käufer nicht ersichtlich, ob durch NGT-Verfahren verändertes Saatgut eingesetzt wurde. Das ist nur ein Punkt, der stark umstritten ist.
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Kritiker fordern mehr Transparenz

In Europa werde derzeit nur wenig Saatgut eingesetzt, das nach bisherigen Verfahren gentechnisch verändert ist, erklärt der Europaabgeordnete Martin Häusling von den Grünen. Er ist skeptisch, ob die Versprechen von NGT, der "neuen genomischen Technik", die Landwirtschaft klima- und krankheitsresistent zu machen, wirklich alle umgesetzt werden können.
Und: Es könne sein, dass solche gentechnisch veränderten Pflanzen sich mit natürlichen Pflanzen kreuzen - welche Folgen das für das Ökosystem habe, sei nicht abschätzbar:

Wenn ich etwas freisetze, und es geht was schief, dann kann ich die Pflanzen nicht einfach wieder zurückholen, die sich ausgebreitet haben.

Martin Häusling, Europaabgeordneter B’90/Grüne

Wie transparent die Regeln werden, ist noch nicht entschieden. Nach dem gegenwärtigen Entwurf gibt es da noch Luft nach oben, zumindest für die Verbraucher. Wenn diese generell die Wahl haben sollen, ob sie Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen kaufen wollen oder nicht.

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