Gentechnik-Kennzeichnungspflicht: Die unendliche EU-Debatte

    Kennzeichnungspflicht:Gentechnik: Die unendliche EU-Debatte

    von Fritzi Paula Ensikat und Reinhard Laska
    |

    Wie umgehen mit Lebensmitteln, die mithilfe neuer Gentechnik verändert wurden? Über diese Frage streitet die EU. Die Suche nach einer Lösung zieht sich hin. Was sind die Gründe?

    Das Logo "Ohne Gentechnik" und das Bio-Siegel "Bio nach EU-Öko-Verordnung" sind auf einer Lebensmittelverpackung zu sehen.
    Das EU-Parlament will die Richtlinien für den Einsatz von neuer Gentechnik in der Land- und Lebensmittelwirtschaft lockern. Die geplante Liberalisierung hätte weitreichende Folgen.30.04.2024 | 9:26 min
    Große Temperaturschwankungen, zu viel Sonne, zu viel Regen - die Landwirtschaft leidet unter den Herausforderungen, die der Klimawandel für den Anbau von Getreide, Obst und Gemüse mit sich bringt. Die Folgen bekommen Landwirte wie der ostwestfälische Kartoffelzüchter Max Pahmeyer und seine Kollegen deutlich zu spüren. Ernteausfälle von mehr als 30 Prozent in den vergangenen Jahren: keine Seltenheit.
    "Wir hatten drei sehr trockene Jahre, das hatte sehr große Einflüsse auf den Ertrag", erklärt er im Gespräch mit ZDF frontal.

    Neue Gentechnik-Methoden für robustere Pflanzen?

    Könnten seine Kartoffeln mithilfe neuer Gentechnik-Methoden, etwa der Crispr/Cas Gen-Schere, angesichts des Klimawandels robuster werden? "Wenn tatsächlich eine Sorte damit besser klarkäme, dann würde das schon die Sicherheit des Ertrags stärken", sagt Landwirt Pahmeyer.





    Großkonzerne wie Bayer, aber auch mittelständische Züchter versprechen, mit gentechnisch veränderten Pflanzen neue, virusresistentere Sorten im Labor zu schaffen. So auch Pflanzenzüchter Stefan Streng. Auf einem seiner Versuchsfelder bei Würzburg hat er eine neue Gerstensorte entwickelt. "Mit modernen Züchtungsmethoden können wir sicherlich die Züchtung exakter machen, schneller machen und dadurch letztendlich früher dem Landwirt etwas anbieten", sagt er.
    Streng hofft, in Zukunft viel schneller klima- und schädlingsresistente Sorten züchten zu können, als das mit konventioneller Züchtung bisher möglich war.

    EU regelt Kennzeichnung von Gentechnik

    Dabei sind gentechnisch veränderte Pflanzen in der Europäischen Union bislang strengster Regulierung und Kontrolle unterworfen und dürfen in der EU faktisch nicht angebaut werden.
    Das wollte die EU-Kommission mit Blick auf neue Gentechnologien ändern. Im Sommer vergangenen Jahres legte sie eine neue Gentechnik-Verordnung vor - mit umfassender Deregulierung. Bislang vorgeschriebene Risikoprüfungen sollten weitgehend aufgegeben, die Kennzeichnungspflicht für neue Gentechnologien verworfen und die Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel vereinfacht werden.

    EU-Staaten bei Gentechnik gefragt

    Anfang des Jahres sprach sich auch das EU-Parlament für die Lockerung der strengen Regeln für gentechnisch veränderte Lebensmittel aus. Im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission will das Parlament aber, dass die Kennzeichnungspflicht für neue Technologien nicht verfällt. Künftig soll bei der neuen Gentechnik mit zwei Kategorien gearbeitet werden:
    • In der ersten Kategorie sollen neue Sorten mit bis zu 20 genetischen Veränderungen weitgehend wie herkömmliche Pflanzen behandelt werden.
    • Für Pflanzen mit mehr genetischen Eingriffen sollen dagegen weiter strengere Vorschriften gelten.
    Nun sind die einzelnen EU-Staaten gefragt - und hier regt sich Widerstand, unter anderem in Österreich.



    Skepsis in Deutschland

    Auch in Deutschland sind viele Verbraucherinnen und Verbraucher skeptisch, wenn es um das Thema Gentechnik geht. Laut einer von der Verbraucherorganisation Foodwatch in Auftrag gegebenen, repräsentativen Umfrage gaben im vergangenen Jahr 92 Prozent der Deutschen an, wissen zu wollen, ob ein Produkt mithilfe von Gentechnik gezüchtet wurde.
    Bedenken gibt es zudem bei der Frage, ob die genetisch veränderten Laborzüchtungen Risiken bergen.
    Ralf Wilhelm vom staatlichen Julius-Kühne-Institut ist zuständig für die Risikobewertung. Er weist im Gespräch mit ZDF frontal darauf hin, dass die genetische Veränderung einer Pflanze ungewollte Nebenwirkungen haben kann. Gene würden zerstört, die man gar nicht zerstören wollte, der Stoffwechsel einer Pflanze gerate aus dem Gleichgewicht.

    "Es gibt nicht das Klima-Gen"

    Besonders skeptisch blickt er auf das Versprechen einer klimaresistenten Pflanze. "Es gibt nicht das Klima-Gen, was die Pflanze an jedes Klima anpassen würde. Das gesamte Potpourri von Genen, was wir zur Verfügung haben, kennen wir eigentlich noch gar nicht".
    Die Debatte um die neue Gentechnik und ihre Kennzeichnung ist längst nicht beendet. Sie wird weitergehen - voraussichtlich in einem neu zusammengesetzten EU-Parlament. Denn eine Einigung zwischen den EU-Staaten vor der Europawahl im Sommer, gilt als unwahrscheinlich.
    Mit Material von dpa und epd

    Mehr zum Thema Gentechnik