Nato-Generalsekretär: Weg frei für Mark Rutte

    Nach Iohannis-Rückzug:Nato-Generalsekretär: Weg frei für Mark Rutte

    Florian Neuhann, ZDF-Korrespondent in Brüssel
    von Florian Neuhann, Brüssel
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    Rumäniens Präsident Iohannis hat seine Kandidatur zurückgezogen, damit ist der Weg endgültig frei für Mark Rutte. Der Niederländer übernimmt im Sommer den Chefposten bei der Nato.

    Dutch Prime Minister Mark Rutte arrives for the opening ceremony of the Summit on Peace in Ukraine at the Buergenstock Resort in Stansstad, near Lucerne, Switzerland, 15 June 2024.
    Der scheidende niederländische Regierungschef Mark Rutte wird neuer NATO-Generalsekretär. Zuvor hatte Rumänien eine monatelange Blockade der Kandidatur Ruttes aufgegeben.20.06.2024 | 0:20 min
    Eine der vielen Szenen, die sie in der Nato dieser Tage wieder herauskramen, stammt vom 2. Juli 2018: Mark Rutte, Premierminister der Niederlande, ist im Weißen Haus zu Besuch. Der Hausherr damals heißt Donald Trump, ist extremer Skeptiker der Nato, hält wenig von internationalen Vereinbarungen.
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    Und Trump legt los: Man diskutiere ja gerade mit der EU über ein Handelsabkommen. "Wenn wir das hinkriegen, wird das positiv", sagt Trump. "Und wenn nicht, wird es auch positiv!"
    Das ist der Moment, in dem Rutte einhakt. Und ein trockenes "No" einwirft, gefolgt von einem spitzbübischen Lachen: "Das wäre nicht positiv."

    Mark Rutte hat ein Händchen für Donald Trump

    Es ist dieses eine "No", mit dem Rutte, Chef der kleinen Niederlande, hier dem vermeintlich mächtigsten Mann der Welt vor den Kameras Grenzen aufzeigt. Und sich, genau wie wenig später auf dem Nato-Gipfel, den Respekt erwirbt. Sowohl den seiner europäischen Kolleginnen und Kollegen - als auch den von Donald Trump. Als Rutte ein Jahr später, im Juli 2019, wieder im Weißen Haus zu Gast ist, bezeichnet Trump ihn öffentlich als "seinen Freund". Und Rutte antwortet: "Natürlich."
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    Manche in Nato-Kreisen bezeichnen Rutte seit diesen Zeiten als "Trump-Flüsterer". Es ist eine Fähigkeit, die ihm womöglich in seinem neuen Job helfen könnte: Denn nachdem der rumänische Präsident Klaus Iohannis an diesem Nachmittag seine Gegenkandidatur zurückzog, ist Rutte nun endgültig der Posten als Nato-Generalsekretär sicher. Schon nächste Woche könnte der Nato-Rat die Personalie beschließen, ab dem Spätsommer würde Rutte offiziell von Noch-General Jens Stoltenberg übernehmen.

    Kandidatenkür für die Stoltenberg-Nachfolge dauerte sehr lange

    Dabei war der Weg zu dieser Personalie so holprig wie wohl selten. Schon einmal hatte Jens Stoltenberg schließlich hinwerfen wollen - doch die Nato konnte sich nicht auf einen Nachfolger beziehungsweise eine Nachfolgerin einigen. Der Norweger, seit 2014 an der Spitze der Nato, ließ sich in die Pflicht nehmen, hängte noch ein Jahr dran. Diesmal aber, so machte er intern deutlich, wollte er wirklich aufhören.
    Die Infografik zeigt die 32 Länder, die zur Nato gehören. Die Nato ist ein politisches und militärisches Bündnis. Sie soll Freiheit und Sicherheit ihrer Mitglieder garantieren.
    Und so begann eine mühsame Kandidatenkür - in einer Allianz, in der alles einstimmig entschieden werden muss. Denn im Frühjahr meldete für den Rest der Nato völlig unerwartet der rumänische Präsident Iohannis seine Ambitionen auf den Nato-Job an. Eine Bewerbung, die bald von Viktor Orban aus Ungarn und Robert Fico aus der Slowakei unterstützt wurde. Erst diese Woche gaben die Gegner ihr Veto auf. Der Weg für Rutte ist also frei.

    "Teflon Mark" nimmt Nato in seine "sicheren Hände"

    Fast 14 Jahre lang war Rutte Premierminister der Niederlande. In seiner Heimat wurde er als "Teflon-Mark" verspottet, an dem jeder Skandal abzuperlen schien. In der Ukraine-Krise fiel er auf durch entschiedene Reden - und, wohl wichtiger: tatkräftiges Handeln, etwa mit der geplanten Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen an die Ukraine. Zuletzt beseitigte Rutte auch noch das letzte Argument seiner Gegner: indem die Niederlande in diesem Jahr das 2-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben erreichen - was sie unter Rutte bis dato immer verfehlt hatten.
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    "Das wurde bisher als Schwachstelle angesehen, sowohl von den USA als auch von den osteuropäischen Verbündeten", sagt Oana Lungescu, die 13 Jahre lang für die Nato sprach und heute für eine britische Denkfabrik arbeitet. "Jetzt hat man das Gefühl, die Nato in sehr turbulenten Zeiten in wirklich sichere Hände zu übergeben."

    "Hören wir mit dem Gejammer über Trump auf!"

    Wie Rutte an der Spitze der Nato auftreten wird, darüber übrigens gab zuletzt eine weitere Szene Aufschluss - auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Frühjahr. Da wurde Rutte an einer Stelle richtig leidenschaftlich: "Ich höre in den letzten Tagen hier ständig Gejammer über Trump", rief er von der Bühne. "Lasst uns damit aufhören!" Er werde mit jedem zusammenarbeiten, der von den Amerikanern gewählt werde.
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    Und überhaupt, so Rutte: wenn Europa seine Verteidigungsausgaben erhöhe, dann tue man das nicht wegen Trump. Sondern um für sich selbst zu sorgen. Für einen Moment mag wohl jeder im Publikum gedacht haben: Da spricht bereits der künftige Nato-Chef.
    Florian Neuhann ist Korrespondent im ZDF-Studio Brüssel
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