Gas aus Russland: Warum Moldau den Notstand ausgerufen hat
Gas aus Russland:Warum Moldau den Notstand ausgerufen hat
von Sebastian Ehm
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Ab 2025 fließt kein russisches Gas mehr durch die Ukraine - ein Problem für Moldau, aber vor allem für die kremltreuen Separatisten in Transnistrien.
Transnistrien: Auch bei den kremltreuen Separatisten könnte bald kein russisches Gas mehr ankommen
Quelle: picture alliance/dpa/MAXPPP
Es ist eine historische Zeitenwende für die Region. Am 1. Januar ist Stichtag für die Republik Moldau, aber vor allem für die selbsternannte Teilrepublik Transnistrien. Dann endet der Transitvertrag, der die Lieferung russischen Gases durch die Ukraine regelt. Der Vertrag wird nicht verlängert, was bedeutet, dass dann in Moldau kein russisches Gas mehr ankommen könnte.
Das ist unmittelbar ein Problem für die prorussischen Separatisten in Transnistrien, mittelbar aber auch für die Republik Moldau. Transnistrien ist mit seiner Hauptstadt Tiraspol eigentlich ein Teil Moldaus, hat sich aber in den 90er Jahren einseitig abgespalten und wird von Moskau gestützt. Bislang hatte der russische Staatskonzern Gazprom Transnistrien kostenlos mit Gas versorgt. Tiraspol betrieb damit ein Stromkraftwerk und verkaufte diesen Strom nach Moldau.
Massive Wirtschaftskrise in Transnistrien?
Beide Seiten hatten etwas von dem Deal. Die moldauische Regierung in Chisinau konnte die eigene Bevölkerung mit vergleichbar billigem Strom versorgen, Transnistrien hatte eine quasi kostenlose Einnahmequelle und konnte so sein Schattendasein finanzieren. Dieser Deal steht jetzt vor dem Aus, weswegen sowohl in Chisinau als auch in Tiraspol der Notstand ausgerufen wurde.
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"Falls es zu dem Szenario eines dauerhaften Stopps russischer Gaslieferungen kommt, ist mit einer massiven Wirtschaftskrise bis hin zu einem kompletten Zusammenbruch der Wirtschaft in Transnistrien zu rechnen", erklärt Brigitta Triebel von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chisinau.
In Transnistrien könnte es eng werden im Winter
Diese Krise müsste Chisinau dann wohl mit der Hilfe internationaler Partner abfangen. Denn obwohl das kleine Land seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine 2022 versucht, seine Energieabhängigkeit von Moskau zu reduzieren, kann es bislang nicht auf das Heizkraftwerk Cuciurgan in Transnistrien verzichten. Es deckt 70 Prozent des Strombedarfs des Landes.
Fällt dieses Gas weg, müsste Moldau Gas zu internationalen Preisen kaufen. Diese Preise ziehen gerade an - und Geld hat Moldau keines. Das Land zählt zu den ärmsten Europas. Auch beim Stromankauf wäre eine Versorgung der eigenen Bevölkerung nicht gesichert. Die sich im Bau befindende direkte Stromleitung von Rumänien nach Moldau ist noch nicht fertig.
Noch weniger Möglichkeiten haben die Separatisten in Tiraspol. Laut Medienberichten hat man dort wohl Kohlereserven aus dem Donbas, die einen oder zwei Monate ausreichen. Doch über den Winter kommt man damit nicht. Tiraspol verlangt nun wohl von der Zentralregierung in Chisinau, Gas auf dem Gasmarkt zu kaufen und damit Transnistrien kostenlos weiter zu versorgen. Eine Forderung, die Chisinau ablehnt.
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Premierminister: Russland will Moldau destabilisieren
Premierminister Dorin Recean erklärte, es handele sich um ein Scheinproblem, da der russische Konzern Gazprom andere Routen für den Gastransport nutzen könnte. Zum Beispiel über die Südroute durch die Türkei. Wenn der Kreml wollte, gäbe es andere Wege. Doch Russland halte die Einwohner Transnistriens als Geiseln und benutze sie, um Moldau zu destabilisieren, erklärte er.
"Die große Frage ist, was Russland ab 1. Januar plant", sagt Brigitta Triebel von der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Lässt man tatsächlich die langjährigen Verbündeten in Tiraspol fallen, um einen weiteren Erfolg gegen die proeuropäische Regierung in Chisinau zu erzielen und die Erfolgschancen der Regierungspartei PAS auf eine Wiederwahl bei den Parlamentswahlen im September 2025 weiter zu verringern?"
Auch deswegen hat Moldau nun den Notstand ausgerufen. Die unzureichenden Energieressourcen könnten sich "direkt und unmittelbar auf die Sicherheit des Staates und der Bürger auswirken", sagte Premier Recean. Moldau wurde in der Vergangenheit immer wieder von massiven Desinformationskampagnen des Kreml überzogen. Durch den Notstand könne die Regierung schnell auf Probleme reagieren und eine "humanitäre Krise" verhindern.
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Gespräche mit der EU
Was fehlt, sei Geld, um Gas und Strom am Markt zu kaufen. "Experten sprechen von einem Bedarf von zusätzlich 300 bis 400 Millionen Euro, und dabei ist eine mögliche Mitfinanzierung Transnistriens nicht einkalkuliert", sagt Triebel.
Die proeuropäische Präsidentin Maia Sandu war diese Woche in Brüssel und traf sich unter anderem mit dem EU-Kommissar für Energiefragen. In den nächsten Tagen fließen wohl weitere 50 Millionen Euro von Brüssel nach Moldau. Die EU sei vorbereitet, heißt es. Premier Dorin Recean gibt sich kämpferisch:
Doch die moldauische Regierung steht unter enormem Druck. In acht Monaten sind Parlamentswahlen. Erwartet wird, dass prorussische Kräfte - wie schon bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober - versuchen werden, die proeuropäischen Kräfte zu destabilisieren. Sollte sich die Energiekrise in Moldau verschärfen, würde das den kremltreuen Kräften im Land in die Hände spielen.
Sebastian Ehm berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien