Moldau: Manipulation durch Moskau ist "schlechte Tradition"
Kaufte Russland 300.000 Stimmen?:Moldau: Kreml-Einfluss "schlechte Tradition"
von Silas Thelen
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Wurden in Moldau Stimmen gekauft, um den Pro-EU-Kurs des Landes zu bremsen? Das behauptet Präsidentin Sandu. Experte Christoph Heusgen gibt ihr recht: Er sieht Moskau im Verdacht.
Neben der Wahl ging es auch darum, ob sich das Land der EU oder Russland zuwendet. In einem Referendum sprachen sich 50,46% der Wähler für einen Kurs Richtung EU aus.21.10.2024 | 1:46 min
Schwere Vorwürfe sind es, die Moldaus Regierungschefin Maia Sandu nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl und dem Referendum über einen EU-Beitritt des Landes erhebt: Von einem "noch nie dagewesenen Angriff auf die Freiheit und Demokratie" ist die Rede, von "Millionen Euro" für Lügen und Propaganda sowie von 300.000 gekauften Wahlstimmen.
Kriminelle Kräfte hätten zusammen mit einer ausländischen Macht versucht, Moldau zu destabilisieren, erklärte Sandu. Immer wieder beklagt die proeuropäische Präsidentin, Russland mische sich in der ehemaligen Sowjetrepublik politisch ein.
Moldau "erlebt einen Wahlkrimi", erklärt ZDF-Korrespondent Sebastian Ehm aus Moldaus Hauptstadt Chisinau.21.10.2024 | 0:57 min
Sicherheitsexperte: Manipulation aus Moskau denkbar
"Ich glaube, dass die Präsidentin recht hat", sagt Christoph Heusgen, Ex-Diplomat und Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz am Morgen gegenüber dem Deutschlandfunk (DLF) zu den Vorwürfen. Dass Russland hinter den angeblichen Manipulationsvorwürfen stecke, sei denkbar:
Zwar könne er über das genaue Ausmaß der Einflussnahme keine Angaben machen - es scheine jedoch, als seien die Auswirkungen massiv, so der Sicherheitsexperte. Moldau sei demnach kein Einzelfall: "Russland versucht, Einfluss auf Moldau zu nehmen, genauso wie es das in den anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion auch macht." Russland dementiert die Vorwürfe.
EU-Kurs statt Sowjet-Erbe? Moldau zwischen Russland und Europa.16.10.2024 | 6:34 min
Moldau: Hauchdünne Mehrheit für Pro-EU-Kurs
Trotz der vermuteten Einflussnahme des Kremls gibt es nach vorläufigem Ergebnis eine hauchdünne Mehrheit für einen proeuropäischen Kurs Moldaus: Nach Auszählung aller Wahlzettel stimmten laut Wahlkommission 50,46 Prozent der Teilnehmer für eine Änderung der Verfassung, in der der proeuropäische Kurs unabänderlich als strategisches Ziel festgeschrieben werden soll.
Quelle: dpa
... ist Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Der promovierte Ökonom startete seine Karriere in Brüssel. Mit Angela Merkels Amtsübernahme 2005 wechselte Heusgen ins Kanzleramt, später vertrat er die Bundesregierung bei den Vereinten Nationen.
Heusgen wird 2025 durch den bisherigen Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Amt des Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz abgelöst.
Heusgen sieht die Republik Moldau derweil schon länger auf Annäherungskurs in Richtung EU - trotz möglicher russischer Bemühungen dagegen. Während der russische Anteil am Außenhandel des Landes in den vergangenen Jahren von 50 auf 8 Prozent zurückgegangen sei, habe die wirtschaftliche Bedeutung europäischer Partner derweil etwa durch Freihandelsabkommen im ähnlichen Maße zugenommen, so der Ex-Diplomat.
Gleichzeitig werde ein Haushaltsdefizit Moldaus von 30 Prozent zum "großen Teil von der Europäischen Union aufgefangen".
Seit dem Ukraine-Krieg herrscht auch in Moldau Angst. Viele wünschen sich mehr Nähe zu Europa - aber nicht alle.31.05.2023 | 2:24 min
Angst vor Eskalation, Hoffen auf EU-Beitritt
Wegen des Kriegs in der Ukraine ist in Moldau die Angst vor russischer Einflussnahme gewachsen. Es wird zudem befürchtet, dass Moldau aufgrund seiner abtrünnigen Region Transnistrien in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden könnte. Dass die EU Moldau kurz nach Kriegsbeginn zum Beitrittskandidaten machte, sei angesichts des russischen Angriffs auf die Nachbarn in der Ukraine ein "politisches Zeichen" gewesen, so Heusgen im DLF - auch weil Moldau Hunderttausende Kriegsflüchtlinge aufnahm.
Dennoch: Der Weg Moldaus in die EU ist noch lang. So verweist Heusgen auf einen Bericht des US-Außenministeriums, der "ernsthafte Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz" im Land sowie Vorwürfe ernsthafter Regierungskorruption thematisiert. Deshalb müsse nun von europäischer Seite deutlich gemacht werden, dass es sich bei der Beitrittsperspektive nicht um ein "Geschenk" handle, sondern zunächst "aufgeräumt" werden müsse, so Heusgen. Das brauche Zeit:
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