Kolumbien: Vom "totalen Frieden" zur "totalen Offensive"
Kolumbien:Vom "totalen Frieden" zur "totalen Offensive"
von Tobias Käufer
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In Kolumbien gerät das Friedensprojekt von Präsident Petro unter Druck. Nun setzt der Linkspolitiker stärker auf das, was er eigentlich vermeiden wollte: eine militärische Lösung.
Im Juli wird Gustavo Petro zwei Jahre lang Präsident Kolumbiens sein
Quelle: ap
Wie schwer es dem Indigenen-Verband ACIN aus der Unruheprovinz Norte del Cauca gefallen ist, überhaupt diesen Brandbrief zu schreiben, wird aus den ersten Worten des Appells deutlich:"Wir hoffen, dass dieser Akt der Aufrichtigkeit nicht zu einer Situation der Bedrohung und des Risikos gegen uns führt", hieß es in dem vor wenigen Tagen veröffentlichen Schreiben.
Indigene schreiben BrandbrieF an "FARC-Dissidenten"
Gerichtet ist der Brief an die Spitze der sogenannten "FARC-Dissidenten", eine Nachfolgeorganisation der 2016 befriedeten FARC-Guerilla, die inzwischen als Partei "Comunes" in den Parlamenten sitzt. Ein kleiner Teil der damaligen Guerilla verweigerte sich aber dem weltweit beachteten Friedensvertrag und kämpft bis heute weiter. Inzwischen ist er personell angewachsen, untereinander aber zerstritten. Eine zentrale Rolle nimmt der Block "Estado Mayor Central (EMC)" ein, dem schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
Was wir sehen, sind eine Reihe von Gräueltaten, die im Widerspruch zu dem von Ihnen verkündeten Erbe von Manuel Marulanda und Jacobo Arenas stehen.
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Indigenen-Verband ACIN
Brutale Verbrechen an der Zivilbevölkerung, an den Indigenen sorgen in der Region für Angst und Schrecken. Der Hintergrund ist der Kampf um den Einfluss im Drogengeschäft, Kolumbien ist der Kokainproduzent Nummer eins. Nun appellieren die Indigenen an die Guerilla-Führung, sich ihrer eigentlichen ideologischen Wurzeln zu besinnen - nämlich dem Kampf für soziale Gerechtigkeit vor allem auf dem Land.
In Kolumbien herrscht ein Teufelskreis von Leid und Gewalt. Eine Deutsche hilft Jugendlichen in einem Armenviertel aus der Spirale auszubrechen.26.12.2023 | 44:01 min
Kolumbiens Präsident wollte Frieden - Bilanz ernüchternd
Kolumbiens linksgerichteter Präsident Gustavo Petro hatte das Projekt "Paz total" zur Kernaufgabe seiner im August 2022 begonnen Präsidentschaft auserkoren. Die Idee, auf dem Verhandlungsweg mit den linksextremen Guerilla-Banden und rechtsextremen Paramilitärs einen "kompletten Frieden" zu erreichen, fand vor allem bei vielen jungen Wählern Zustimmung. So wurde Petro der erste echte linke Präsident des Landes.
Quelle: ZDF
Wenige Wochen vor der Halbzeit seiner Amtszeit ist die Bilanz ernüchternd. Erfolge wie ausgehandelte Waffenstillstände erweisen sich als brüchig. Bitter ist die Ankündigung der marxistischen ELN-Guerilla - der zweiten großen Guerillagruppe - zur Praxis der Geiselnahmen zur Lösegelderpressung zurückzukehren.
Inzwischen fliegen die politischen Giftpfeile zwischen Petro und der ehemaligen und der noch aktiven FARC-Guerilla hin- und her. Die Basis des Vertrauens, unabdingbar für Friedensverhandlungen, scheint stark erschüttert.
Mehr Respekt vor der Vorgänger-Regierung?
Pastor Alape, einer der führenden Kommandanten der 2016 befriedeten FARC-Guerilla, ging sogar noch weiter. Es sei eine Ironie, dass ausgerechnet die (rechtskonservative) Vorgänger-Regierung von Präsident Ivan Duque die Umsetzung des Friedensabkommens mehr respektiert habe als die amtierende Regierung des Friedens von Gustavo Petro.
Illegale Wahlkampffinanzierung? Präsidentensohn löst politisches Erdbeben aus
Weil die FARC-Dissidenten ihren bewaffneten Kampf trotz des Friedensprojekts gegen die Zivilbevölkerung als auch gegen die Armee fortsetzt, greift nun auch Petro zu jenem Mittel, auf das er eigentlich stets verzichten wollte und das er bei seinen Vorgängern scharf kritisiert hatte: den Einsatz des Militärs.
Die Offensive gegen den Estado Mayor Central (EMC) in Cauca muss total sein.
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Gustavo Petro, Präsident Kolumbiens
Die aktiven FARC-Dissidenten griffen auf Twitter Petro scharf an. Sein wahres Gesicht unterscheide sich nicht allzu sehr von dem der ehemaligen Regierungen. Aus dem totalen Frieden ist zumindest verbal eine totale Offensive geworden.
Die Kollateralschäden sind enorm: Es gibt Massenproteste gegen die Regierung, schlechte Umfragewerte und eine explosionsartig gestiegene Kokainproduktion - denn die bewaffneten Banden nutzen den Waffenstillstand offenbar dazu, den Drogenanbau in ihren Territorien abzusichern. Das Projekt "Paz total" ist in ernsthafter Gefahr.
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