Präsident Petro unter Druck:Kolumbien: Kokainschwemme statt Frieden
von Tobias Käufer, Bogota
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Der Friedensprozess in Kolumbien steht auf der Kippe - wieder einmal. Präsident Gustavo Petro steht unter Druck, auch wegen steigender Kokainproduktion im südamerikanischen Land.
In Kolumbien ist der Friedensprozess ins Stocken geraten. (Archivbild)
Quelle: AFP
Es ist das große Versprechen seiner Präsidentschaft: Gustavo Petro, ehemaliger Guerillero und seit Mitte 2022 im Amt, will Kolumbien befrieden. Gelingen soll das mithilfe von Friedensverhandlungen mit allen illegalen bewaffneten Gruppen.
Deutschland unterstützt diesen von Petro "Paz total" - totaler Frieden - genannten Ansatz, der entscheidend war, warum Petro die Wahlen gewann und der erste wirklich linke Präsident des südamerikanischen Landes werden konnte.
Doch inzwischen ist in Kolumbien Ernüchterung eingekehrt. In Washington, Brüssel und Berlin wächst die Besorgnis angesichts einer steigenden Kokainproduktion. Auch Juan Daniel Oviedo, ehemaliger Bürgermeisterkandidat der Millionen-Metropole Bogota, sagt:
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Guerillagruppen konnten ihre Macht ausbauen
Waffenstillstände mit der marxistischen ELN-Guerilla und den sogenannten FARC-Dissidenten - einer ständig wachsenden Gruppe neuer und ehemaliger Guerilleros, die aus Kämpferinnen und Kämpfern entstand, die sich dem 2016 zwischen Regierung und FARC abgeschlossenen Friedensvertrag verweigern - sorgten allerdings dafür, dass die Guerillagruppen ihre Macht in den Territorien ausbauten.
Die FARC-Dissidenten finanzieren ihren Kampf gegen den Staat über ihre Beteiligung am Drogenhandel. Nach Angaben des Instituts für Entwicklung und Frieden (Indepaz) haben die FARC-Dissidenten ihren territorialen Einflussbereich ausbauen, die Zahl der aktiven Kämpfer und Unterstützergruppen zuletzt auf 3.080 verdoppeln können.
Zuletzt gab es zudem brutale Attacken der linken Guerilleros auf indigene Aktivisten und Umweltschützer, die für Entsetzen in Kolumbien sorgten. Petro, der den Waffenstillstand in drei Provinzen aufhob, schickte eine eindeutige Warnung in Richtung "EMC", wie die FARC-Dissidenten auch genannt werden. Und verglich ihre Situation mit der des legendären kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar:
Dass ausgerechnet linke Guerillakämpfer den ersten linken Präsidenten der Geschichte im Stich lassen, ist eine tragische Entwicklung für den Präsidenten. Die FARC-Führung und Petro werfen sich nun gegenseitig Verrat und Vertrauensbruch vor, es droht eine Rückkehr zum Krieg.
"Insight Crime": Kokainproduktion in Kolumbien steigt deutlich
Laut "Insight Crime" stellten die Behörden in Kolumbien, dem traditionellen Weltmarktführer in der Kokainproduktion, im Jahr 2023 rund 739,5 Tonnen Kokain sicher. Dies ist ein Anstieg um 12,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
"Ende 2023 erreichte die Kokain-Anbaufläche in Kolumbien mit 246.000 Hektar, das entspricht knapp der Fläche des Saarlandes, ein historisches Allzeithoch", berichtet Stefan Reith, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bogota im Gespräch mit ZDFheute.
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Der Grund für den Anstieg der Kokainproduktion ist allerdings nicht nur die steigende Macht der Guerillagruppen in den ländlichen Gebieten, sondern auch eine zunehmende Effizienz durch innovative Produktionsmaßnahmen.
Die Umfrageergebnisse sind nach gutem Beginn chronisch schlecht. Derzeit sind mit 35 Prozent nur ein Drittel der Befragten mit der Arbeit Petros zufrieden. Der steht nun vor einer wegweisenden Entscheidung: Rückkehr zum Krieg gegen die FARC oder Fortsetzung des Friedensprozesses. Im ersten Fall wäre eine historische Chance vertan.