UN-Generalversammlung: Ein Rettungsplan für die Menschheit

    UN-Generalversammlung:Ein Rettungsplan für die Menschheit

    Elmar Theveßen
    von Elmar Theveßen, New York
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    Die Generalversammlung der Vereinten Nationen will Wege zum Schutz der Menschheit vor Krieg und Klimakollaps finden. Deutschland will dabei mehr Verantwortung übernehmen.

    Die sechsjährige Florence ist stolz auf die kleinen Schmetterlinge, die sie auf das Plakat mit dem Blauen Planeten gemalt hat; aber gleichzeitig ist das Mädchen auch traurig:

    Sie sollten die Erde beschützen, aber sie tun es nicht.

    Florence

    Während sie das sagt, deutet Florence mit dem Finger die Straße runter in Richtung Vereinte Nationen. Florence meint die Politiker, die dort diese Woche beraten. Ihre Themen sind Krieg, Klima, Armut und Hunger in der Welt. Deshalb machen Zehntausende zum Auftakt der UN-Woche Lärm, sie fordern die Abkehr von fossilen Brennstoffen und rufen nach Taten - gegen den Klimawandel und für mehr Gerechtigkeit in der Welt.
    ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen in New York
    Von den 140 Zielen, die 2015 im Nachhaltigkeitsgipfel festgelegt wurden, sind "nur 15% dieser Maßnahmen auf einem guten Weg", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen, "da muss man nachjustieren."18.09.2023 | 3:18 min

    Die UN braucht dringend neue Ideen

    "Wenn alle Menschen geeint sind, können sie nicht verlieren", rufen die Demonstranten, unter ihnen Hollywoodschauspieler wie Susan Sarandon und Ethan Hawke, aber auch Anführer von indigenen Völkern aus aller Welt. "Diese Woche ist ein kritischer Moment für den ganzen Planeten, für das Klima müssen wir jetzt handeln", meint Uyunkar Domingo Peas Nampichkai aus Ecuador, seine Gesichtsbemalung unterstreicht den Ernst in seiner Stimme.
    Es sind solche Erwartungen, die auch auf deutschen Politikern ruhen. Olaf Scholz ist am Sonntagabend angekommen. Viermal wird er diese Woche eine Rede halten: vor der UN-Vollversammlung am Dienstag, beim Klimagipfel am Mittwoch und kurz danach vor dem Weltsicherheitsrat, aber schon heute muss der Bundeskanzler eigentlich alles vorwegnehmen. Denn der Gipfel für nachhaltige Entwicklung braucht dringend neue Ideen.

    Nachhaltigkeitsziele hinken dem Zeitplan hinterher

    2015 hatten die Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitsziele beschlossen, bis 2030 sollten sie erfüllt sein, aber die Zwischenbilanz ist bitter: Gerade mal 15 Prozent der insgesamt 140 Einzelmaßnahmen liegen im Zeitplan. Bei diesem Tempo werden in sieben Jahren immer noch über eine halbe Milliarde Menschen in Armut leben, 600 Millionen hungern.
    Schuld daran sind nicht nur Pandemie und Wirtschaftskrise, es fehlte an entschiedenem Handeln der Politiker. Deshalb fordern Experten des UN-Rats für nachhaltige Entwicklung einen Neustart, mehr Mut zu tiefgreifenden Veränderungen, kurz eine Zeitenwende. Die UN nennen es einen "Rettungsplan für die Menschheit und den Planeten."
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    Einladung zur Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz

    Deshalb werden sie heute auch genau hinhören, wenn der Bundeskanzler über Deutschlands Beitrag dazu sprechen wird. Die Bundesregierung plant, Milliardensummen für den Klimaschutz, für den Aufbau von sozialen Sicherungssystemen in ärmeren Staaten, für Geschlechtergerechtigkeit und andere Anliegen bereitzustellen. Und Olaf Scholz will im Beisein seiner Ministerinnen für Äußeres, Entwicklung und Umwelt auch zur 1. Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz für Juni 2024 einladen.
    Was zunächst nach dem sprichwörtlichen 'weiteren Arbeitskreis' klingt, weil man 'nicht mehr weiterweiß', könnte für eine kraftvolle Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele entscheidend sein: Ein Forum, bei dem Regierungen aus globalen Norden und dem globalen Süden vor allem mit führenden Köpfen aus der Privatwirtschaft zusammengebracht werden, um Investitionen für Projekte zu einer - Achtung sperriger Begriff - sozial-ökologischen Transformation zu mobilisieren.

    Bessere Koordination von Entwicklungs- und Klimamaßnahmen

    Ein Beispiel: 2030 sollen alle Menschen in Subsahara-Afrika Zugang zu Elektrizität haben. Neu gebaute Netze dürften ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien gespeist werden. In besonders abgelegenen Gegenden, wo der Netzausbau nicht lohnt, könnten kleine Solarkraftwerke die Energie liefern. Koordiniert man die Entwicklungs- und Klimamaßnahmen, würde die Erreichung des Nachhaltigkeitsziels deutlich günstiger. Dank der niedrigeren Kosten könnte andere Projekte ermöglicht werden.
    Noch ist solch ein vernetztes Vorgehen nur ein Konzept, vielleicht aber bald ein konkreter Leitfaden für schnelleres Handeln; das jedenfalls wird der Bundeskanzler wohl heute versprechen, denn Deutschland, immerhin viertgrößter Geldgeber für die Vereinten Nationen, will als Triebfeder einer besseren Weltordnung gesehen werden, die den Bedürfnissen der Menschen gerechter wird. Das Engagement dient natürlich auch ein Stück weit der Bewerbung um einen der wechselnden Sitze im Weltsicherheitsrat für 2027/28.

    Deutschland will mehr Verantwortung übernehmen

    Aber es beruht auch auf der besonderen Rolle, die Deutschland seit seinem Beitritt zur UN vor genau 50 Jahren in der Weltorganisation spielt. Das Land, das den Zweiten Weltkrieg entfesselte, musste ab dem 18. September 1973 beweisen, dass es Verantwortung übernimmt und die Prinzipien der Vereinten Nationen verteidigt. Das gilt auch gegenüber Kritik und Angriffen in der Gegenwart.

    Jene, die diese Ordnung anzweifeln haben bisher keine besseren Prinzipien benennen können, auf denen eine gerechtere Ordnung entstehen sollte.

    Annalena Baerbock

    So schreibt die Bundesaußenministerin in einem Namensartikel, der in mehr als einem Dutzend großer Zeitungen in Afrika, Asien und Südamerika erschien. Deutschland wolle den Ländern des Globalen Südens eine starke Stimme verschaffen. "Das meint auch", so Annalena Baerbock, "die Ziele zur nachhaltigen Entwicklung zum Herz der Vereinten Nationen zu machen". Die Botschaft hören sie wohl in den Straßen von New York, aber noch glauben die Demonstranten nicht, dass diesmal wirklich Taten folgen.
    Täglich wollen sie in dieser UN-Woche weiter lautstark fordern, dass die Vereinten Nationen ihrem Namen endlich gerecht werden. Und Florence hofft, dass die Politiker die Erde wirklich beschützen, weil die Zukunft der Sechsjährigen und aller Kinder davon abhängt.

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