Libanon: Pager-Explosionen verletzen Tausende

    Mutmaßlich koordinierter Angriff:Libanon: Pager-Explosionen verletzen Tausende

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    Bei Pager-Explosionen im Libanon sind mindestens acht Menschen gestorben, 2.750 Menschen wurden verletzt. Es soll sich um einen koordinierten Angriff auf Hisbollah-Ziele handeln.

    17.09.2024, Libanon, Beirut: Ersthelfer des Zivilschutzes bringen einen verletzten Mann, dessen tragbarer Pager explodiert ist, ins al-Zahraa-Krankenhaus.
    Bei zeitgleichen Explosionen von Pager-Geräten im Libanon sind mindestens acht Menschen gestorben, Tausende wurden verletzt, darunter viele Hisbollah-Mitglieder. 17.09.2024 | 1:28 min
    Bei einem mutmaßlich koordinierten Angriff im Libanon sind nach Angaben der Regierung acht Menschen getötet worden. 2.750 weitere seien verletzt worden, sagte Gesundheitsminister Firas Abiad bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Beirut. Der Zustand von rund 200 Verletzten sei kritisch.
    Auslöser der zeitgleichen Explosionen waren offenbar Telekommunikationsempfänger, sogenannte Pager, die viele der Betroffenen direkt am Körper trugen. Unter den Opfern sollen sich unter anderem Mitglieder der Radwan-Truppe, einer Eliteeinheit der Schiitenmiliz Hisbollah befinden. Zudem sollen auch hochrangige Hisbollah-Vertreter verletzt worden sein, wie eine der Miliz nahestehende Quelle der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Die Gründe für die zeitgleichen Explosionen würden untersucht, erklärte die Miliz.

    Die kleinen Geräte waren so etwas wie ein Vorläufer des Handys. Die Grundidee: Wenn man mit jemandem sprechen will, pingt man den Pager der Person an. Diese sieht die Telefonnummer - oder eine kurze Nachricht - und kann zurückrufen oder entsprechend der Nachricht handeln.

    Pager wurden vor allem seit den 80er Jahren breit eingesetzt, unter anderem bei Rettungsdiensten. Die permanente Erreichbarkeit dank der allgegenwärtigen Handys machte sie jedoch weitgehend überflüssig. Etwa die Feuerwehr nutzt sie aber teils weiterhin. Inzwischen gibt es auch Modelle von Pagern, auf denen man eine Nachricht zurückschicken kann.

    Dass eine Miliz wie die Hisbollah in großem Stil Pager verwendet, hat wohl einen einfachen Grund: Anders als bei Handys oder Smartphones kann ihr Aufenthaltsort nicht ermittelt werden. Denn ein gewöhnlicher Pager ist nur ein Empfänger, der nicht in ein Netz eingeloggt ist. Alle Pager in einem Gebiet gleichzeitig zu aktivieren, ist unterdessen kein Problem. (Quelle: dpa)

    In Videos von Überwachungskameras war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach am Boden. Die Explosionen ereigneten sich örtlichen Medien zufolge in den südlichen Vororten Beiruts, wo die Hisbollah besonders präsent ist, sowie im Süden des Landes.
    SGS Brühl
    Im Libanon sind hunderte Mitglieder der pro-iranischen Hisbollah-Miliz schwer verletzt worden, offenbar durch explodierende Pager. Was bislang bekannt ist, berichtet Anne Brühl.17.09.2024 | 0:53 min

    Panik in den Straßen Beiruts

    Augenzeugen berichteten von Panik in den Straßen Beiruts. Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz. Das libanesische Gesundheitsministerium rief alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft auf und forderte die Menschen auf, keine Funkgeräte zu benutzen.
    Auch Irans Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani, soll Medienberichten zufolge bei der Explosion eines Pagers verletzt worden sein. Die Hisbollah ist der wichtigste nicht-staatliche Verbündete der Islamischen Republik Iran.
    Auch in Syrien soll es zu ähnlichen Vorfällen gekommen sein. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass mehre Mitglieder der Hisbollah durch explodierende Kommunikationsgeräte in der Nähe der Hauptstadt Damaskus verletzt wurden. Aus syrischen Sicherheitskreisen hieß es, ein Pager sei unter anderem in einem Auto in der Hauptstadt Damaskus explodiert. Berichte über Explosionen von Pagern in weiteren Ländern gibt es derzeit nicht.

    Konflikt zwischen Hisbollah und Israel

    Bislang gibt es keine Gewissheit, wer hinter diesen koordinierten Angriffen steckt. Eine Verantwortung Israels ist jedoch naheliegend. Die israelische Armee kommentierte die Vorfälle im Libanon zunächst nicht. Der Nahost-Experte Fabian Hinz verwies gegenüber ZDFheute darauf, dass es in Israel in den vergangenen Tagen sehr viele Medienberichte gegeben habe, wonach man sich womöglich auf größere militärische Aktionen im Libanon vorbereite.

    Die große Frage, die sich mir stellt: Ist das Teil des bestehenden Abnutzungskrieges und innerhalb davon eine weitere Eskalation. Oder ist es die Vorbereitung für etwas Größeres?

    Fabian Hinz, International Institute for Strategic Studies (IISS)

    Seit Beginn des Gazakriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet fast täglich zu Konfrontationen zwischen der libanesischen Hisbollah und dem israelischen Militär. Auf beiden Seiten gab es infolge des Beschusses Tote. Israel geht immer wieder mit gezielten Luftschlägen gegen hochrangige Hisbollah-Ziele vor, mehrfach auch in der Hauptstadt Beirut.
    19.06.2024, Israel, Kirjat Schmona: Eine israelische Flagge hängt an der Grenze zum Libanon im Norden Israels.
    Israel weitet seine Ziele im Gaza-Krieg aus. Neben der Zerstörung der islamistischen Hamas soll auch die Rückkehr geflüchteter Bürger in den Norden Israels erreicht werden.17.09.2024 | 0:21 min

    Wie könnte der Pager-Angriff funktioniert haben?

    In den sozialen Medien kursieren mehrere Fotos und Videoaufnahmen von Überresten zerstörter Pager. Teils sind darauf Serienkennungen sichtbar, die auf Geräte eines taiwanesischen Herstellers hindeuten. Herstellerangaben im Netz zufolge fertigt er sowohl Modelle, die mit internem Akku betrieben werden als auch Modelle mit Batterie. Es ist unklar, ob weitere Hersteller betroffen sind.
    Ob die Pager zum Beispiel durch ein externen Cyberangriff zur Überhitzung gebracht wurden, oder ob eine kleine Sprengladung darin platziert war, ist bislang nicht geklärt. Grundsätzlich können auch handelsübliche Lithium-Ionen-Akkus detonieren und dabei eine gewisse Sprengkraft entwickeln - abhängig von ihrer Größe.
    Versteckte Sprengladungen würden voraussetzen, dass ein Akteur in der Lage war, Zulieferer der Hisbollah zu unterwandern, oder Warenflüsse an die Terrororganisation abzufangen und zu manipulieren, ohne dass dies über längere Zeit auffiel.

    Für beide Szenarien, Cyber-Aktion wie Sprengladung, hätte man genug Präzedenzfälle von Seiten der Israelis.

    Fabian Hinz, International Institute for Strategic Studies (IISS)

    Im Vergleich mit früheren Geheim-Operationen israelischer Dienste wären diese Pager-Attacken eine besonders spektakuläre Aktion mit enormem Schadensbild. Gleich wie die Aktion durchgeführt wurde, beide Optionen stellen die Hisbollah vor ein enormes Sicherheitsproblem.

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    Quelle: ZDF, dpa, AFP, AP

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