Kenianische Polizei im Einsatz für Frieden in Haiti

    Chaos in Haiti:Sicherheitstruppe aus Kenia soll Haiti retten

    von Stefanie Riess
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    Gangs terrorisieren die Bevölkerung, dominieren seit einigen Jahren den Karibikstaat Haiti. Eine Sicherheitstruppe aus Kenia soll sie bekämpfen. Ist das ein Erfolgsrezept?

    Schwer bewaffnete Männer stehen vor einem Maschendrahtzaun in Tarnkleidung.
    Seit Jahren erschüttert von Krisen: Kenianische Polizisten kämpfen in Haiti gegen Gangs. Kann der Einsatz endlich Stabilität in das vom Chaos geplagten Land bringen?
    Quelle: Reuters

    Seit Juni 2024 ist ein Kontingent der kenianischen Polizei in der Hauptstadt Haitis, Port-au-Prince. Die Polizisten sollen die kriminellen Gangs unter Kontrolle bringen, die das Land terrorisieren und zeitweise lahmlegen. Knapp 600.000 Haitianer mussten bereits wegen der Gewalt der Gangs ihre Häuser verlassen, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und medizinischer Betreuung ist in Teilen der Landes zusammengebrochen.
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    Haiti wird seit Jahren von Krisen erschüttert - und immer wieder wurden internationale Truppen in den Karibikstaat entsandt: Über 13 Jahre lang, zwischen 2004 und 2017, versuchte die "UN Stabilisation Mission in Haiti", kurz MINUSTAH, das Land zu stabilisieren, das seit Jahren unter politischer Unsicherheit und Naturkatastrophen leidet.

    Afrikanisch und ohne Machtansprüche: Kenia als Joker

    Vor allem die Vereinigten Staaten haben ein Interesse daran, die Lage in Haiti zu stabilisieren - wegen der geographischen Nähe, den Handelsbeziehungen und der hohen Anzahl von haitianischen Migranten, die in den USA Zuflucht suchen. Ein Einsatz von US Truppen wäre aber politisch explosiv - wegen der Invasion und Besetzung Haitis durch US Marines 1915-1934 ist das Verhältnis bis heute belastet. Gleichzeitig gab es nach den internationalen Stabilisierungseinsätze MINUSTAH Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe auf die Bevölkerung; das nepalesische Kontingent wird für den Cholera-Ausbruch verantwortlich gemacht, der ab 2010 fast 10.000 Haitianern das Leben kostete.
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    Truppen aus einem afrikanischen Staat - ebenfalls Entwicklungsland und garantiert ohne imperialistische Ambitionen - sollten höhere Akzeptanz innerhalb der haitianischen Bevölkerung fördern. Zudem erhoffte sich Kenias Präsident Ruto Vorteile. Er brauchte in einer schwierigen Situation im eigenen Land dringend internationale Unterstützung. Er sagte also Truppen zu, die USA wollten die Finanzen bereitstellen. Kurz darauf wurde Ruto mit einem Staatsbesuch im Weißen Haus und dem Status eines "wichtigen nicht-Nato Verbündeten" belohnt.

    Nur Teilerfolge - wegen mangelnder Ressourcen

    Seit ihrer Ankunft konnten die Kenianer zumindest in Teilen der Hauptstadt Port-au-Prince mehr Sicherheit herstellen. Sie haben auch die Kontrolle über das größte Krankenhaus des Landes zurückerlangt. Dennoch werden sie dafür kritisiert, dass sie sich kaum über das Zentrum der Hauptstadt hinausbewegen. 80 Prozent von Port au Prince sind damit nach wie vor unter Kontrolle der Gangs, immer wieder greifen die wichtige Infrastruktur an, wie Hafen oder Kraftwerke. Auch haben die Gangs ihre Aktivitäten in bisher friedliche ländliche Gebiete ausgeweitet.
    bewaffnete Männer auf den Straßen Port-au-Prince
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    Der Stabilisierungstruppe fehlt es bisher an Personal und Ausrüstung. Von den geplanten 1.000 kenianischen Truppen sind bisher 400 in Haiti angekommen. Anfang Oktober reiste Haitis Premierminister Gary Conille selbst nach Kenia, um die Entsendung der restlichen 600 Polizisten zu beschleunigen. Dabei sicherte der kenianische Präsident Ruto zu, dass sie ab November einsatzbereit seien. Allerdings, so Ruto, sei größere finanzielle Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft notwendig.

    Wenn die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, wird auch der Fortschritt sichtbar, den der Einsatz erzielt.

    William Ruto, Präsident Kenia

    "Rennen gegen die Zeit"

    Tatsächlich gibt es bisher nur für einen Teil der insgesamt 600 Millionen US-Dollar, die die Mission kosten soll, auch willige Geldgeber. Die USA haben insgesamt 380 Millionen US-Dollar zugesagt, Kanada 60 Millionen. Eine Finanzierung durch die Vereinten Nationen kommt nicht infrage, da es sich nicht um eine offizielle UNO Sicherheitsmission handelt. Ein entsprechender Antrag der USA scheiterte am Widerspruch Chinas und Russlands. Folge: Mangelhafte Ausstattung der Polizisten - Hindernis im Kampf gegen die zum Teil schwerstbewaffneten Gangs.

    Karibikstaat in der Krise
    :Haiti hat eine neue Regierung

    Haiti ist seit Jahren in einer Abwärtsspirale und leidet unter der Gewalt von Banden. Nun will der Karibikstaat mit der Bildung einer Übergangsregierung aus der Krise herausfinden.
    Garry Conille hat seine Übergangsregierung bekannt gegeben
    mit Video
    William O’Neill, der UN Menschenrechtsexperte zu Haiti, sprach von einer "dramatischen Situation": "Es ist unerlässlich, dass wir die Gangs unterdrücken, indem wir der Sicherheitsmission die Mittel geben, um erfolgreich zu sein."

    Diese andauernde Qual muss zum Ende kommen. Es ist ein Rennen gegen die Zeit

    William O’Neill, UN Menschenrechtsexperte Haiti

    Neuwahlen und neue Regierung als Hoffnungsschimmer

    Auch auf politischer Ebene muss Haiti den Gangs etwas entgegensetzen und die Macht einer korrupten Elite, die zum Teil vom Chaos profitiert, vermindern. Eine Übergangsregierung arbeitet daher derzeit daran, die ersten Wahlen seit 2016 zu organisieren. Spätestens im Februar 2026 soll eine neue Regierung im Amt sein. Sie wird vor noch größeren Herausforderungen stehen, als ihre Vorgänger.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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