Interview
Schicksalswahl in Georgien:Opposition wirft Regierung Wahlfälschung vor
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Nach der Wahl in Georgien beanspruchen sowohl Opposition als auch Regierung den Wahlsieg für sich. Das proeuropäische Lager spricht von Wahlfälschung, ein OSZE-Bericht wird erwartet.
Nach der Parlamentswahl in Georgien erkennt die Opposition den von der Wahlleitung verkündeten Sieg der Regierungspartei nicht an. Wahlbeobachter stellten zahlreiche Verstöße fest.27.10.2024 | 2:21 min
In der an Russland grenzenden Südkaukasusrepublik Georgien streiten die prowestliche Opposition und die nationalkonservative Regierungspartei über das vorläufige Ergebnis der Parlamentswahl. Sowohl die Partei des reichsten und mächtigsten Mannes des Landes, Bidsina Iwanischwili, als auch die proeuropäische Opposition beanspruchen den Sieg für sich.
Die Chefin der "Vereinte Nationale Bewegung", Tinatin Bokutschawa, erklärte in der Nacht zum Sonntag, die "gefälschten Ergebnisse der gestohlenen Wahlen" nicht anzuerkennen. Georgien werde seiner Zukunft beraubt. Die für die Auszählung verantwortliche Wahlleitung habe den schmutzigen Befehl des Milliardärs Bidsina Iwanischwili ausgeführt, so Bokutschawa.
Georgien liegt im Süden Russlands. Abchasien und Südossetien sind abtrünnige Gebiete, Moskau erkennt sie als unabhängige Staaten an.
Quelle: ZDF
Oppositionspolitiker: Wahl ist gefälscht worden
Oligarch Iwanischwili, Gründer und Ehrenvorsitzender der Regierungspartei "Georgischer Traum", präsentierte sich schon kurz nach Schließung der Wahllokale bei einer Feier mit seinen Anhängern und Feuerwerk in Tiflis als Sieger, ohne dass aussagekräftige Ergebnisse vorlagen. Vor seinen Anhängern sagte er, die Partei habe in schwierigen Zeiten einen Erfolg erzielt.
"Die Wahlen sind der Opposition gestohlen worden", sagt hingegen Nika Gwaramia von der "Koalition für den Wandel", einer weiteren Oppositionspartei. "Dies ist ein verfassungsrechtlicher Staatsstreich und ein Missbrauch der Macht." Die Wahl sei gefälscht worden nach einem komplizierten technologischen Schema. Details nannte er nicht.
Bei der Parlamentswahl in Georgien gibt es Verdacht auf Wahlfälschung. ZDF-Korrespondent Armin Coerper berichtet aus Tiflis. 27.10.2024 | 0:55 min
Wahlkommission spricht Iwanischwili absolute Mehrheit zu - Staatspräsidentin hält dagegen
Zuvor hatte die Wahlkommission Iwanischwilis Regierungspartei nach Auszählung von mehr als 70 Prozent der Wahlzettel die absolute Mehrheit - etwa 53 Prozent - zugesprochen. Die vier proeuropäischen Oppositionsblöcke, die über die Sperrklausel von fünf Prozent kamen, lagen demnach zusammengerechnet bei gut 38 Prozent der Stimmen.
Die oppositionsnahe proeuropäische Staatspräsidentin Salome Surabischwili hingegen verkündete nach Veröffentlichung der ersten Prognosen, dass die in die EU strebenden Parteien auf rund 52 Prozent der Stimmen gekommen seien. Sie berief sich dabei auf Nachwahlbefragungen des US-Instituts Edison, das eine Niederlage der Regierungspartei vorhergesagt hatte.
OSZE-Bericht erwartet
Laut der auch von einem oppositionsnahen Sender veröffentlichen Umfrage lag die Regierungspartei bei nur 40,9 Prozent. Endgültige Ergebnisse werden für Sonntag erwartet. Dann will auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) das Urteil ihrer rund 500 Wahlbeobachter bekanntgeben.
Nach bewegten Monaten und einem aufgeladenen Wahlkampf ist das Ergebnis noch nicht gesichert.26.10.2024 | 1:56 min
Wahlbeobachter verschiedener NGOs erklärten, die Ergebnisse spiegelten nicht den Willen der Wähler wider. Wahlrechtsexperten hatten schon im Vorfeld einen Missbrauch staatlicher Ressourcen durch die Regierungspartei beklagt.
Bereits im Laufe des Tages hatte es Berichte über einen Manipulationsversuch in der Kleinstadt Marneuli im Südosten des Landes gegeben, wo ein Mann mehrere Stimmzettel eingeworfen haben soll. Der 68-jährige Iwanischwili hatte schon kurz nach Schließung der Wahllokale den Sieg gefeiert.
ZDF-Korrespondent: Bilder von Tumulten in Wahllokalen
Für ZDF-Korrespondent Armin Coerper stehen die "Zweifel" am Wahlergebnis nun erst einmal im Raum. Es gebe "die Bilder von Tumulten vor Wahllokalen, von Manipulationen, Einschüchterung und auch von tonnenweisen Wahlzetteln, die da in Urnen gestopft wurden", berichtet er aus Tiflis.
Die Parlamentswahl in Georgien gilt als richtungsweisend. ZDF-Reporter Armin Coerper berichtet aus Tiflis.26.10.2024 | 1:06 min
"Da fragt man sich natürlich, wie es sein kann, dass Georgien ein Land ist, das von der EU im vergangenen Jahr den Beitrittskandidatenstatus verliehen bekommen hat", so Coerper, auch wenn die EU die Verhandlungen aufgrund von autoritären Gesetzen der Regierung mittlerweile auf Eis gelegt habe.
Die Parlamentswahl sei sehr wichtig, "nicht nur für die kleine Kaukasusrepublik Georgien, sondern auch für die, die hinter den beiden politischen Lagern stehen, nämlich Russland und die Europäische Union", sagt Coerper.
Richtungswahl "zwischen Putin und Brüssel"
Das Land hat 3,7 Millionen Einwohner und ist seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat. Der Beitrittsprozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis. Die traditionell gespaltene Opposition befürchtet, dass sich Georgien unter Iwanischwili noch stärker dem großen Nachbarn Russland zuwendet und endgültig von seinem EU-Kurs abkommt.
Die von ihm gegründete Regierungspartei Georgischer Traum versprach im Wahlkampf hingegen Frieden und Stabilität - und schürte Ängste vor einem Krieg mit Russland, sollte die Opposition gewinnen. ZDF-Korrespondent Coerper spricht von einer "Richtungswahl zwischen Putin und Brüssel".
2008 war es zwischen Russland und Georgien zum Krieg gekommen. Ein Rückblick:
2008 kommt es zu einem Krieg zwischen Russland und Georgien. Es geht um die autonomen Republiken Abchasien und Südossetien in Georgien. Bis heute hat der Krieg Auswirkungen. 25.10.2024 | 1:00 min
Quelle: ZDF
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Quelle: AFP, dpa, Reuters
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