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Interview
Experte Röthig im Interview:Georgien: Kann Russland die Wahl beeinflussen?
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Die Partei "Georgischer Traum" ist seit zwölf Jahren an der Macht, doch nun könnte ein pro-europäisches Oppositionsbündis Georgiens erste Regierungskoalition bilden.
Spannend wird, ob die Opposition mehr Stimmen erhält, als der "Georgische Traum" und ob Iwanischwili eine Niederanlage anerkennen würde, sagt Experte Marcel Röthig.
25.10.2024 | 15:54 min
Georgien wählt am Samstag ein neues Parlament. Einige pro-europäische Oppositionsparteien sehen darin ihre Chance, die seit zwölf Jahren regierende Partei "Georgischer Traum" vom Thron zu stoßen.
Im Interview mit ZDFheute live analysiert Marcel Röthig, Leiter des Regionalbüros Südkaukasus der Friedrich-Ebert-Stiftung, die Machtsituation in Georgien und gibt eine Prognose zur Wahl ab.
Sehen Sie oben das Interview in voller Länge oder lesen sie es hier in Auszügen. Das sagt Marcel Röthig...
... zum Einfluss Russlands in Georgien
Russland habe "eher einen unterschwelligen Einfluss" in Georgien. Der einflussreiche Gründer der Regierungspartei "Georgischer Traum", Bidsina Iwanischvili, sei ein "Oligarch der alten Schule". "Er hat in den 90er Jahren sein Vermögen in Russland gemacht" und habe noch "alte Freundschaften" in Russland.
Röthig weist jedoch darauf hin, dass Russland mit Südossetien und Abchasien bereits Teile Georgiens besetzt und daher sei "die Zustimmung in der Bevölkerung für Russland nicht hoch." Russlands Einfluss in Georgien sei nicht vergleichbar mit der Situation in Moldau oder in der Ukraine vor 2014.
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Die wirtschaftliche Abhängigkeit Georgiens von Russland sei jedoch "ganz offenkundig", so der Experte. Als kleines Land lebe Georgien "vor allen Dingen von Landwirtschaft und Tourismus und da ist der russische Markt ganz zentral." Russland habe die Möglichkeit, ein Embargo gegen Produkte wie georgischen Wein auszusprechen und habe davon in der Vergangenheit bereits Gebrauch gemacht.
... dazu, wie fair die Wahlen wohl sein werden
In Georgien gebe es "keine offene prorussische Partei". Auch die Zustimmung zur Europäischen Union sei in Georgien "viel höher", sagt Röthig.
Es werde jedoch Druck auf georgische Staatsbedienstete ausgeübt, "dass sie ihr Kreuz an der richtigen Stelle machen. Das sei auch Wahlbeobachtungsorganisationen bekannt. "Die Frage ist, ob das am Ende den Unterschied machen kann", so Röthig.
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... zu Georgiens Chance auf einen EU-Beitritt
Die EU sei heute schon Georgiens wichtigster Finanzgeber. Der "Georgische Traum" habe zwar den EU-Beitritt als Ziel in die georgische Verfassung geschrieben, allerdings "vor Russlands-Invasion in der Ukraine". Seitdem haben erst die Ukraine und Moldau und "einige Zeit später" dann Georgien ihre Beitrittskandidatenanträge gestellt. "Ende des letzten Jahres hat auch Georgien den Beitrittskandidatenstatus bekommen."
Eine Frage sei auch, ob die EU überhaupt aufnahmefähig sei "in der jetzigen Zeit". Zudem weist Röthig darauf hin, dass fünf Westbalkan-Länder viel länger auf den EU-Beitritt warten. Der "Georgische Traum" sei sich auch bewusst, dass der EU-Beitritt Georgiens "ein langer, schwieriger Weg ist" und "es völlig unklar ist, ob der am Ende auch zum Erfolg führt.
Die georgische Regierung habe sich dazu entschieden auf Zeit zu spielen und es sich auch "mit Russland nicht zu verscherzen". Röthig schätzt, dass der "Georgische Traum" abwarten möchte, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht um je nachdem "auf der richtigen Seite der Geschichte" zu stehen.
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... zum möglichen Ausgang der Wahl
"Ich gehe davon aus, dass der 'Georgische Traum' stärkste Partei wird." Die Frage sei, ob vier Oppositionsparteien gemeinsam auf mehr Stimmen kommen können, so Röthig.
Es sei zudem fraglich, ob Iwanischvili, der Parteigründer der Regierungspartei, eine Wahlniederlage anerkennen würde oder ob dann eine Hängepartie mit Massenprotesten droht, sagt Röthig und schließt auch eine mögliche Wahlfälschung nicht aus.
Aber selbst wenn die vier Oppositionsparteien die Wahl gewinnen würden, sei es nicht klar, wie es weitergeht, da Georgien bisher "keine Erfahrung mit Koalitionsregierungen" gemacht hat, sagt Röthig. Aufgrund des zweistelligen Wirtschaftswachstums und der eher strukturell konservativen Gesellschaft sei auch ein erneuter Wahlsieg der Regierungspartei realistisch.
Das Interview führte Alica Jung. Zusammengefasst hat es Benno Krieger.
Quelle: ZDF
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