SOTEU-Rede: Von der Leyen - die Nicht-Spitzenkandidatin
Vor "Rede zur Lage der EU":Von der Leyen - die Nicht-Spitzenkandidatin
von Florian Neuhann, Straßburg
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Am Mittwoch hält Ursula von der Leyen die jährliche große "Rede zur Lage der Union". Es ist ihre - vorerst - letzte. Die größte Frage wird sie wohl offenlassen.
Am Mittwoch hält EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre vorerst letzte "Rede zur Lage der Union". (Archivbild)
Quelle: AP
Ein beliebter Witz in EU-Kreisen geht gerade so:
Wann erklärt Ursula von der Leyen, die EU-Kommissionspräsidentin, dass sie zur Europawahl wieder antritt? Antwort: "Diesmal hoffentlich vor der Wahl."
Die Nicht-Spitzenkandidatin, die Kommissionspräsidentin wurde
Der Witz spielt an auf zweierlei. Einerseits auf die letzte Europawahl - damals stand von der Leyens Name auf keinem Wahlzettel, trotzdem wurde sie über Nacht von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aufs Podest gehievt.
Andererseits ist da schon in weniger als neun Monaten die nächste Europawahl. Fragen, ob sie wieder antritt, lässt von der Leyen bisher abperlen - falls, angesichts rar gesäter Pressekonferenzen, überhaupt die Chance auf eine Frage besteht.
Und so wird, wenn Ursula von der Leyen am Mittwoch ab 9 Uhr im Straßburger EU-Parlament die jährliche Rede zur Lage der Europäischen Union hält, sich die Aufmerksamkeit auch darauf richten: lässt sie Pläne für eine nächste Amtszeit durchscheinen?
Quelle: Amelie Richter/dpa
Die "State of the European Union"-Rede, oder "SOTEU", wie sie in Brüssel heißt, ist ein jährliches Ritual. Am Mittwoch hält EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre vorerst letzte "Rede zur Lage der Union".
Sehen Sie ihre Rede am Mittwoch ab 9 Uhr live auf ZDFheute.
Von der Leyen machte aus dem Amt eine Machtzentrale
Es gibt, selbstverständlich, Kritik aus vielen Ecken an von der Leyen: Konservative sind enttäuscht, dass die CDU-Politikerin mit ihrem "Green Deal" eher grüne Politik durchsetzt.
Andere fürchten, dass von der Leyen mit ihrem Einsatz für eine schnelle EU-Beitrittsperspektive der Ukraine bloß falsche Hoffnungen weckt. Schließlich gibt es berechtigte Fragen zu Impfstoffverträgen, die von der Leyen per SMS mit dem Chef der Pharmafirma Pfizer ausmachte.
Was aber alle anerkennen: dass von der Leyen aus dem Amt der Kommissionspräsidentin eine echte Machtzentrale machte.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine waren es von der Leyen und ihre Leute - nicht die Mitgliedstaaten -, die international mit den USA die Sanktionen gegen Russland absprachen.
Und in der Klimakrise ist es von der Leyen, die an ihrem "Green Deal" trotz mancher Blessuren unbeirrt festhielt - also an dem riesigen Bündel an Maßnahmen, mit deren Hilfe die EU bis 2050 klimaneutral werden will.
Mit dem Green Deal will die EU bis 2050 klimaneutral werden. Trotz des Krieges in der Ukraine wird an dem Ziel festgehalten - eine Herausforderung für Wirtschaft und Verbraucher.02.05.2023 | 1:40 min
Eine Meisterin der Ankündigungen
Sicher, nicht alles, was von der Leyen in ihrer Amtszeit anstieß, wurde etwas. Wie schon zu ihrer Zeit als Ministerin in Berlin erwies sich von der Leyen auch in Brüssel als eine Meisterin der Inszenierung. Die den pathetischen Auftritt sucht - aber die Mühen der Ebene scheut.
Über Monate sprach von der Leyen etwa von ihrer Idee eines "europäischen Souveränitätsfonds" als EU-Antwort auf das US-amerikanische Subventionsprogramm des "Inflation Reduction Act". Doch Antworten auf Fragen zur Finanzierung blieb sie schuldig. Am Ende verschwand der Plan heimlich in den Schubladen der Kommission.
Ursula von der Leyen hat Ende 2019 das Amt der EU-Kommissionspräsidentschaft übernommen. Im Juli 2024 wurde sie wieder gewählt Aktuelle News und Hintergründe zur CDU-Politikerin.
Auf der Habenseite aber steht, dass Ursula von der Leyen eine Antwort lieferte auf die Frage, die der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger einst gestellt haben soll: "Wen rufe ich an, wenn ich Europa anrufen will?"
US-Präsident Joe Biden zumindest hat die Nummer von Ursula von der Leyen. Und nach allem, was man weiß, nutzt er sie auch regelmäßig.
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Scheut sie den Wahlkampf?
Die Frage ist, ob sie diese Arbeit jetzt weiter fortführen will. Wenn sie will, ist ihr die Nominierung der konservativen EVP sicher. Das Problem: für eine Mehrheit im Parlament könnten die Konservativen auf Stimmen aus dem rechtspopulistischen Lager angewiesen sein.
Und: Sollte von der Leyen antreten, wäre es für sie eine Premiere. Jeden Job, den die 64-Jährige bisher hatte, bekam sie auf dem Serviertablett. Einem echten Wahlkampf hat sie sich nie stellen müssen.
Und so glauben manche, dass die kontrollsüchtige von der Leyen diesen Schritt scheut. Aber auch das ist nur Spekulation.
Am Mittwoch bleibt die Frage wohl offen
Ziemlich sicher ist nur so viel: an diesem Mittwoch wird von der Leyen sich nicht erklären.
Es wäre zu früh, den Wahlkampf jetzt schon einzuläuten. Aber zu lange darf sie ihre Parteifreunde auch nicht mehr warten lassen.
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