EU-Gipfel zu Verteidigung:Friedenssicherung durch Aufrüstung
von Isabelle Schaefers
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800 Milliarden, mehr Rüstungsproduktion und bessere Koordinierung: Europa soll verteidigungsfähig werden. Die Pläne werden beim EU-Gipfel in Brüssel diskutiert.
Die Stärkung der europäischen Verteidigung und Hilfen für die Ukraine, vor allem darum geht es auf dem EU-Gipfel in Brüssel, aber auch um Wettbewerbsfähigkeit und Nahost.20.03.2025 | 1:19 min
Die EU hat seit letztem Jahr einen Verteidigungskommissar in Brüssel. Ein neuer Posten, der zeigt, dass Europa neue Prioritäten setzen will und muss. Andrius Kubilius kommt aus Litauen und stellte am Mittwoch das Weißbuch für Verteidigung vor. Er machte klar, dass Europa lange nicht seine Fähigkeiten ausschöpfe:
450 Millionen Europäer sollten nicht auf den Schutz von 340 Millionen Amerikanern angewiesen sein, um sich gegen 140 Millionen Russen zu verteidigen, die 38 Millionen Ukrainer nicht besiegen können. Das können wir besser.
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Andrius Kubilius, EU-Kommissar
Beim EU-Gipfel geht es um die europäische Verteidigung und ganz besonders um ihre Finanzierung. Wie realistisch konkrete Beschlüsse dazu sind, berichtet ZDF-Korrespondent Ulf Röller.20.03.2025 | 1:16 min
Fähigkeitslücken schließen
Doch es fehlt Europa mehr als nur das nötige Selbstverständnis. Europa hat keine gemeinsame Armee, Waffensysteme passen oft nicht zusammen. Und bei vielem verlässt Europa sich bisher komplett auf die USA. Um unabhängiger zu werden, fehlen unter anderem klassische Waffen und Munition, Raketenabwehr, Drohnen und digitale Aufklärung.
über die Verteidigung Europas und der Ukraine gegen Russland. „Sicherheit muss man durch militärische Mittel garantieren“, so Luxemburgs Premierminister Luc Frieden.20.03.2025 | 5:24 min
Deshalb will die Kommission bis 2030 die Rüstungsbeschaffung massiv ausweiten, mehr einheitliche europäische Waffensysteme herstellen, mehr in Cybersicherheit und neue Technologien investieren. Und die Infrastruktur ausbauen. Außerdem soll die europäische Rüstungsindustrie gestärkt werden.
Um Europas Wirtschaft gleichzeitig zu stärken und Europa von Importen unabhängiger zu machen, sollen Produkte aus Europa bevorzugt gekauft werden. Doch in welchem Ausmaß, darüber gibt es Diskussionen. Länder wie Frankreich wollen Waffen nur noch in Europa kaufen. Andere bezweifeln, dass das reicht.
Ein zentrales Thema beim EU-Gipfel ist der Ukraine-Krieg und die Frage, wie Europa in Sachen Verteidigung unabhängiger von den USA werden kann. „Viktor Orban blockiert weitere Unterstützung für die Ukraine“, so ZDF-Korrespondentin Lara Wiedeking. 20.03.2025 | 2:18 min
"Hier wird es in der Europäischen Union noch viele Diskussionen geben, wie man mit Lieferanten wie Südkorea oder Australien umgehen wird. Denn das sind auch befreundete Staaten und viele europäische Staaten kaufen dort nach wie vor",so Verteidigungsexperte Gustav Gressel.
Geld wird woanders fehlen
800 Milliarden Euro will die EU-Kommission für Europas Verteidigung mobilisieren. Dabei handelt es sich vor allem um Schulden - aber keine gemeinsamen europäischen. Die Mittel müssten von den Nationalstaaten aufgebracht werden - und würde so an anderer Stelle fehlen. Besonders finanzschwache Länder können und wollen möglicherweise gar nicht so viel aufbringen, wie von der EU-Kommission eingerechnet.
Das VW-Werk in Osnabrück ist von der Schließung bedroht, der Rüstungskonzern Rheinmetall findet es für die Militärproduktion geeignet. Bei den VW-Mitarbeitern gibt es Vorbehalte.19.03.2025 | 2:52 min
"Umso näher ein Land an der Ukraine ist, umso höher ist auch die Bereitschaft, die Ukraine zu unterstützen und die eigenen Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Das sehen wir in den baltischen Staaten, Polen oder auch Skandinavien, wo die Ängste wesentlich stärker empfunden werden. In anderen Mitgliedstaaten, wie beispielsweise in Italien oder in Spanien, ist der Druck weniger groß", so Janis Emmanouilidis vom European Policy Centre (EPC).
Gesellschaft mitnehmen
Gegen das große Ganze gibt es kaum Widerstand. Zu klar steht die Notwendigkeit im Raum, Europas Verteidigung endlich anzugehen. Die Ambitionen seien militärisch notwendig, aber man müsse auch die Gesellschaft darauf vorbereiten.
Das neue Weißbuch zur Verteidigungsstrategie der EU-Kommission soll erstmals die engere militärische Zusammenarbeit beschreiben und die EU unabhängiger und sicherer machen.19.03.2025 | 2:07 min
"Wehrbereitschaft und die Notwendigkeit, unsere demokratische Grundordnung zu verteidigen, sind eigentlich Lebensnotwendigkeiten. Das heißt, es geht auch um eine mentale Umstellung, abgesehen von allen materiellen, infrastrukturellen und finanziellen Voraussetzungen", so der Vorsitzende des EU-Militärausschusses General Robert Brieger.
Ziel: Umsetzung bis 2030
Bis 2030 sollen die Pläne umgesetzt werden. "Bis 2030 können wir zumindest so weit sein, dass wir sehr weit autonom verteidigungsfähig sind und dass das Risiko eines regionalen Akteurs wie Russland eigenständig oder ohne direkte chinesische Unterstützung in Europa anzugreifen, mit sehr hohem Risiko belastet ist",so Gustav Gressel.
Da können wir hinkommen, wenn wir uns wirklich anstrengen.
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Gustav Gressel, Militärexperte
Europa muss sich neu aufstellen, wenn es um Verteidigungsfragen geht. 18.03.2025 | 2:13 min
Aber bis Europa tatsächlich bereit wäre, sich alleine in einem Krieg zu verteidigen, wird es laut Einschätzung von Experten länger dauern. Das Ziel Europas ist es aber auch, den USA zu zeigen, dass mehr getan wird für die Verteidigung - und so den Nato-Partner bei der Stange zu halten. Denn die Abschreckung in der Nato bleibt die beste Verteidigung.
Ukraine nicht vergessen
Der Krieg in der Ukraine hat Europas Verletzlichkeit besonders hervorgehoben. Das Land gehöre zu Europa und müsse deshalb auch Teil der neuen Verteidigungsstrategie sein, so die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas: "Wir können viel von den Erfahrungen der Ukraine auf dem Schlachtfeld lernen."
Wir sollten auch in der Lage sein, Verteidigungssysteme für die Ukraine, aber auch mit der Ukraine zu entwickeln.
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Kaja Kallas, EU-Außenbeauftragte
Aber konkrete und schnelle neue Militärhilfe bringt das der Ukraine noch nicht. Die wird weiter diskutiert - beim EU-Gipfel. Europa müsse bereit sein für den Krieg - um so den Krieg zu vermeiden. So die Logik hinter den Aufrüstungsplänen. Die Hoffnung ist, dass zumindest der Wille Europas, mehr zu tun von Partnern und möglichen Feinden erkannt wird.
Startups treiben Innovationen in der Rüstungsbranche voran. Sie entwickeln neue Technologien, die für die europäische Verteidigungsfähigkeit entscheidend sein könnten.19.03.2025 | 3:11 min