Beim informellen
EU-Gipfel im spanischen Granada droht am heutigen Freitag erneut Streit über die gemeinsame Migrationspolitik. Bis zum Donnerstagabend war unklar, ob Länder wie Polen und Ungarn bereit sind, eine geplante gemeinsame Erklärung zum Thema mitzutragen.
Grund ist nach Angaben von Diplomaten vor allem, dass die derzeitigen Pläne für eine Reform des europäischen Asylsystems eine Pflicht zur Solidarität vorsehen. Stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland soll demnach künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen werden.
Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Beim Juni-Gipfel hatten Spitzengespräche zum Thema Migration wegen dieses Streits ergebnislos und ohne Erklärung geendet.
Ungarn und Polen wollen bei Massenzustrom von Schutzstandards abweichen
Ungarn und Polen halten zudem auch die am Mittwoch vereinbarten Pläne für einen Krisenmechanismus innerhalb des EU-Asylsystems für unzureichend. Sie wollen bei einem Massenzustrom von Migranten weitreichend von normalen Schutzstandards für diese Menschen abweichen können.
Meloni hatte sich in einem Brief an Scholz kürzlich über deutsche Finanzhilfen für Nichtregierungsorganisationen beschwert, die
Bootsmigranten aus dem Mittelmeer retten, um sie dann in Italien an Land zu bringen. Die Bundesregierung verweist bislang darauf, dass die Hilfe bereits vom Bundestag genehmigt wurde und nicht mehr rückgängig zu machen sei.
Wie bleibt die EU handlungsfähig, wenn sie wächst?
Auch eine Debatte über Reformen vor einer möglichen Erweiterung der
Europäischen Union steht auf der Tagesordnung. Knackpunkt ist dabei, wie die Union handlungsfähig bleiben kann, auch wenn sie deutlich größer werden sollte.
Im Dezember soll entschieden werden, ob mit der von
Russland angegriffenen Ukraine und Moldau Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden und ob Georgien den Status des Beitrittskandidaten bekommt.
Ein
Beitritt der Ukraine gilt als kniffelig, etwa weil das kriegsgeplagte Land vergleichsweise groß ist und vermutlich auf nicht absehbare Zeit Zuschüsse erhalten müsste. Zudem würde die riesige Landwirtschaft eine umfangreiche Reform der EU-Agrarförderungen notwendig machen.
Berlin und Paris für teilweise Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip
Frankreich und Deutschland warben zuletzt für Reformen, die den Weg für eine größere Union ebnen könnten. Demnach soll zum Beispiel das in manchen Politikbereichen übliche Einstimmigkeitsprinzip aufgeweicht werden, um die Blockade von Beschlüssen durch Vetos unwahrscheinlicher zu machen.
Außerdem könnten neue Einnahmequellen für den EU-Haushalt erschlossen und die Möglichkeit von Mittelkürzungen bei Verstößen gegen EU-Standards ausgeweitet werden. Mit einer schnellen Einigung rechnet derzeit allerdings niemand. Dazu liegen die Vorstellungen bislang noch zu weit auseinander.
Beitrittsverhandlungen führte die EU zuletzt mit den Balkanstaaten Montenegro, Albanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien. Zudem sind neben der Ukraine auch noch das Kosovo sowie Moldau, Georgien und die Türkei Bewerberländer. Mit der
Türkei gab es bereits lange Beitrittsverhandlungen, sie liegen allerdings seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Defizite auf Eis.
Treffen von Armenien und Aserbaidschan? Geplatzt. Beschlüsse? Fehlanzeige. Immerhin: Selenskyj nimmt ein Versprechen mit nach Hause. Ein Gipfel mit überschaubaren Ergebnissen.
von Klaus Brodbeck
Quelle: dpa