"Dürftig" und "Beleidigung": Scharfe Kritik an Klimabeschluss
Beschluss sei eine "Beleidigung":COP29: Entwicklungsländer entsetzt und wütend
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Nach zähen Verhandlungen gibt es eine Einigung auf der Klimakonferenz in Baku. Doch vor allem Entwicklungsländer kritisieren den Beschluss. Die vereinbarten Hilfen seien zu klein.
Etliche Länder fühlten sich übergangen und beklagten, Wortmeldungen seien ignoriert worden.
Quelle: AP
Nach dem Kompromiss auf der Weltklimakonferenz im Streit über Klimahilfen in Billionenhöhe haben mehrere Länder im Plenum ihrer Empörung freien Lauf gelassen. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden US-Dollar, die vor allem Industriestaaten jährlich bis 2035 aufbringen sollen, als "Witz" und "Beleidigung".
Auch Vertreter weiterer Entwicklungsländer kritisierten den Beschluss scharf. Die indische Unterhändlerin Chandni Raina erhob schwere Vorwürfe. Sie warf dem Präsidenten der COP29, Muchtar Babajew, vor, eine indische Wortmeldung ignoriert zu haben. Die in dem Beschluss genannte Summe sei "abgründig klein" und "dürftig".
Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise allein gelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle. Die Industriestaaten hätten eine historische Verantwortung für die Erderwärmung. Klimahilfen seien daher keine Wohltaten, "sondern eine rechtliche Verpflichtung".
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Greenpeace: Nach Baku klafft eine beschämend weite Lücke
Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser urteilte nach dem Kompromiss: "Zwischen der zugesagten Unterstützung für die verletzlichsten Länder und deren dringenden Bedarfen klafft nach Baku eine beschämend weite Lücke." Auch Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam kritisierte:
Von einem "Minimalkonsens" sprach Sabine Minninger von Brot für die Welt. Um ein Scheitern der Konferenz zu verhindern, hätten die verletzlichsten Staaten "ein Ergebnis mitgetragen, das ihren Bedürfnissen überhaupt nicht gerecht wird".
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Baerbock: Neues Kapitel der Klimafinanzierung
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte dagegen den Beschluss. Es breche eine "neue Ära in der Klimafinanzierung an" und die EU werde weiterhin eine Führungsrolle übernehmen, versprach der Niederländer. Die neuen Ziele seien ehrgeizig, aber auch realistisch.
Vom Einstieg in ein neues Kapitel der Klimafinanzierung sprach auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Der Kritik der Entwicklungsländer entgegnete sie, es gebe nun zumindest "einen Startpunkt".
Gleichwohl räumte sie ein, man wisse, dass die "heutigen Entscheidungen allein nicht ausreichen, um alle Bedürfnisse zu erfüllen". Aus diesem Grund habe man sich für die "Vision eingesetzt, die Finanzierung für Entwicklungsländer auf 1,3 Billionen US-Dollar aufzustocken". Sie versicherte, Deutschland werde "liefern".
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UN: "Verlassen Baku mit einem Haufen Arbeit"
UN-Klimasekretär Simon Stiell räumte ein, der Beschluss sei kein Grund für Siegesfeiern. "Kein Land hat alles bekommen, was sie wollten, und wir verlassen Baku mit einem Haufen Arbeit, die noch erledigt werden muss", sagte er.
Generalsekretär António Guterres lobte den Beschluss, forderte aber auch, dass das Geld nun schnell fließen müsse. Die Versprechen gehörten "vollständig und fristgerecht" eingelöst, verlangte er.
Einschätzung von ZDF-Umweltreporter Andreas Stamm zu den Beschlüssen:
Quelle: ZDF
"Es klingt auf den ersten Blick nach einer großen Summe, vom bisherigen Ziel 100 auf 300 Milliarden Dollar jährlich. Doch ein zweiter Blick verrät: Es ist kein wirklicher Erfolg. Denn der Betrag muss erst bis 2035 erreicht werden. Bedenkt man, dass das alte Ziel schon 2009 formuliert wurde, ist das fast nicht mal der Inflationsausgleich. Der Mindestbedarf aus den Expertenrunden, 1,3 Billionen Dollar jährlich, wird zumindest im Schlussdokument anerkannt, aber dafür kann sich niemand was kaufen. Dabei trifft die Intensität der Klimakrise gerade den globalen Süden mit immer mehr Wucht.
Auch für die Industrieländer ist das Ergebnis nur auf den ersten Blick ein Erfolg - denn spätestens bis nächstes Jahr müssen die rund 200 Vertragsstaaten neue Klimaschutzpläne vorlegen. Und die Lücke, die die USA hinterlassen werden, wenn Donald Trump - wie zu erwarten - die Zahlungen seines Landes stoppen wird, muss auch noch gefüllt werden. 'Wie soll das nun gelingen?', hört man aus den Delegationen des globalen Südens. Der Kampf gegen den Klimawandel hat in Baku nicht gewonnen. Alles schaut nun auf die nächste COP in Brasilien im kommenden Jahr. Der Prozess geht weiter, genauso wie die Klimakrise. Kommt Zeit, kommt Rat, heißt es. Es fehlt eben immer mehr die Zeit."
Kritik bleibt ohne Auswirkungen
De facto hat das die Kritik der Entwicklungsstaaten keine Auswirkungen mehr, der Beschluss gilt. Die Äußerungen werden eher als Notiz zu Protokoll gegeben. Der aserbaidschanische Gipfelausrichter hatte den entscheidenden Text zuvor schnell mit dem üblichen Hammerschlag besiegelt. Etliche Staaten fühlten sich übergangen und beklagten den Umgang mit ihren Vertretern.
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