Brexit durch Populismus: Großbritannien nach dem EU-Austritt
Großbritannien nach EU-Austritt:Wie Populismus zum Brexit führte
von Narîn Şevîn Doğan
|
Vor vier Jahren, am 31. Januar 2020, ist Großbritannien aus der EU ausgetreten. Populismus hat die Briten von dieser Idee überzeugt - mit diesen drei Strategien.
Mit Lügen, Feindbildern und radikalen Ideen haben die Populisten die Briten vom Brexit überzeugt. Vier Jahre später ist die Bilanz in Großbritannien düster und das Volk gespalten. 30.01.2024 | 12:33 min
Für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union stimmten die Britinnen und Briten am 23. Juni 2016 mit rund 52 Prozent der Stimmen. Zuvor hatten populistische Kräfte erfolgreich Wahlkampf gegen den Verbleib in der EU geführt. Nachdem der damalige Premierminister David Cameron das Referendum versprochen hatte, nutzten Rechtspopulist*innen die Gelegenheit, um Wut und Polarisierung zu verbreiten.
Dabei an vorderster Front: Nigel Farage, damals noch Vorsitzender der rechtspopulistischen UK Independence Party (UKIP), und der spätere Premierminister Boris Johnson. Den Brexit erreichten sie mit drei populistischen Strategien.
Einen Feind erfinden
Die erste populistische Strategie, die zum Brexit führte: Erfinde einen Feind. Der Gegner der Brexiteers: die EU.
Vier Jahre nach dem Brexit fällt die Bilanz der britischen Wirtschaft nüchtern aus. Viele Briten befürchten weitere Handelseinschränkungen und halten den Brexit für einen Fehler.31.01.2024 | 1:33 min
Im Sommer 2016, kurz vor dem Referendum, machte Nigel Farage Kampagne auf der Themse. Er forderte, dass Großbritannien die Kontrolle über seine Gewässer zurückholen müsse. Er appellierte an das britische Nationalgefühl. Es galt das kulinarische Nationalheiligtum, Fish & Chips, vor der EU zu schützen - so das Bild, das er damals zeichnete.
Was Farage den Wähler*innen aber vorenthielt: Schon seit den 70er Jahren hatten britische Regierungen erlaubt, dass etwa die Hälfte der Fangquoten an ausländische Flotten verkauft wurden. Der Abstieg der britischen Fischindustrie hatte also schon lange begonnen, bevor europäische Regeln in Großbritannien galten.
Der Fischfang als zentraler Teil der Pro-Brexit-Kampagne, obwohl er weniger als 0,1 Prozent der britischen Wirtschaft ausmachte: Es ging wohl weniger um den Fisch, als um Finanzmarktregeln der EU, die die Brexiteers loswerden wollten.
Vor vier Jahren, am 31. Januar 2020, ist Großbritannien aus der EU ausgetreten. Populismus hat die Briten von dieser Idee überzeugt - mit diesen drei Strategien.31.01.2024 | 12:33 min
Per Lüge zum EU-Austritt
Um Wähler*innen vom Brexit zu überzeugen, kam eine zweite populistische Strategie zur Anwendung: Lügen lohnt sich.
"Wir senden jede Woche 350 Millionen britische Pfund nach Brüssel - lasst uns stattdessen damit den NHS ausstatten" stand damals groß auf einem roten Vote-Leave-Bus. In diesem fuhren die Anführer*innen der Pro-Brexit-Kampagne durch das Land und warben für einen EU-Austritt. Tatsächlich zahlte Großbritannien nach Abzug des sogenannten "Briten-Rabatts" und aller EU-Subventionen nur rund 160 Millionen Pfund pro Woche an die EU.
Der Brexit und seine Folgen
Der englische Gesundheitsdienst NHS ist auch nach dem Brexit unterfinanziert und überfordert. Es kommt kaum Pflegepersonal mehr aus Europa. Und immer wieder streikt das Krankenhauspersonal.
Seit vier Jahren hat Großbritannien die Europäische Union, und damit auch den EU-Binnenmarkt, verlassen. Inzwischen halten dort rund 60 Prozent den Brexit für einen Misserfolg.31.01.2024 | 1:42 min
Es wurden also falsche Fakten behauptet und wiederholt, allerdings nur bis sie ihren Zweck erfüllt haben.
Die Deutsche Botschaft schlägt Alarm: Der Studentenaustausch zwischen Deutschland und Großbritannien ist nach dem Brexit eingebrochen.19.01.2024 | 2:13 min
Immer radikalere, populistische Parolen
Seit dem Brexit hat sich die Rhetorik weiter verschärft, ganz im Sinne einer dritten populistischen Strategie: "Werde immer radikaler!"
Schon im Zuge der Brexit-Kampagne wurde Hass geschürt gegen Geflüchtete. Sie kämen über die Südgrenzen der EU bis nach Großbritannien. Heute haben sich diese Ansichten weiter radikalisiert. Die Regierung will Geflüchtete nach Ruanda abschieben. Ein Plan, den Gerichte für menschenrechtswidrig halten.
Die Logik des Brexits scheint also bis heute zu funktionieren. Und zeigt, wie ein Land durch populistische Parolen in eine Falle gerät. Der Brexit lässt sich nicht rückgängig machen, aber so richtig glücklich, scheint er nicht mal seine Anhänger*innen zu machen.
Im Kampf gegen illegale Migration hat das britische Parlament dem umstrittenen Asyl-Gesetz von Premierminister Rishi Sunak zugestimmt. Es sieht Abschiebungen nach Ruanda vor.13.12.2023 | 0:23 min