Brasilien sperrt X: Was das mit Donald Trump zu tun hat

    Analyse

    Hartes Vorgehen der Justiz:Brasilien sperrt X: Was das mit Trump zu tun hat

    von Christoph Röckerath, Rio de Janeiro
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    In Brasilien hat ein Richter die Sperrung der Online-Plattform X angeordnet. Dafür gibt es offizielle Gründe. In Wahrheit aber geht es um einen viel grundlegenderen Konflikt.

    Auf dem offiziellen Profil der Plattform X auf dem Bildschirm eines Smartphones und auf dem Display eines Laptops ist der weiße Buchstabe X auf schwarzem Hintergrund zu sehen.
    In Brasilien wurde die Online-Plattform X gesperrt. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    In Brasilien hat ein Richter am Obersten Gerichtshof die Sperrung des Online-Dienstes X angeordnet. Die Plattform von Elon Musk muss demnach nun aus den App Stores entfernt und der Zugang zur Website und App in Brasilien blockiert werden. Was steckt hinter der Entscheidung?

    Offizielle Gründe für die Sperrung

    Formal wurde die Sperrung angeordnet, weil laut brasilianischen Gesetzen jeder Betreiber eines sozialen Netzwerkes einen offiziellen Ansprechpartner in Brasilien haben muss. Musk hatte das X-Büro schließen lassen, die Mitarbeiter entlassen und war der Aufforderung, einen Ersatz bereitzustellen, nicht fristgerecht nachgekommen.
    Der Richter Alexandre de Moraes hatte von X zudem die Sperrung von Konten rechtsgerichteter Aktivisten gefordert, die Verschwörungstheorien und Falschinformationen verbreiteten. Musk bezeichnete die Forderung als gesetzwidrig, die Online-Plattform kam der Aufforderung nicht nach - und zahlte auch die verhängte Geldstrafe nicht.
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    Brasiliens Verteidigung gegen Wahllügen

    In Wahrheit aber geht es um einen viel grundlegenderen Konflikt, in dem sich die gegenwärtige Regierung von Präsident Lula und der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs Moraes einer aus ihrer Sicht existenziellen Bedrohung gegenüber sehen: der gezielten Untergrabung der noch jungen brasilianischen Demokratie.
    Diese wäre ohne den ehemaligen Präsidenten Bolsonaro und indirekt auch ohne Ex-US-Präsident Donald Trump so nicht denkbar gewesen: Das Märchen von der gestohlenen Wahl, das das Vertrauen in das brasilianische Wahlsystem und damit in die Demokratie in ihren Grundfesten erschüttern könnte.
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    Bolsonaro nahm sich Trump zum Vorbild

    Die von Trump nach der Wahl 2020 in vielen Köpfen erfolgreich eingepflanzte Lüge vom angeblichen Wahlbetrug hat auch in Brasilien für viel Aufsehen gesorgt. Der damalige Präsident Jair Bolsonaro, der Trump als sein Vorbild ansah, nahm sich diese zum Vorbild und setzte im Vorfeld seiner drohenden Niederlage bei der Wahl im Oktober 2022 ebenfalls ohne jeden Beleg und beeindruckend plump Gerüchte in die Welt, seine Niederlage könne nur Manipulation als Ursache haben.
    Nach dem Sieg Lulas, wochenlangen Protesten von Bolsonaro-Anhängern, ergebnislosen "Ermittlungen" des Militärs und einem Sturm von Bolsonaro-Anhängern auf die Hauptstadt Brasilia, verschärfte die Regierung die Gesetze gegen derartige Desinformation und griff teils hart gegen Personen durch, die derartige Lügen verbreiten. Bolsonaro selbst wurde mit einem Amtsverbot belegt.
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    Brasilien schaffte, was den USA bis heute nicht gelungen ist

    Für Brasilien gilt also: Was den Institutionen der USA bis heute nicht gelungen ist, den vielleicht größten internen Angriff auf die Demokratie und das Wahlsystem erfolgreich zu bekämpfen, hat Brasilien bisher geschafft: Bolsonaro wurde mit einem Amtsverbot belegt. Wer die Lüge der angeblich gestohlenen Wahl verbreitet, muss mit Strafen rechnen.
    Um dies dauerhaft durchzusetzen, setzt Brasilien aber nicht nur auf die Härte der Justiz, sondern auch auf Einsicht der Betreiber sozialer Netzwerke. Im Juni 2024 unterzeichneten Vertreter des Obersten Gerichtshofs und der Betreiber Google, Youtube, Meta, TikTok, Kwai und Microsoft eine Vereinbarung, gemeinsam gegen die Verbreitung von Desinformation vorzugehen.

    Großteil bezieht Informationen nur aus Sozialen Medien

    Dies erscheint besonders wichtig in einem Land, in dem ein Großteil der Bevölkerung seine Informationen ausschließlich aus den Sozialen Netzwerken bezieht, weil es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt und seriöse private Anbieter hinter Paywalls operieren.
    Dies erklärt die Vehemenz und Dringlichkeit, mit der die Regierung versucht, gegen Desinformation vorzugehen. X hat sich an dieser Vereinbarung nicht beteiligt. Die Eskalation schien nur eine Frage der Zeit.
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    Kritiker sprechen von Zensur

    Doch es gibt auch Kritik an diesen Maßnahmen. In wenigen demokratischen Ländern dürfte eine einzelne, nicht gewählte Person so viel Macht haben wie der Richter des Obersten Gerichtshofes Alexandre de Moraes, der 2017 vom damaligen Präsidenten Michel Temer ernannt wurde.
    Kritiker werfen ihm Zensur, Willkür und eine diktatorische Machtfülle vor. Moraes kann Verhaftungen, Razzien und selbstständig die Blockade von Online-Inhalten anordnen, die gegen bestehende Gesetze verstoßen. Dazu hatte ihm das Oberste Wahlgericht im Oktober 2022, im Umfeld der Wahl, weitreichende Befugnisse erteilt.
    Christoph Röckerath ist Südamerika-Korrespondent und Leiter des ZDF-Studios Rio de Janeiro.
    Mit Material von dpa.

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    Quelle: ZDF

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