Israel: Warum die Bodenoffensive ausblieb - Experte erklärt
Interview
Einschätzung von Militärexperte:Warum die Bodenoffensive bislang ausblieb
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Nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas hat die erwartete Bodenoffensive Israels noch nicht begonnen. Wann damit zu rechnen ist, erklärt Militärexperte Christian Mölling.
Das ganze Gespräch mit Christian Mölling im Video - oder die wichtigsten Aussagen nachfolgend zum Nachlesen. 16.10.2023 | 4:26 min
Bereits wenige Stunden nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel hatte die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu angekündigt, dass sie auch Bodentruppen Richtung Gazastreifen entsenden will, um die Terrorgruppe zu bekämpfen. Teile von Politik und Medien erwarteten die Bodenoffensive bereits am Wochenende. Diese blieb jedoch aus.
Während die vergangenen Tage immer wieder der bewölkte Himmel und die damit verbundene schlechtere Sicht für Soldaten, Drohnen und Piloten für das bisherige Ausbleiben der Truppenbewegung vermutet wurde, zeichnen sich mittlerweile andere Gründe ab.
Im ZDF Morgenmagazin schätzt Militärexperte Christian Mölling den Zeitpunkt eines möglichen Einmarschs ein und was für die israelische Armee den Einsatz so schwer macht.
Sehen Sie das komplette Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Christian Mölling zu ...
… einem möglichen Zeitpunkt für die Bodenoffensive Israels
"Ich glaube, die Uhr ist dazu nicht gestellt", sagt der Militärexperte. Hintergrund sei, dass Israel einer Verhandlungslösung noch mehr Zeit einräumen wolle. Wenn es nichts mehr zu verhandeln und auch keine Geiseln mehr zu befreien gebe, dann könnte möglicherweise die Bodenoffensive beginnen. Darüber hinaus wolle Israel versuchen, eine Lösung zu finden, in der so wenig Zivilisten wie möglich im Gazastreifen getroffen werden.
Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Das deutete auch Arye Sharuz Shalicar, Sprecher der israelischen Armee, am Sonntagabend in der ARD an. Er gab an, dass noch mehr palästinensische Zivilisten den Süden des Gazastreifens erreichen sollten, damit sie bei einer Bodenoffensive im Norden des Küstenstreifens nicht in Gefahr geraten.
Darüber hinaus sieht Mölling auch Druck aus den USA, dass Israel nicht sofort mit der Bodenoffensive beginnt. US-Präsident Joe Biden hatte in einem am Sonntag veröffentlichten Interview eventuelle Pläne Israels zu einer möglichen Besetzung des Gazastreifens als "großen Fehler" bezeichnet.
… was für die israelische Armee den Einsatz erschweren dürfte
Bei einer möglichen Bodenoffensive sieht Militärexperte Mölling einen deutlichen Heimvorteil für die Hamas-Terroristen im Gazastreifen. Die Hamas bewege sich "natürlich in ihrem Territorium, (...) wo sie jeden Winkel, jede Ecke kennt". Ein Territorium, das von der Fläche zwar klein, aber gerade in Ballungszentren extrem dicht besiedelt - und zudem von Tunnelsystemen durchzogen sei.
Da es sich bei der Hamas um keine Armee, sondern eine Terrorgruppe handele, sei für die israelischen Truppen nur schwer zu erkennen, wer Terrorist ist und wer Zivilist. Die Soldaten würden in eine Situation kommen, "in der sie zwischen Freund und Feind ganz, ganz schlecht - oder gar nicht unterscheiden können".
Verschärft werde die Situation dadurch, dass die Gruppierung Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutze und sich "einfach dahinter versteckt", betont Mölling. Alle - vor allem die Israelis - seien sich darüber im Klaren, "dass das eine sehr schwierige Operation werden wird", die nicht nur das Leben von Palästinensern und Hamas-Kämpfern fordern werde, sondern "vor allen Dingen israelische Leben", sagt der Experte.
Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
ZDFheute Infografik
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Während der Fokus derzeit vor allem auf der Region um den Gazastreifen liegt, ist auch die Lage an der israelischen Grenze zum Libanon angespannt.
Seit den Terrorattacken der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel und den Gegenschlägen der israelischen Armee auf den Gazastreifen kam es in den vergangenen Tagen regelmäßig zu Zwischenfällen an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon, die Sorgen vor einer weiteren Eskalation schüren. Im Südlibanon ist die pro-iranische Hisbollah-Miliz aktiv.
Quelle: picture alliance / AA
Radikal-islamische Terrorgruppe, 1987 während erster Intifada gegründet
Name ist Akronym für "islamische Widerstandsbewegung"
Ziel: Zerstörung Israels und Einrichtung eines islamischen Staats
besitzt keine demokratische Legitimierung und geht restriktiv gegen Bevölkerung vor
Quelle: dpa
radikale Schiiten-Miliz, dominiert mehrere schiitische Gebiete im Libanon
Ziel: Interessen der Schiiten durchsetzen, Kampf gegen Israel
fungiert als politische Partei und Terror-Miliz
ideologisch und politisch mit Iran verbunden, enge Koordination mit Hamas
Großteil militärischer Ausstattung stammt aus Iran
verfügt über großes Raketenarsenal, können vermutlich zehntausende Kämpfer mobilisieren
bereits mehrmals im Konflikt mit Israel, etwa im Libanon-Krieg 2006
in Deutschland als Terrororganisation eingestuft
Experten verweisen auf eine instabile Lage im Libanon: Hisbollah könnte sich Krieg mit Israel wohl auch finanziell nur schwer leisten.
Quelle: ZDF/Iranian Supreme Leaders Office
seit der Revolution 1979 eine schiitische Islamische Republik
Staatsoberhaupt: Ali Khamenei - dieser erklärte zuletzt abermals: Die Palästinenser und andere Kräfte würden "das Krebsgeschwür Israel bald schon auslöschen"
Iran sieht Israel als Erzfeind an und lehnt dessen Existenz ab
fördert und finanziert seit Jahrzehnten Terror-Gruppen in der gesamten Region
konkurriert mit Saudi-Arabien um Einfluss in der Region, ermöglicht durch Öl-Milliarden
ist klar gegen eine mögliche Aussöhnung und Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien, die sich zuletzt angedeutet hat. Könnte Hamas darum zu Großangriff auf Israel bewegt haben.
Quelle: Reuters, ZDF
Die Gefahr aus dem Norden sei nicht größer, sagt Mölling. Aber:
Das spiele auch bei den Überlegungen zur Bodenoffensive eine Rolle. Die Israelis müssten schauen, wie man "es hinkriegt, im Gazastreifen aktiv zu werden, ohne gleichzeitig viele andere Probleme im Norden - aber auch möglicherweise in den West-Banks" - zu schaffen.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.