Wie Belgien offen über Israel-Sanktionen diskutiert

    Deutschlands Nachbar übt Kritik:Belgien diskutiert über Israel-Sanktionen

    Florian Neuhann
    von Florian Neuhann
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    Die belgische Politik diskutiert offen über Sanktionen gegen Israel. Was ist da los? Über ein Land, das Israel hart kritisiert - und damit stellvertretend steht für viele andere.

    Manchmal, sagt Idit Rosenzweig-Abu, ist sie nur noch wütend. Neulich zum Beispiel, da hatte die israelische Botschafterin dem belgischen Parlament offiziell angeboten, einen Zusammenschnitt der Videos der Hamas-Terrorattacken zu zeigen - so wie in vielen anderen Ländern bereits geschen. Doch mehrere Parteien legten ihr Veto ein. "Wollen sie unser Leid hier wirklich nicht sehen?", fragt Rosenzweig-Abu.
    Es ist vermutlich gerade überall schwierig, den israelischen Staat zu repräsentieren - in Belgien aber noch ein bisschen mehr. Hier ist Idit Rosenzweig-Abu seit 2022 die Botschafterin Israels. Schon früher hatte die 46-Jährige einige Jahre in Belgien verbracht, die grundsätzlich palästinenserfreundliche Debatte in Belgien kennt sie also. Die Wucht, mit der sie in diesen Tagen über sie hereinbricht, hat sie jedoch kalt erwischt.

    "Es ist Zeit für Sanktionen gegen Israel"

    "Es ist Zeit für Sanktionen gegen Israel, die Bombardierung von Gaza ist unmenschlich" - so beginnt ein Video der stellvertretenden belgischen Ministerpräsidentin Petra de Sutter von den Grünen vor ein paar Tagen, das auf TikTok viral geht.
    Ein Satz, für den Politiker in Deutschland vermutlich zurücktreten müssten - doch in Belgien erhält De Sutter großen Beifall, selbst von flämischen Christdemokraten. Benjamin Dalle, flämischer Minister für Jugend und Medien, sagt im Interview mit dem ZDF:

    Natürlich liegen Sanktionen gegen Israel auf dem Tisch, auch ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

    Benjamin Dalle, flämischer Minister für Jugend und Medien

    Seine Partei, die flämische CD&V, habe bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, fügt Dalle an.

    Wut auf Israel - und auf die deutsche Politik

    Noch hat der Entwurf zwar keine Mehrheit, weil die mitregierende liberale Partei von Premier Alexander De Croo bremst. Doch Vorschläge wie dieser treffen auf eine Stimmung auf der Straße. Solidaritätsdemos mit Israel sucht man in Belgien dieser Tage vergebens, solche mit Palästinensern gibt es zum Beispiel in Brüssel jeden Abend. "Israel, Terror-Staat", skandieren sie, als wir in dieser Woche dort drehen.
    In die Wut auf Israel mischt sich auch jene auf den Nachbarn aus Deutschland, dessen Regierung Israel bedingungslos unterstützt. Als wir dort filmen, spricht uns ein Demonstrant an: er habe eine Botschaft auch an die Deutschen. "Wenn Deutschland nicht in der Lage ist, zwischen seinen Fehlern in der Geschichte und jenen von Israel heute zu unterscheiden: dann ist das ist eine Schande für Deutschland."

    Belgiens Suche nach Konsens

    Woher kommt die belgische Sympathie für das palästinensische Volk - und die große Kritik an Israel? Das fragt sich nicht nur die israelische Botschafterin. Ihre Antwort geht so: Belgien hat eine große muslimische Minderheit, und Wahlen stehen im nächsten Juni vor der Tür. Da könne man mit "inakzeptablen" Vorschlägen womöglich Punkte machen.
    Für den belgische Politikwissenschaftler Dave Sinardet von der Universität Brüssel steht das ganze auch in einer belgischen Tradition: Das Land habe schon immer versuchen müssen, verschiedene Standpunkte unter einen Hut zu kriegen - auch im eigenen Land. "Das führt dazu, dass Belgien in internationalen Konflikten immer eine Haltung einnimmt, die nach Konsens sucht."
    Und so ist es aus Sicht der einen ein vermittelnder, neutraler Standpunkt, den viele in Belgiens Politik und Gesellschaft einnehmen. Aus Sicht anderer: einseitiges Ergreifen einer Partei.
    Manches übrigens bewegt sich dann doch. Die Hamas-Videos wird die israelische Botschaft in der kommenden Woche nun doch Mitgliedern des Parlaments zeigen - auf Initiative der liberalen Partei. Die Teilnahme ist jedem Abgeordneten freigestellt.
    Florian Neuhann ist Korrespondent im ZDF-Studio in Brüssel.

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