Die Präsidentenwahl in Ägypten hat begonnen. Amtsinhaber Al-Sisi ist seit 2013 an der Macht. Seinen drei Gegenkandidaten werden kaum Chancen eingeräumt. 10.12.2023 | 1:47 min
Blick in die Ferne, zufriedenes Lächeln - auf seinen Porträts über den Schnellstraßen von Kairo gibt Abdel Fattah al-Sisi den Eindruck des zuversichtlichen Landesvaters. Ein Staatschef, der Ägypten auch durch unsichere Zeiten lenkt, der auch während des
Kriegs im benachbarten Gazastreifen für Stabilität im Land sorgt. Der Krieg spielt Al-Sisi in die Hände bei der dreitägigen Präsidentschaftswahl, die in Ägypten an diesem Sonntag begonnen hat, und die der Amtsinhaber sehr sicher für sich entscheiden wird.
Drei Gegenkandidaten bei Wahl
Den Auftakt macht der 69 Jahre alte Ex-General am Sonntagfrüh in Heliopolis im Osten Kairos. Al-Sisi erscheint im dunklen Anzug mit Pilotenbrille, scherzt mit der Dame im Wahllokal und setzt in der Kabine dann sein Kreuz auf den Wahlzettel. Auch die Wahltinte am kleinen Finger lässt er nicht aus, dann rollt sein schwarzer Wagen wieder ab. Der TV-Sender Al-Kahira News zeigt die Momente kurz darauf zu patriotischer Musik.
Womöglich in einer Lehre aus der Wahl 2018, die Kritiker eine "Farce" nannten, soll diesmal etwas mehr Anschein einer demokratischen Wahl erweckt werden. Drei Gegenkandidaten - statt zuvor nur einer - sind zur Wahl zugelassen, der Staatsinformationsdienst spricht von einem "ernsthaften Weg zu echtem politischen Pluralismus". 67 von 109 Millionen Einwohnern sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Das Wahlergebnis wird am 18. Dezember bekanntgegeben.
Al-Sisi seit 2013 an der Macht
Ein Jahrzehnt ist Al-Sisi inzwischen an der Macht, die er 2013 nach einem Putsch des Militärs übernahm. Das Klima der Angst, in dem jede ernsthafte Opposition laut Kritikern erstickt wird, ist seitdem zur Normalität geworden. Festnahmen haben vor der Wahl laut Amnesty International noch zugenommen.
Sichtbar wurde das auch am einzig ernsthaften Gegenkandidaten Ahmed al-Tantaui. Er zog sich aus dem Rennen zurück, nachdem er nicht die nötigen Unterschriften sammeln konnte und von Festnahmen und Gewalt gegen seine Unterstützer berichtet hatte. Die Behörden bestreiten die Vorwürfe. Al-Tantaui ist samt 21 Mitarbeitern inzwischen inhaftiert. Vorwurf: Verbreitung von Unterstützer-Papieren ohne Erlaubnis der Wahlbehörde.
Der Faktor Gaza
Die Wahl wird aber ohnehin vom Gaza-Krieg überlagert.
Ägyptens Regierung hat Sorge, dass der Krieg über die Grenze wandert und massenhaft palästinensische Flüchtlinge in den Nord-Sinai treibt. Al-Sisi wird in diesen Tagen gelobt als der Mann, der angebliche Pläne Israels, viele Palästinenser nach Ägypten umzusiedeln, verhindert. Als derjenige, der Hilfe nach Gaza schickt und zusammen mit
Katars Führung die Freilassung von Geiseln aus Gewalt der Hamas möglich machte.
2008 hatten militante Palästinenser einen Teil der Grenzmauer gesprengt - Hunderttausende Palästinenser strömten in der Folge nach Ägypten. Sie kauften ein, was wegen der 2007 verschärften Blockade des Gazastreifens nicht mehr verfügbar war, kamen aber nur bis zum Küstenort Al-Arisch. Sicherheitskräfte versuchten, mit Wasserwerfern die Menschen zurückzudrängen und die Löcher in der Grenzmauer zu schließen. Die Wiederholung solcher Bilder will Al-Sisi unbedingt vermeiden.
Nimmt Al-Sisi die vielen Toten in Kauf?
Inzwischen hat das Militär um Rafah und die Grenze eine Pufferzone errichtet - das Szenario einer Stürmung scheint heute viel unwahrscheinlicher als 2008. Palästinenser befürchten zudem, im Fall einer Flucht etwa nach Ägypten nicht nach Gaza zurückkehren zu können. Entsprechend werfen Kritiker Al-Sisi vor, zu wenig zum Schutz der Palästinenser zu tun und die vielen Todesopfer in Gaza in Kauf zu nehmen.
"Ich liebe unseren Präsidenten. Jedes Mal, wenn ich ihn im Fernsehen sehe, bete ich für ihn", sagt die 67 Jahre alte Faisa Abdel Misih, die mit ihrem Mann in ein Kairoer Wahllokal gekommen ist. Ähnliche Sätze hört man häufig - trotz hoher Arbeitslosigkeit und einer Inflation von 38 Prozent. Gerüchte gehen um, dass die Währung nach der Wahl erneut entwertet wird. Während klar scheint, wer die Wahl gewinnt, ist unklar, worauf Ägypten zusteuert nach der Wahl und nach dem Krieg.
Quelle: Johannes Sadek und Emad Drimly, dpa