moma-Duell: Braucht Europa atomare Abschreckung?

Interview

moma-Duell:Braucht Europa atomare Abschreckung?

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Nach Frankreichs Vorstoß: Braucht Europa neue Strategien atomarer Abschreckung? Darüber diskutieren Jürgen Hardt von der Union und Jan van Aken von der Linkspartei.

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Brauchen Deutschland und Europa neue Strategien atomarer Abschreckung? Darüber diskutieren Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU und Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken.06.03.2025 | 11:37 min
Atomwaffen auch zum Schutz Europas einzusetzen - dafür wirbt nun Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angesichts der Bedrohung durch Russland. Damit hat Macron die Debatte um nukleare Sicherheit in Europa entflammt. "Unsere nukleare Abschreckung schützt uns: Sie ist vollständig, souverän und durch und durch französisch", sagte Macron am Mittwoch in einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation.
"Aber als Antwort auf den historischen Aufruf des zukünftigen deutschen Bundeskanzlers habe ich beschlossen, die strategische Debatte über den Schutz unserer Verbündeten auf dem europäischen Kontinent durch unsere nukleare Abschreckung zu eröffnen."
Brauchen Deutschland und Europa wirklich neue Strategien atomarer Abschreckung? Darüber diskutieren Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU und Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken.
Militärübung von Russland und Belarus
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Van Aken: "Gefahr, die niemand kontrollieren kann"

Van Aken hält die Idee der nuklearen Teilhabe für "falsch." Wir alle seien erst sicher auf der Welt, "wenn auch die letzte Atomwaffe vernichtet worden ist".

Von denen geht eine Gefahr aus, die niemand kontrollieren kann.

Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken

Der Co-Vorsitzende der Linken weist auf die Zweitschlagskapazität der Atomwaffen hin - die Fähigkeit eines nuklear bewaffneten Staates, auf einen feindlichen Atomschlag mit einem atomaren Gegenschlag zu reagieren. 

Wenn ein Fehler passiert, ist es vorbei mit der Welt. Wir hatten es ja sogar mehrfach in der Geschichte.

Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken

Aus diesem Grund sei das Ziel die vollständige Abschaffung der Atomwaffen, um die Gefahr zu vermeiden.
An dieser Stelle widerspricht der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU Jürgen Hardt. Denn seit den 1990ern seien sowohl auf der Seite Russlands als auch auf westlicher Seite "massive Abrüstungsschritte" vorgenommen worden. Deutschland habe alle Mittelstreckenraketen verschrottet - doch Russland habe diesen Vertrag durch Stationierung von entsprechenden Waffensystemen "gefährdet".

Abschaffung der Atomwaffen "nicht der richtige Zeitpunkt"

"Wir sollten aus der Vergangenheit lernen", appelliert Hardt. Abschreckung funktioniere nur, wenn der eskalierenden Macht die Stirn geboten werde. Bereits Ex-US-Präsident Obama habe vorgeschlagen, Atomwaffen komplett aus der Welt zu schaffen, aber das sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.

Wir sind in einer entgegengesetzten Entwicklung.

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU

Jan van Aken entgegnet, dass Weichen gestellt werden müssten. Denn "es gibt immer noch 12.500 Atomwaffen auf der Welt." Das seien laut dem Co-Vorsitzenden der Linkspartei "viel zu viele."

Damit können Sie die Welt anderthalb Mal vernichten.

Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken

Van Aken weist auf die aktuelle UN-Konferenz in New York zur Überprüfung des Atomwaffenverbotsvertrags hin - und kritsiert die fehlende Teilnahme Deutschlands. Eine verpasste Chance, um klarstellen zu können: "Wir sind perspektivisch für ein Atomwaffenverbot." Van Aken glaubt, wenn ein Land wie Deutschland dieses Signal senden würde und mitmacht, "haben wir viele andere Länder, die mitmachen."

Sprecher der Union: Atomwaffen schaffen Frieden

Jürgen Hardt sieht darin erhebliche Zweifel. Länder wie Russland haben neue Atomwaffen gebaut - und auch andere Nationen wie China modernisieren derzeit ihr Atomwaffenarsenal. "Da können wir auf diesen atomaren Schutzschirm nicht verzichten" - der die Möglichkeit eines Gegenschlags eröffnet "für den Fall, dass man angegriffen wird", gibt der außenpolitische Sprecher der Union zu verstehen. Die Atomwaffen schaffen deshalb einen wichtigen Beitrag zum Frieden in Europa, erklärt Hardt.

Wir hatten uns vorgestellt, dass wir von dieser Art von Waffen ein Stück runterkommen. Leider ist die Entwicklung in der Welt eine andere. Wir haben uns das nicht ausgesucht, aber wir müssen angemessen darauf reagieren.

ürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU

Van Aken verdeutlicht, dass eine neue Strategie der atomaren Abschreckung notwendig sei, nämlich die Abschaffung aller Atomraketen "weil wir nicht im Stillstand verharren können." Er warnt vor der Normalisierung dieser Waffen und nennt als Beispiel die Kubakrise 1962 als "plötzlich zwei Kapitäne gesagt haben: "Wir feuern die Dinger jetzt mal ab, um den Russen zu zeigen, wo der Hammer hängt". Diese nukleare Eskalation sollte vermieden werden, denn:

Die Gefahr steigt mit der Abschreckung und sinkt nicht.

Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken

Quelle: ZDF

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