Wenn private Investoren Arztpraxen kaufen

    Lukratives Geschäft:Wenn private Investoren Arztpraxen kaufen

    von B. Spiekermann, D. Rzepka
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    Arztpraxen werden zunehmend zum Spekulationsobjekt von Investoren. Jeder neunte Arzt in Deutschland hat bereits ein Kaufangebot erhalten. Karl Lauterbach schiebt das Problem auf.

    Franz Maier ist Finanzinvestor, spezialisiert auf Zahnarztpraxen in Deutschland. 100 hat er bereits gekauft, es sollen noch mehr werden. Rückendeckung hat Maier von einer milliardenschweren Investmentgesellschaft mit Stammsitz im arabischen Steuerparadies Bahrain.

    Wenn man es gut macht, lohnt es sich. Das ist wie bei vielen Dingen im Leben.

    Franz Maier, Geschäftsführer Acura Zahnärzte

    Maier könnte auch Bäckereien aufkaufen. Aber er hat sich für Zahnarztpraxen entschieden. Maier sagt, er schließt damit eine Lücke in der Versorgung, weil es für viele Praxen keine Nachfolge gibt.
    Ein gutes Geschäft ist es aber auch - mit guter Rendite. Arztpraxen sind laut Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mittlerweile ein begehrtes Spekulationsobjekt. Und krisensicher. Denn dahinter stehen Versichertenbeiträge in Milliardenhöhe.

    Welche Praxen besonders attraktiv sind

    Jeder neunte Arzt hat schon einmal ein Kaufangebot für die eigene Praxis bekommen. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage unter 830 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten Anfang 2023. Demnach gaben 8,5 Prozent der Befragten an, das Angebot auch angenommen zu haben. 25,5 Prozent haben es zwar abgelehnt, hätten aber angenommen, wenn die Bedingungen gestimmt hätten.
    Besonders oft interessieren sich Investoren für Zahnarztpraxen. Auch Hausärztinnen und Hausärzte erhalten überdurchschnittlich viele Kaufangebote. Wenig attraktiv für Investoren sind die Praxen von psychologischen Psychotherapeuten. Nur vier Prozent von ihnen haben ein Kaufangebot bekommen.

    Alte und Demente - wenig lukrativ?

    Horst Helbig kritisiert diese Entwicklung, nennt sie gefährlich. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde in Regensburg. Zu ihm kommen die Patienten, die seiner Meinung nach zunehmend durchs Behandlungsraster fallen. Sogenannte Schieloperationen bei Kindern seien zum Beispiel wenig lukrativ - und nicht nur die:

    Da sind aber auch Patienten mit Behinderungen, da sind demente Patienten, die sehr aufwändig in der Pflege und der Betreuung sind, die in keiner Weise vergütet wird. Die sind natürlich nicht das, worauf sich Finanzinvestoren spezialisieren werden.

    Horst Helbig, Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde

    Das Problem: In einigen Regionen wird der Markt von nur wenigen beherrscht. Die Augenarztkliniken Sanoptis und Artemis zum Beispiel haben in manchen Regionen in Schleswig-Holstein und Bayern mittlerweile monopolartige Stellungen. Das Bundeskartellamt beobachtet die Situation insgesamt, spricht von "Konzentrationstendenzen".

    Lauterbach hat Gesetz versprochen

    Der Gesundheitsminister schiebt das Problem auf die lange Bank. Karl Lauterbach (SPD) hat bereits vor geraumer Zeit eine gesetzliche Regelung angekündigt. Im Mai hatte er gesagt:

    Investoren mit hohen Gewinnerwartungen, hohen Renditeerwartungen, das müssen wir untersagen.

    Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister

    Doch bis jetzt liegt der angekündigte Gesetzentwurf nicht vor. Und aktuell steht Lauterbach wegen seiner Gesundheitspolitik in der Kritik. Tausende Ärztinnen und Ärzte protestieren am heutigen Montag und streiken. Es ist eine weitere Baustelle des Gesundheitsministers - neben der Krankenhausreform oder eben den privaten Finanzinvestoren, die Arztpraxen aufkaufen.
    Praxisstreik: Protest gegen "Sparmaßnahmen"
    "Im Grunde fordern wir die Endbudgetierung unserer Leistung, damit wir unsere Patienten und Patientinnen wieder so versorgen können, wie wir das wollen“, so Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender Virchowbund.02.10.2023 | 4:45 min

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