Heizungsgesetz-Streit: Klima-Katastrophe in der Koalition

    Kommentar

    Streit um Heizungsgesetz:Klima-Katastrophe in der Koalition

    Frank Buchwald
    von Frank Buchwald
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    Im Ampel-Streit zeigen die Grünen mit einem Finger auf die FDP - und dabei zugleich mit dreien auf sich selbst. Ein Kommentar.

    Grünen-Fraktion im Bundestag, Robert Habeck
    Der Zuspruch wird weniger - die Grünen um Robert Habeck sehen die Schuld bei anderen Fraktionen, vor allem der FDP.
    Quelle: dpa

    Die FDP, natürlich. Dieser Spin fegt durchs politische Berlin wie ein Wirbelwind: Christian Lindner und seine Freien Demokraten, getrieben von Profilierungssucht, blockierten Robert Habecks Heizungsgesetz und schadeten so dem Klimaschutz. Das Narrativ klingt ebenso simpel wie erprobt; leicht gesagt und schnell geschrieben.
    Lindner, so heißt es, habe dem Gesetz zugestimmt - erst im Koalitionsausschuss, dann im Bundeskabinett - anschließend aber per Protokollerklärung weiteren Beratungsbedarf reklamiert. Mit Leichenbittermiene insinuiert die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann daraufhin, das alles sei unehrlich; Minister Habeck zeigt sich tief gekränkt und setzt noch einen drauf: "Wortbruch".
    Hinter der Tatsache, dass die Abgeordneten der FDP-Bundestagsfraktion einen Fragenkatalog zu Habecks Gesetz an das Wirtschaftsministerium geschickt haben, wittert Katrin Göring-Eckardt gar eine Verzögerungstaktik.

    Fragenkataloge gehören zu Geschäft der Gesetzgebung

    Solche Fragenkataloge aber gehören ebenso zum komplizierten Geschäft der Gesetzgebung wie Protokollerklärungen. Auch die Grünen machen davon gerne Gebrauch: Außenministerin Annalena Baerbock etwa verlangte per Protokollerklärung mehr Geld für ihre feministische Außenpolitik, obwohl sie dem Haushaltsgesetz im Kabinett vorher ausdrücklich zugestimmt hatte.
    Streit um Gebäudeenergiegesetz
    Kaum im Kabinett beschlossen, hat das Gesetz aus dem Haus von Wirtschaftsminister Habeck für neuen Streit in der Ampel-Koalition gesorgt. Für die einen ist das Gesetz Meilenstein in Sachen Klimaschutz, für die anderen Wärmewende mit der Brechstange.20.04.2023 | 2:37 min
    Die Liste mit inzwischen 113 Fragen der FDP bezieht sich auf technische Daten der Wärmepumpen, ihre Verfügbarkeit, den Strommix und die nicht ganz unbedeutende Frage, wo all der zusätzliche Strom herkommen soll.
    Vor allem aber erwarten die Liberalen eine zuverlässige Abschätzung der Kosten: für Eigentümer, Mieter und Netzbetreiber. Fragen, die ein Ministerium vernünftigerweise klärt, bevor es Gesetze schreibt.

    Superstar Habeck angeschlagen

    Warum dann also der ganze Theaterdonner? Warum haben die Grünen es so eilig? Die Antwort auf solche Fragen ist komplexer, als der Spin vermuten ließe: Habeck, eben noch Superstar im Kabinett, verglüht vor aller Augen. Einen Staatssekretär ("Menschenopfer") hat der Kampf um das Heizungsgesetz ihn bereits gekostet, ein weiterer ist angeschossen.
    Und das undurchsichtige Netzwerk der Familien- und Freundeskreise im Ministerium scheint auch noch nicht bis in die letzten Verästelungen ausgeleuchtet, da könnte noch was kommen.
    Die Nerven des Vizekanzlers liegen blank. Unlängst im Bundestag wurde Habeck gegen einen Abgeordneten der Opposition beinahe körperlich ausfällig. Seine Rivalin Annalena Baerbock sieht mit klammheimlicher Freude zu.

    Grünen-Basis macht starken Druck

    Die Grünen haben auf dem Weg zur Macht ein dichtes Netz aus Aktivisten-Gruppen und NGOs an sich gebunden. Diese Fußtruppen werden langsam ungeduldig. Wilde Blockadeaktionen der sogenannten "Letzten Generation" wirken wie ein Menetekel für die Partei.
    Der Druck der Straße, den die Grünen jahrzehntelang gegen Parlamente mobilisiert haben, richtet sich nun gegen sie selbst. Bildhaft gesprochen: Die Geister, die sie einst gerufen haben, werden sie nun nicht mehr los.
    Habecks Gesetz stürzt viele Menschen in Unsicherheit und kaum kalkulierbare Kosten. Auch beim Koalitionspartner SPD berichten Abgeordnete, welches Echo ihnen in den Wahlkreisen entgegendröhnt.
    Aus Sicht der Grünen spricht deshalb vieles dafür, das leidige Thema noch vor der Sommerpause durch das Parlament zu pauken. Oder, im Jargon der Merkel-Jahre: abzuräumen, bevor im Herbst die Heizperiode beginnt und Landtagswahlen anstehen.

    Krise der Koalition selbstgemacht

    Die Klimakrise in der Koalition ist also durchaus menschengemacht. Hitzewallungen der Grünen gegen die FDP und Christian Lindner sind deshalb Ablenkungsmanöver: Mit dem Finger auf die liberalen Koalitionspartner zu zeigen, mag in der grünen Berliner Prenzlberg-Blase gut ankommen; der große Rest des Landes schüttelt jedoch verständnislos den Kopf über einen Minister, der sich offenbar verrannt hat.
    Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident im Häuslebauerland Baden-Württemberg, mahnt nicht ohne Grund, in Berlin nochmal gründlich nachzudenken. Und wenn selbst Klima-Guru Edenhofer vom Potsdamer Klimaforschungsinstitut zum Innehalten rät, wird die Luft für Habecks Pläne wirklich dünn.
    Dann gilt eine alte Regel des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann ganz besonders: Wer mit einem Finger auf andere zeigt, weist zugleich mit dreien auf sich selbst.

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