Klimarat-Chef Jim Skea hadert mit Untergangszenarien
Bei Verfehlen von Temperaturziel:Klimarat-Chef hadert mit Untergangszenarien
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Der neue Vorsitzende des Weltklimarates hält nichts von Untergangsszenarien. Die Welt werde beim Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels nicht untergehen - aber sie werde gefährlicher.
"Kein Wissenschaftler kann den Menschen vorschreiben, wie sie leben oder was sie essen sollen", sagt Jim Skea, neuer Vorsitzender des Weltklimarates. (Archivbild)
Quelle: dpa
Der neue Chef des Weltklimarates warnt vor übertriebenen Befürchtungen bei einem Verfehlen des 1,5 Grad-Ziels. "Dieses Temperaturziel ist unglaublich symbolträchtig", sagte der Brite Jim Skea dem "Spiegel". "Trotzdem sollten wir nicht verzweifeln, wenn die Welt die 1,5 Grad überschreitet." Die Welt werde dann nicht untergehen. Er fügte hinzu:
Skea: Instrumente gegen Erderwärmung vorhanden - man muss sie nur anwenden
"Die Länder werden mit vielen Problemen kämpfen, es wird soziale Spannungen geben", warnt Skea. Nach dem Klimaziel soll die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius bis 2100 begrenzt werden, gemessen an vorindustriellen Durchschnittstemperaturen.
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Wenn man "ständig nur die Botschaft aussendet, dass wir alle dem Untergang geweiht sind, dann lähmt das die Menschen und hält sie davon ab, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um mit dem Klimawandel fertig zu werden", sagte Skea der dpa.
Er habe mit Koautoren der jüngsten Ratsberichte immer Wert darauf gelegt, den "Silberstreif am Horizont" zu sehen. Die Technologien und Instrumente seien vorhanden, sie müssten nur auch angewendet werden. Die Zukunft des Menschen liegt in unserer Hand. Nutzen wir das. Er appellierte:
Über 1.300 Milliarden Kubikmeter Wasser sind in den Ozeanen enthalten. Ein riesiger Wärmespeicher, der das Klima beeinflusst. Was passiert, wenn der Speicher überhitzt?30.06.2023 | 27:43 min
Skea: Rat muss Klima-Erkenntnisse praxistauglich aufbereiten
Der 69-jährige Physiker und Professor für nachhaltige Energie war vor wenigen Tagen zum Chef des Weltklimarates IPPC gewählt worden. Skea erklärte, das Gremium müsse auch selbst mehr tun, um seine Erkenntnisse besser als Handlungsgrundlage für bestimmte Gruppen aufzubereiten.
Er nannte Stadtplaner, Landwirte oder Unternehmen. "Bei dieser ganzen Sache geht es um echte Menschen und ihr reales Leben, nicht um wissenschaftliche Abstraktionen", sagte er. "Wir müssen ein Stück runterkommen."
... ist eine UN-Institution in Genf. Für ihn tragen Fachleute den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel alle fünf bis sieben Jahre zusammen. Sie zeigen Handlungsoptionen und ihre jeweiligen Konsequenzen auf. Entscheidungen treffen aber Regierungen. Die Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sind die wichtigste Grundlage für politische Entscheidungen zur Eindämmung des Klimawandels. Die nächsten Berichte sind Ende der 2020er Jahre zu erwarten.
Ein weiteres Augenmerk will Skea auf die Finanzierung von Klimamaßnahmen und Anpassungen legen. "Es gibt genug Geld in der Welt, die Herausforderung ist, die Finanzströme an die richtigen Stellen zu bekommen."
Für besonders wichtig hält der Forscher den Ausbau erneuerbarer Energien, um klimaschädliche Kohlekraftwerke, Gasheizungen oder Erdöl in Industrie und Verkehr zu ersetzen. Zur Veränderung des Lebensstils sagte der Brite dem "Spiegel":
Individueller Verzicht sei gut, werde aber den großen Wandel nicht herbeiführen. Damit man klimabewusster leben könne, bräuchte es eine ganz neue Infrastruktur.
Der Klimawandel schreitet voran - abgeschwächt wird er, wenn wir weniger CO2 und andere Treibhausgase ausstoßen. Wichtige Daten zum Klimawandel im Überblick: