Extreme Dürren: Was neue Klimazonen für unser Leben bedeuten

    Interview

    Geoökologe zu extremer Dürre:Neue Klimazonen erfordern andere Lebensweisen

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    Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer greifbarer. Klimazonen verschieben sich. Welche Konsequenzen das für Europa hat, erklärt Geoökologe Fred Hattermann.

    Wasserhahn vor blauem Sommerhimmel
    Anhaltende Trockenheit, Dürre: Viele Städte planen den Wasserverbrauch auf das Notwendige zu reduzieren. Wie kann das gehen? Wir sprechen mit dem Geoökologen Fred Hattermann.16.06.2023 | 4:59 min
    2022 mussten Natur, Umwelt und Landwirtschaft in Deutschland ein Niederschlagsdefizit von ungefähr einem Jahresniederschlag verkraften. Und auch 2023 ist bereits im Juni ein zu trockenes Jahr.
    Durch die Klimaerwärmung wird ein Muster erkennbar, das lange Trockenzeiten zufolge hat. Eine Hochdruckwetterlage verfestigt sich über Nordeuropa und verhindert, dass feuchte Luft vordringen kann.
    Trotz starker Niederschläge im Winter konnte nur der Oberboden von der Feuchtigkeit profitieren. Die tiefen Bodenschichten wurden mit zu wenig Wasser versorgt, was verheehrende Folgen für Natur und Ackerbau hat.

    Dürremonitor: Landwirtschaft muss mit intensiver Dürre rechnen

    Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigt, dass die Landwirtschaft besonders in Ostdeutschland mit einer anhaltenden, intensiven Dürre zu kämpfen haben wird.
    Der Geoökologe Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erforscht die Auswirkungen des Klimawandels und die Folgen von extremen Trockenperioden.
    ZDFheute: Wie weit können wir denn sinnvollerweise in die Zukunft schauen?
    Fred Hattermann: Man sollte sich nicht immer nur die Niederschläge angucken. Ganz wichtig ist eben, dass wir mitten im Klimawandel sind, es ist zwei Grad wärmer und die Verdunstung ist stark gestiegen. Das heißt, auch wenn wir gleichbleibende Niederschläge hätten, wie wir sie vor 50 Jahren hatten, wäre trotzdem am Ende weniger Wasser da, weil die Verdunstung angestiegen ist und die Winter kürzer werden, die Vegetation wächst länger. Der Winter ist die Periode im Jahr, in der sich unsere Speicher, also die Böden, das Grundwasser und auch die Oberflächengewässer wieder auffüllen. Und die Winter werden immer kürzer, weil die Vegetation länger wächst.
    ZDFheute: Was heißt das für unsere Lebensmittelsicherheit?
    Hattermann: Es ist so, dass wir in Deutschland sehr viel Getreide produzieren, wovon sehr viel in die Tiermast geht. Hier lässt sich umsteuern, denn insgesamt ist es gut, dass wir gut vernetzt sind. Leiden einzelne Regionen unter Dürre, besteht die Chance, dass man die Produkte woanders bekommt. Wenn das an vielen Orten der Welt geschieht, wenn viele Orte auf der Welt unterdurchschnittliche Erträge haben, reagieren die Märkte darauf und dann trifft es uns meistens nicht direkt.

    Bei uns wird es einfach teurer, in anderen Gegenden wird es aber unbezahlbar. Und da trifft es diese Menschen dann richtig.

    Fred Hattermann, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

    ZDFheute: Eine andere Gegend scheint ja Spanien zu sein. Findet dort schon eine Verschiebung der Klimazonen statt?
    Hattermann: Das wird deutlich. Spanien ist offensichtlich eines der Länder, überhaupt der mediterrane Raum, die besonders vom Klimawandel betroffen sind und diese Folgen sehr deutlich zu sehen sind.
    Trockenheit und Dürre: Ein Traktor pflügt im Mai 2023 das Land auf dem Feld Belchite in Spanien, Zaragoza.
    Beschluss im Mai 2023: Die spanische Regierung greift den von Trockenheit geplagten Landwirten des Landes mit einem Milliarden-Paket unter die Arme.
    Quelle: dpa

    Hinzu kommt in Spanien auch, dass die Ressourcen überbeansprucht werden. Das war schon vor dem Klimawandel so. Es gibt zu viele illegale Bohrungen nach Grundwasser und Überleitungen aus Gegenden, die selbst zu wenig Wasser haben. Und vieles von dem wird für uns produziert, damit wir am Ende billige Lebensmittel haben.
    ZDFheute: Wenn sich Klimazonen verschieben, gibt es Gewinner und Verlierer? Oder sind wir letztendlich alles Verlierer?
    grafische Wüste mit Sonne und Bergen im Hintergrund.
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    Hattermann: Ja, es gibt Regionen, in denen man jetzt Ackerbau betreiben oder Wein anbauen kann, wo es vorher nicht ging, wo man auch zwei Ernten einfahren oder Winterfrüchte anbauen kann, wo sonst nur Sommerfrüchte wuchsen.

    Insgesamt führt es aber dazu, dass die Lebensweise, an die wir uns angepasst haben, eben nicht mehr gültig ist.

    Geoökologe Fred Hattermann

    In vielen Bereichen. Das erzeugt Unsicherheiten und diese Unsicherheit kann dann zu Missernten und über die globalen Märkte zu Mangelsituationen führen. Es ist schwierig, von Gewinnern zu reden. Am Ende ist es auch so, dass die Menschen dort, wo es wirklich schwierig wird, weil zum Beispiel die Temperaturen so hoch werden, dass man nicht mehr lange im Freien existieren kann, geschweige denn arbeiten kann, dass die Menschen immigrieren. Davon sind wir gerade besonders betroffen.
    Das Gespräch führte 3satNANO-Moderator Gregor Steinbrenner.
    Plastik schwimmt im Wasser, Dirk Steffens im Vordergrund
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