Experiment Glaubens-WG:Können wir noch über Religion diskutieren?
von Lena Baumann
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Ein Jude, ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Buddhist und eine Atheistin zusammen unter einem Dach - kann das gutgehen? Eine Wohngemeinschaft mit neuen Perspektiven.
Das ZDF wagt ein Sozialexperiment: Ein Jude, ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Buddhist und eine Nichtgläubige sechs Tage lang zusammen unter einem Dach - kann das gelingen?15.09.2024 | 27:05 min
Alle großen Weltreligionen und dazu noch eine Nichtgläubige sitzen an einem Tisch und diskutieren die großen Fragen des Lebens. Was im Alltag kaum denkbar ist, findet in der neu gegründeten Glaubens-WG des ZDF statt. Für das Format "Against All Gods" ziehen ein Jude, ein Muslim, eine Katholikin, eine Hinduistin, ein Buddhist und eine Atheistin für eine Woche zusammen.
Kleine, alltägliche Dinge wie das gemeinsame Abendessen bringen den WG-Frieden ins Wanken - neben den angesetzten Talkrunden und verschiedenen Spielen. Mal sind die sechs Mitbewohner*innen im Loft unter sich, mal empfangen sie prominente Gäste oder sind in Berlin unterwegs.
Dialog auf Augenhöhe
Verschiedene religiöse Vorschriften zum Thema Essen treffen auf persönliche Präferenzen. Denn trotz ihres jeweiligen Glaubens sind die Bewohner*innen der Religions-WG vor allem eins: ganz gewöhnliche Menschen.
Damit Formate wie "Against All Gods" funktionieren, ist es wichtig, dass Dialog auf Augenhöhe stattfinden kann. Wie Religionswissenschaftlerin Prof. Dr. Anna Neumaier von der Ruhr-Universität Bochum erklärt, ist dabei einer der ersten Schritte, "Menschen als Individuen anzuerkennen, für die Religion ein wichtiger Teil ihres Lebens ist, die aber auch geprägt sind von anderen Diskursen wie zum Beispiel Geschlechtsidentität oder Sexualität."
Sie sind jung, divers, strenggläubig und wagen einen längst überfälligen Versuch: Sie ziehen zusammen in eine WG, um in sechs Tagen herauszufinden, was sie trennt und eint.22.09.2024 | 27:12 min
Zwischen Glaubenssätzen und Menschlichkeit
Diese beiden Themen bringen auch manche Mitbewohner*innen an ihre Grenzen: So ist Katholikin Gloria bei der Frage, ob es in Ordnung sei das Geschlecht zu ändern, hin- und hergerissen zwischen ihrer religiösen Überzeugung und ihrem Verständnis gegenüber der Lebensrealität von Transmenschen. Und auch für Hinduistin Sagitha ist beim Einzug in die Glaubens-WG klar: Das von Gott gegebene Geschlecht darf man nicht ändern.
Doch die anfangs so gefestigten Meinungen verändert sich im Laufe der Woche: An Tag sechs positioniert Sagitha sich bei dieser Frage nicht mehr so eindeutig, Gloria entscheidet sich diesmal für die Variante: "Ja, das Geschlecht zu ändern ist in Ordnung." Ein emotionaler Moment für die Wohngemeinschaft - vor allem aber für Atheistin Josi, die in der WG mehrmals über ihr Transsein und die damit einhergehenden Erfahrungen gesprochen hat.
Interreligiöser Dialog auch für Nichtgläubige
Dass Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Nichtgläubige zusammenkommen und sich austauschen ist abseits der Kameras kein Regelfall. Denn obwohl das religiöse Leben in Deutschland in den letzten Jahrzehnten deutlich vielfältiger geworden ist, beschränkt sich interreligiöser Dialog oft auf die monotheistischen Religionen: Das Christentum, den Islam und das Judentum.
In der Berliner Märchenhütte fließen Tränen: Die WG-Bewohner*innen erzählen von Ausgrenzungsmomenten, die sie aufgrund ihrer Identität oder ihres Glaubens erleben mussten. 29.09.2024 | 27:22 min
Anna Neumaier bestätigt mit Sicht auf schon bestehende interreligiöse Formate, dass nichtgläubige Menschen häufig nicht einbezogen werden - und das, obwohl knapp die Hälfte der Deutschen der Gruppe der Konfessionslosen zugerechnet werden kann. Dabei wäre die Herausforderung auch Nichtgläubige in die religiöse Verständigung miteinzubeziehen, nicht größer als die, den Dialog der Religionen untereinander zu fördern, so Neumaier.
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Gegenseitige Ablehnung überwinden
Ein ausschlaggebender Faktor dafür, so Neumaier, sei, dass "die Bandbreite verschiedener Überzeugungen von nicht-religiösen Menschen ebenso groß sein kann, wie die bei Menschen mit religiösen Traditionen". Sie gehe von überzeugten Atheisten über Menschen, die spirituelle Haltungen haben bis hin zu denen, für die Religion überhaupt kein relevantes Thema mehr sei.
Der Schlüssel zu einem Dialog auf Augenhöhe ist zunächst also andere Perspektiven anzuerkennen und über den (Nicht-)glauben seiner Mitmenschen zu lernen. Das zeigt auch der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung: Die größte Ablehnung von anderen Religionen gibt es dort, wo der wenigste Austausch mit Menschen anderer Religionen, stattfindet. Die "Glaubens-WG" ist ein Versuch, diese gegenseitige Ablehnung zu überwinden.
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