Arztdichte: "Praxenland" Deutschland steht unter Druck

Medizinische Versorgung:Ärzte: "Praxenland" Deutschland unter Druck

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Die Zahl der Ärzte in deutschen Praxen nimmt zwar zu - immer mehr davon arbeiten in Teilzeit. Auch bevorzugen sie ein Anstellungsverhältnis statt der Selbstständigkeit.

Blick in ein Behandlungszimmer in einer Arztpraxis
Bald könnten viele Arztpraxen in Deutschland leer stehen, fürchtet Kassenärzte-Chef Andreas Gassen.
Quelle: dpa

Die Zahl der Praxisärzte in Deutschland nimmt weiter zu - die Behandlungskapazitäten für die Patienten bleiben aber oft angespannt und regional unterschiedlich.

Immer mehr Mediziner arbeiten in Teilzeit

Ende vergangenen Jahres waren 189.551 Ärzte sowie Psychotherapeuten mit Kassenzulassung tätig. Das sind 2.110 mehr als Ende 2023. Zugleich stieg jedoch der Anteil der Mediziner mit Teilzeitbeschäftigung von durchschnittlich 35,8 Prozent auf 37,9 Prozent.
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Das geht aus einer Auswertung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. KBV-Chef Andreas Gassen sagte:

Noch ist Deutschland Praxenland.

Andreas Gassen, KBV-Chef

Doch klar sei auch:

Die Ressource Arztpraxis ist kein Selbstläufer und die Ressource Arztzeit bleibt ein knappes Gut.

Andreas Gassen, KBV-Chef

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Immer mehr junge Mediziner entschieden sich für eine Anstellung statt einer eigenen Praxis oder für Arbeit in Teilzeit. Das führt dazu, dass die Zahl der Ärzte stärker steigt als die tatsächliche Behandlungskapazität. Denn einen vollen Arztsitz zur Versorgung gesetzlich Versicherter können sich zum Beispiel auch zwei Ärztinnen teilen.

Regional große Unterschiede

Das Angebot unterscheidet sich weiterhin je nach Region. Bundesweit am dichtesten ist das Netz in Heidelberg in Baden-Württemberg mit 413,5 Ärzten und Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner, wie aus den Daten des Bundesarztregisters mit Stichtag 31. Dezember 2024 hervorgeht.
Am wenigsten niedergelassene Mediziner in diesem Verhältnis gibt es mit 88,4 im Landkreis Coburg in Bayern. Auf Länderebene liegt Hamburg mit 310,3 an der Spitze, Schlusslicht ist Brandenburg mit 201,3 Ärzten und Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner.
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Zur Gesundheitsversorgung in den Regionen tragen die Praxen der Kassenärzte aber nicht alleine bei. Hinzu kommen Krankenhäuser oder Physiotherapeuten, Logopäden und andere Heilberufler. Oft nutzen Patienten aus ländlichen Gegenden Praxen in nahen Ballungsräumen. Und konkret kommt es auch darauf an, wie weit entfernt bestimmte Praxen liegen und wie gut die Anbindung mit Bussen und Bahnen dorthin ist.

Ruhestandswelle vor allem auf dem Land ein Problem

Bei Hausarztpraxen als wichtigen ersten Anlaufstellen hat sich die Entwicklung weiter etwas stabilisiert, wie aus den Daten hervorgeht. Schon Ende 2023 war erstmals seit längerem kein Rückgang mehr verzeichnet worden. Mit Stand Ende 2024 stieg die Zahl der Hausärzte weiter um 308 auf 55.435 und die Zahl der vollen Hausarztsitze um 47 auf 51.437. Allerdings hatte es zehn Jahre zuvor noch 551 volle Hausarztsitze mehr gegeben.
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Außerdem zeichnet sich schon seit längerem eine Ruhestandswelle ab, und das heißt vor allem in ländlichen Gebieten: Praxisnachfolge dringend gesucht. Der Altersschnitt bei Hausärzten liegt mit 55,1 Jahren etwas über dem aller Ärzte mit 54,5 Jahren. Vor allem im Westen der Republik ist der Handlungsbedarf dringlicher: In Rheinland-Pfalz sind 21,3 Prozent der Hausärzte über 65 Jahre alt, in der Region Westfalen-Lippe 19,2 Prozent, im Saarland 18,8 Prozent - in Mecklenburg-Vorpommern dagegen 8,3 Prozent und in Sachsen 9,7 Prozent.

Immere mehr Ärztinnen am Start

Frauen sind in den Praxen weiter auf dem Vormarsch. Psychotherapeutinnen und Ärztinnen kommen zusammengenommen auf 52,4 Prozent, nachdem sie 2022 erstmals die 50-Prozent-Marke überschritten hatten. Dabei gilt: Je jünger, desto weiblicher. Bis zur Schwelle von 39 Jahren kommen Ärztinnen auf einen Anteil von 57,2 Prozent und zwischen 40 und 49 Jahren auf 55,6 Prozent. Regional betrachtet ist der Anteil der Ärztinnen und Psychotherapeutinnen in den östlichen Bundesländern höher. Am höchsten ist der Frauenanteil im Land Berlin mit 59,7 Prozent.
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte neben einer großen Krankenhausreform auf den letzten Metern noch ein Gesetz ins Ziel gebracht, das Hausärzten finanzielle Anreize und Vereinfachungen bringt. Das soll den Beruf angesichts von 5.000 unbesetzten Hausarztsitzen attraktiver machen und dazu beitragen, dass Kassenpatienten einfacher an Termine kommen.

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Quelle: dpa

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Quelle: dpa

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