43:30 min
Tickende Zeitbombe vor der Küste:Die schwierige Bergung von Weltkriegsmunition
von Henriette de Maizière
|
Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee sind tickende Zeitbomben. Sie müssten schnellstmöglich geborgen werden. Ein Pilotprojekt soll Möglichkeiten der Bergung erforschen.
Alte Munition in der Ostsee (Archiv)
Quelle: Jana Ulrich/Forschungstauchzentrum CAU Kiel/dpa
Ein paar Meter unterm Kiel verrotten hier auf dem Grund der Eckernförder Bucht Munitionsaltlasten aus dem Zweiten Weltkrieg. In diesem Teil der Ostsee liegen alte Bomben, Waffen, Torpedos, Munition und Minen. Kampfmittel, die nach Ende des Krieges legal hier verklappt wurden.
Wir sind mit dem Forschungsschiff "Aldeberan" draußen auf der Ostsee. Das Segelschiff ist Forschungsplattform und spezialisiert auf Flach- und Küstengewässer.
Alliierte ließen Waffen und Munition im Meer entsorgen
Kapitän Frank Schweikert ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverband Meeresmüll und hat sich dem Meer verschrieben: "Ich finde es total wichtig, dass wir auf unsere Meere aufpassen."
Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten nach dem Willen der Alliierten alle Waffen, Munition und Kampfmittel vernichtet oder entsorgt werden. Dafür wiesen sie als Endlager Meeresgebiete in der Nord- und Ostsee aus. Dorthin sollten Patronen und Panzerfäuste, Minen und Granaten entsorgt werden.
Gefährliche Altlasten: Streit, wer für die Bergung zahlt
Schätzungen zufolge lagern rund 300.000 Tonnen Munitionsaltlasten in der Ostsee und 1,3 Millionen Tonnen in der Nordsee. Viele Jahre wurden versenkte Waffen nur dann gehoben, wenn sie die Schifffahrt bedrohten. Nun sollen ab nächstem Jahr die Altlasten systematisch geortet, geborgen und vernichtet werden.
Mit 100 Millionen Euro vom Bund sollen Munition und Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg geborgen werden.24.04.2023 | 1:09 min
100 Millionen Euro stellt der Bund dafür bereit - das wurde im Koalitionsvertrag der Ampel so vereinbart. Seerechtsexpertin Professorin. Nele Matz-Lück von der Universität Kiel erklärt:
"Der Bund ist ganz klar rechtlich bei der Position, dass es die Länder sind, weil es um Gefahrenabwehr geht. Die Länder drängen aber darauf, dass es hier eben auch um Umweltschutz geht und dass deshalb der Bund zumindest mit zuständig sein müsste."
Seerechtsexpertin Nele Matz-Lück spricht über die Unklarheit der Finanzierung für die Gefahrenabwehr an der Ostsee zwischen Bund und Länder.16.09.2023 | 0:40 min
Munitionsgift im Wasser - Tumore bei Fischen
Nach 75 Jahren schleichen sich jetzt die krebserregenden Benzolverbindungen aus dem TNT-Sprengstoff in das Meerwasser. Bei Fischen, die sich in der Nähe der Versenkungsgebiete aufhalten, wurden bereits Tumore festgestellt.
Die Wissenschaftler setzen an den Fundstellen Muscheln aus. Sie dienen ihnen als Gradmesser der Vergiftung, denn sie sind standorttreu. Tobias Bünning vom Institut für Toxikologie der Universitätsklinik Kiel erklärt das so: "Die Muscheln filtrieren das Wasser. Das heisst, sie saugen das Wasser auf, filtern die Nährstoffe raus, die sie brauchen und pusten das Wasser wieder raus."
Weltkriegsmunition aus Nord- und Ostsee ist stark verrostet.
Quelle: Imago
Experten: Nur zehn Jahre, um Katastrophe im Meer zu verhindern
Um eine Giftkatastrophe zu verhindern, warnen die Wissenschaftler an Bord der "Aldeberan", blieben noch etwa 10 Jahre. Mithilfe der 100 Millionen Euro der Ampel-Regierung für ein Pilotprojekt sollen 750 Tonnen Weltkriegsmunition pro Jahr entsorgt werden.
Bei 1,6 Millionen Tonnen Gesamtmenge wird das selbst bei mehreren Schiffen oder Plattformen sehr lange dauern und ein "großes Unterfangen", so Sebastian Unger, Meeresbeauftragter der Bundesregierung aus dem Umweltministerium gegenüber der Tageszeitung TAZ. Für Fank Schweikert von der "Aldebaran" drängt die Zeit:
Denn letztlich gehe es um nicht mehr oder weniger, als eine ökologische Katastrophe in Nord- und Ostsee zu verhindern.
Mehr über Gefahr in den Meeren
29:53 min