Vermüllt, versauert, ausgeebeutet - Reha für die Ozeane
Vermüllt, versauert, ausgebeutet - Reha für die Ozeane
Der Zustand der Weltmeere lässt sämtliche Alarmglocken schrillen. Noch ist es nicht zu spät, sie zu retten. Mit unkonventionellen Methoden könnte man die wichtigen Funktionen der Meere für unser Ökosystem erhalten.
Die UNESCO hat 2021 das Jahrzehnt der Ozeane ausgerufen. Ein überfälliges Signal, denn die Folgen anthropogener Eingriffe sind katastrophal. Professor Harald Leschzeigt, wie wir die Kurve doch noch kriegen, die Meere und ihre Bewohner zum Nutzen aller zu bewahren – auch mithilfe der Natur selbst.
Jedes Jahr werden Hunderte Millionen Tonnen Plastik produziert. Wie viel „Kunst-Stoff“ in den Ozeanen schwimmt, wird erst allmählich klar. Bei zahlreichen Schiffsexpeditionen entdeckten Forschende paradoxerweise nur einen verschwindend kleinen Teil davon, viel weniger, als nach ihren Berechnungen in den Weltmeeren gelandet sein müsste. Denn allein bis 2015 wurden weltweit circa 7.800 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert. Davon könnten Berechnungen zufolge bis zu vier Prozent in den Ozeanen gelandet sein – bis zu 320 Millionen Tonnen. Davon haben die Forschenden aber nicht einmal ein Prozent an der Oberfläche ausmachen können. Wo ist der Rest? Ein Teil des vermissten Mülls liegt am Meeresboden. Denn die Hälfte des global produzierten Kunststoffs schwimmt nicht. Und selbst schwimmende Gegenstände werden bewachsen und immer schwerer – bis sie sinken. Sogar am Grund des arktischen Meeres fanden Forschende beträchtliche Mengen an Plastik. Wie viel allerdings weltweit am Meeresboden liegt, ist nicht bekannt. Mikro- und Nanoplastik im Meer machen einen weiteren Teil des verschwundenen Plastiks aus. Sonne und Salz machen Kunststoffe brüchig. Wellen zerkleinern sie zu Mikroplastik, und noch kleiner, zu Nano-Teilchen, die im Lichtmikroskop nicht mehr zu sehen sind. Bei immer mehr Fischarten findet man Mikroplastik im Verdauungstrakt. Viele Forschende gehen davon aus, dass die Mikropartikel nicht ins Filet übergehen. Bei Nanoplastik könnte die Situation anders sein, aber das ist noch kaum erforscht. Was wir sicher wissen: Wenn die Plastikproduktion so stark ansteigt wie bisher, und wir keinen grundsätzlich anderen Umgang mit Kunststoffen finden, wird immer mehr davon in den Meeren versinken.
Bildquelle: ZDF
Die Klimakrise bedroht die Ozeane auf vielfältige und tiefgreifende Weise. Dabei sind sie unser wichtigster Verbündeter im Kampf gegen die Erderwärmung: sie absorbieren über 90 Prozent der durch den Treibhauseffekt produzierten Wärme und schlucken über ein Viertel unserer Kohlenstoffdioxid-Emissionen. Diese wunderbare Klimapufferfunktion der Meere hat einen fatalen Nebeneffekt: Aus CO2 und Wasser bildet sich Kohlensäure. Die Ozeane sind dadurch schon um 30 Prozent saurer geworden. Für viele Meeresbewohner ist das eine Katastrophe, denn die Säure „frisst“ an ihren Kalkschalen, stört ihr Wachstum und ihre Entwicklung. Je saurer der Ozean, desto weniger und schwächerer Nachwuchs ist zu erwarten. Vor allem aber beeinträchtigt die Versauerung ein System, das immense Auswirkungen auf unsere Ernährung und unser Klima hat: die Lebensgemeinschaft des Planktons, die Basis für das gesamte maritime Nahrungsnetz. Eine Schlüsselrolle spielt die einzellige Alge Emiliania huxleyi. Sie umgibt sich mit Kalkplättchen, in denen jeweils eine Portion Kohlenstoff steckt. Und sie tritt in Massen auf und bildet riesige Algenblüten. Wenn die Kalkalgen absterben, sinken sie samt ihrer Rüstung auf den Meeresgrund. Dabei versenken sie viele Gigatonnen Kohlenstoff im Jahr– Emiliania betreibt also eine „biologische Kohlenstoffpumpe“. Ein Langzeitexperiment zeigt: Die Kalkalge Emiliania vermehrt sich auch bei erhöhten Kohlendioxidkonzentrationen weiter, bildet aber keine Massenvorkommen mehr. Das Ausbleiben der Algenblüten kann bedeuten, dass die wichtige biologische Kohlenstoffpumpe viel von ihrer Effizienz einbüßt. Es ist zu befürchten, dass die Ozeane durch die zunehmende Versauerung ihre Funktion als Bremse des Klimawandels nicht mehr erfüllen.
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Jahrzehntelang hat man Wale gnadenlos gejagt. Was die Walfänger nicht ahnten: große Wale erweisen uns wertvolle Dienste fürs Klima. Ein großer Wal nimmt mit seiner Nahrung enorme Mengen Kohlenstoff auf. Er reichert es im Laufe seines langen Lebens in seinem Körper an. Wenn er stirbt, sinkt sein Kadaver auf den Meeresboden, und mit ihm der darin gebundene Kohlenstoff. Der Kohlenstoff kann für hunderte oder tausende Jahre in der Tiefsee verbleiben. Auf diese Weise versenkt ein großer Wal am Ende seines Lebens so viel Kohlenstoff wie bis zu 1.500 Bäume in einem Jahr binden. Aber Wale helfen dem Klima auch mit ihren Ausscheidungen: Buckelwale fressen sich in den nährstoffreiche Polarregionen ein Polster an. Danach wandern sie in nährstoffarme Gebiete, um dort – vor Feinden geschützt – ihre Jungen zur Welt zu bringen. Entlang der Wanderrouten düngen sie das pflanzliche Plankton mit ihren Ausscheidungen. Es kann sich stärker vermehren und der Atmosphäre mehr Kohlendioxid durch Photosynthese entziehen. Die sogenannte „Wal-Pumpe“ ist also ein weiterer Dienst der Wale am Klima. Leider existiert heute nur noch ein Viertel des ursprünglichen Bestands an großen Walen. Wenn sich ihre Anzahl durch konsequenten Schutz verdoppeln ließe und die Planktonproduktivität um ein halbes Prozent stiege, wäre das Potential groß. Groben Schätzungen zufolge könnten die Wale dann helfen, bis zu 13 Gigatonnen Kohlendioxid über ihre Lebensspanne hinweg aus der Atmosphäre zu entfernen, fast ein Drittel der weltweiten Emissionen 2019. Die Meeressäuger könnten zu unseren „größten“ Verbündeten im Kampf gegen die Erderwärmung werden.
Der tiefgreifendste anthropogene Eingriff in die Lebenswelt der Meere ist die Fischerei. Seit 50 Jahren beuten wir die Meere in industriellem Maßstab aus, und viele Bestände sind bereits überfischt. Am Meeresboden befindet sich der größte Kohlenstoffspeicher der Welt. Über Jahrmillionen haben die Meere der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen und im Sediment gebunden. Doch jährlich werden 22 Millionen Quadratkilometer auf der Jagd nach bodenlebenden Fischen mit schwerem Gerät durchgepflügt. Eine Katastrophe für das empfindliche Ökosystem, so viel war bekannt. Aber der Schaden reicht noch weiter. Forschende schätzen, dass mit der Aufwirbelung des Meeresbodens große Mengen des gespeicherten Kohlenstoffs freigesetzt werden: Die Ozeane versauern damit auch vom Meeresboden aus – und CO2 gelangt zum Teil wieder in die Atmosphäre. Ein Team aus Wissenschaftler:innen hat den CO2-Fußabdruck der Grundschleppnetz-Fischerei hochgerechnet: Mit rund einer Gigatonne pro Jahr ist er vergleichbar mit dem gesamten globalen Flugverkehr. Ein Grund mehr, diese zerstörerische Methode des Fischfangs einzustellen. Um aus dem Tief herauszukommen, Ressourcen und Artenvielfalt zu schützen und am Ende sogar noch die Fangerträge ganz erheblich zu steigern, bedarf es einer Reihe intelligenter Maßnahmen wie strengere Fangquoten, nachhaltigere Fangmethoden – und vor allem Schutzgebiete. Die Wissenschaft spricht von „Bestandsauffüllungsgebieten“ und „Spill over“-Effekten. Schützt man die richtigen Orte, gibt es am Ende mehr Fisch für alle. Bis heute stehen nur etwa sieben Prozent der Ozeane unter Schutz. Die Vereinten Nationen haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 ein Drittel der Meeresoberfläche zu schützen. Das wäre nicht nur gut für die Natur, sondern sogar wirtschaftlich: Denn mit einem nachhaltigen Management und schonenderen Fangmethoden könnten die Erträge der Fischerei um fast die Hälfte gesteigert werden, ohne die Populationen an den Rand des Aussterbens zu bringen.
Bildquelle: dpa
Obwohl die Meere bereits überfischt sind, boomt auch die illegale Fischerei. Etwa 30 Millionen Tonnen pro Jahr werden so zusätzlich abgeschöpft. Die neuen Hoffnungsträger im Kampf gegen illegale Fischerei sind Albatrosse. Denn sie wandern Tausende Kilometer mitten durch die Hotspots des Raubbaus: durch die südlichen Polarmeere. Und sie haben eine Spürnase für Fischerboote, denn wie viele andere Seevögel wissen sie, wo es etwas zu holen gibt. Ein französisches Forscherteam hat 169 Vögel mit winzigen Radardetektoren und GPS-Sendern ausgerüstet. Das geht nur während der Paarungs- und Brutzeit, denn den Rest des Jahres sind die Vögel unterwegs – ab jetzt als verdeckte Ermittler. Die Flugroute des Albatros’ wird dann per Satellit übertragen. Empfängt der Radar-Detektor zusätzlich das Signal eines Schiffes, wird das ebenfalls an die Forschenden übertragen. Jedes Schiff meldet automatisch seine Position an die Schiffsverkehrüberwachung. Die Vögel finden aber auch Schiffe, die ihre Peilsender ausgeschaltet haben, um unerkannt zu bleiben. Nach sechs Monaten hatten die Vögel 353 Schiffe gefunden, 100 davon waren “heimlich“ unterwegs. Die Spione fliegen im Auftrag des Forschungsprojekts „Ocean Sentinel“- Ozeanwächter. Ihre Signale werden in einer Zentrale mit den offiziell gemeldeten Schiffspositionen verglichen. Gibt es Alarm, könnten die „Dunkelschiffe“ direkt angefahren, kontrolliert und wenn nötig beschlagnahmt werden. Wie Albatrosse könnten noch andere wandernde Tierarten wie Haie oder Meeresschildkröten bald als Agenten im Dienst des Naturschutzes unterwegs sein.
Professor Harald Lesch bedauert die Ohnmacht der Wissenschaft: Die Faktenlage ist klar, die Ratschläge der Fachleute auch und was passiert? Nichts!
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