Von Tradition bis Kontroverse:Kulturhauptstadt in Österreichs Alpen startet
von Christian von Rechenberg, Wien
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23 Regionen im Salzkammergut in den österreichischen Alpen sind Kulturhauptstadt 2024. Sie zeigen sich in all ihrer Vielfalt und Tradition. Aber auch ihre offenen Wunden.
Bad Ischl und 22 weitere Gemeinden der österreichischen Region Salzkammergut sind Europäische Kulturhauptstadt 2024. Dafür hat man sich einiges einfallen lassen. 21.01.2024 | 2:46 min
Kaum eine Region in den österreichischen Alpen ist so idyllisch wie das Salzkammergut. Kristallklare Seen, majestätische Berge. Hier verbrachte der Hochadel mitsamt seiner Majestät dem Kaiser und der Kaiserin seine Sommer. Hierhin zog sich die künstlerische Avantgarde zum Dichten, Denken und Durchatmen zurück.
Hier steht das Wirtshaus Weißes Rössel am Wolfgangsee, Kult-Kulisse des singenden-klingenden Heimatfilms der Nachkriegszeit. Was nur wenige wissen: Hier begann auch der Erste Weltkrieg, mit der Kriegserklärung an Serbien, verfasst von Kaiser Franz Josef in seiner Villa in Bad Ischl. Und hier lagerten die Nazis im Zweiten Weltkrieg Raubkunst im Stollen von Altausee. Es ist eine Region, im wahrsten Sinne voll Licht und Schatten. Auch daran will sich die Kulturhauptstadt abarbeiten.
"Kultur ist das neue Salz" lautet der Slogan für das Festjahr in Österreich. Insgesamt umfasst das Programm mehr als 200 Projekte von lokalen Künstlern, Vereinen und Institutionen.
20.01.2024 | 2:57 min
Anfangs Streit um das Projekt
Doch zunächst einmal diskutierte die Region. Nicht alle hier waren mit der Bewerbung und dem Programm einverstanden, selbst das Kulturkomitee zerstritt sich heillos. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erhitze die Gemüter, ehe sie begann. Womöglich war sie deshalb überfällig?
Die Menschen sollen in einen Dialog - daran ist Intendantin Elisabeth Schweeger viel gelegen. Der Streit ist mittlerweile verklungen, nun übernehmen Kunst und Kultur. Schweeger freut sich und lobt die Bürgermeister*innen für ihren mutigen Schritt: "Und das hat die Region auch gut zusammengeschweißt. Und wir haben Projekte die genau das tun, nämlich alle mitzunehmen."
Ein Auktionshaus präsentiert in Wien eine kleine Kunst- Sensation: ein verschollen geglaubtes Werk von Gustav Klimt ist wieder aufgetaucht und wird präsentiert.25.01.2024 | 2:17 min
Kunst stellt Fragen
Ausstellungen, Installationen, Performances, Lesungen - die Projekte bieten für jeden etwas, sie stellen aber auch Fragen: Wie gehen wir mit Ressourcen um, welche Zukunft hat das heimische Handwerk, wohin strebt der urbane Raum? Letzte Frage stellt eine Installation auf dem Traunsee bei Gmunden. Kerstin Reyer ist Teil des Projektteams, gerade vertäut sie eine schwimmende knallorangene Sauna am Ufer. Eine von bald drei künstlichen Inseln, die sich "Plateau Blo" nennen. Die Sauna ist voll funktionsfähig und sie soll auch genutzt werden. "Wir haben uns gedacht, dass wir gerne diesen Raum schaffen wollen, um auch im Winter über raumpolitische Probleme von Gmunden und vom Traunsee reden zu können."
In diesem Jahr ist das österreichische Salzkammergut zur Kulturhauptstadt Europas ernannt worden. Eingeläutet wird das Kulturjahr in der Kurstadt Bad Ischl am Nordrand der Alpen.20.01.2024 | 1:44 min
Über etwas anderes will Katharina Cibula reden. Feminismus. Die Künstlerin ist bekannt für ihre haushohen "SOLANGE"-Transparente. Im Kulturjahr verhüllt sie damit eine Seite des historischen Postamtes in Bad Ischl: Solange alles bleibt, wie es schon immer war, bin ich Feministin - steht da. Weißes Tuch, die Buchstaben rot und im Stile einer Stickerei. "Wir machen das immer so," sagt sie, es gehe um das "Spannungsfeld der männlich dominierten Baustelle und dem weiblich konnotiertem Handwerk". Das Transparent, kaum enthüllt, macht was es soll. Es fällt auf, eckt an, findet Zuspruch - und Widerspruch.
Von feministischen Transparenten bis hin zu musikalischer Kunst - die Projekte in der "Kulturhauptstadt 2024" sind vielfältig.22.01.2024 | 2:37 min
Frischer Wind durch Kulturhauptstadt
Dem Liedermacher und Musiker Hubert von Goisern kann es gar nicht genug solcher Kunstwerke geben. Er selbst intoniert auf der Eröffnungsfeier vor dem alt ehrwürdigen und hell erleuchteten Kurhaus in Bad Ischl einen Jodler der anderen Art. Es beginnt mit Sequenzen von Trommel und Xylophon, dann intoniert er Wahlgesänge an einem futuristisch anmutenden Pult - bis dann ein 1.000-stimmiger Chor zu einem gewaltigen Jodler anhebt. Gänsehaut. Aber eben auch eine Auseinandersetzung mit dem Brauchtum. Futuristische Klänge als bewusster Kontrapunkt zum Heimatklischee: "Veränderungen machen viele Leute nervös", sagt von Goisern, "und ängstlich. Und natürlich, ein Kulturhauptstadtjahr, da verändert sich was. Da bleibt eigentlich nichts unbewegt."
Und so blickt das Salzkammergut auf ein bewegtes, kontroverses und eindrucksvolles Kulturhauptstadtjahr.
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