Das Dorf Hallstatt in Österreich leidet unter zu viel Tourismus - und profitiert gleichzeitig massiv. Ein Vor-Ort-Bericht.
Die sommerliche Frische der Alpen macht Österreich auch in Extremsommern bei Touristen beliebt. Orte wie Hallstatt werden von Touristen überrannt und Anwohner reagieren zunehmend genervt.06.09.2023 | 6:17 min
Berge, ein See und schöne Holzhäuser: Hallstatt am See ist ein Symbol für Österreich. Es ist einer der Tourist*innen-Hotspots der Alpenrepublik. Durch Instagram und eine koreanische Netflix-Serie hat das kleine Dorf am Hallstätter See große Bekanntheit erlangt und wird von Reisenden überrannt. Besonders beliebt: der Selfiespot mit Blick auf die beiden Kirchtürme und den malerischen See.
Die Masse gefällt nicht allen, auch wenn die Reisenden viel Geld in den Ort bringen: Rund 145.000 Übernachtungen hat das Dorf allein im letzten Jahr gezählt, dazu kommen Hunderttausende Tagestourist*innen, die Hallstatt auf einer Bustour durch das Salzkammergut besuchen oder einen Stopp auf der Fahrt nach Italien einlegen.
Experte: Österreich beliebter wegen Klimawandel
Künftig könnten es noch mehr werden: Tourismusforscher Markus Pillmayer sagt, dass Reiseziele in Deutschland und Österreich immer beliebter werden - auch aufgrund des Klimawandels. "Wir können davon ausgehen, dass es durch die Extremwetter-Ereignisse im Mittelmeerraum vermutlich zu einer Verschiebung der Reiseströme kommen wird", so Pillmayer.
Manchen Hallstätter*innen ist es jetzt schon zu viel: Eine Bürgerinitiative hat Ende August diesen Jahres zu einer Demonstration unter dem Motto "15 Minuten für Hallstatt" aufgerufen, um auf den "fatalen Tourismusansturm auf Hallstatt" aufmerksam zu machen.
Im Ort selbst weisen zahlreiche Schilder sowohl von der Gemeinde als auch von Privatpersonen darauf hin, ruhig zu sein und Respekt gegenüber den Einheimischen zu wahren. Das gelingt nicht immer: Bellende Hunde, schreiende Kinder und Geplapper der Tourist*innen sorgen für eine permanente Geräuschkulisse. Ein Tourist sagt, dass er hier nicht wohnen wollen würde.
Hallstatt ist eine kleine Gemeinde mit 800 Einwohnern am Hallstätter See in Oberösterreich. Der Ort wurde durch eine koreanische Dramaserie weltbekannt und hat auf Instagram einen regelrechten Hype erfahren. Mittlerweile reisen bis zu 10.000 Menschen am Tag nach Hallstatt. Tourismusforscher Pillmayer glaubt, dass Orte wie Hallstatt in Zukunft noch beliebter bei Touristen werden könnten.
Hallstatt will Tourismus begrenzen
Um den Ansturm auf Hallstatt zu reduzieren, plant die Gemeinde Begrenzungen für den Tourismus. Ein erster Schritt ist die Beschränkung von Reisebussen. Seit 2020 gebe es ein Verkehrsleitsystem mit Einfuhrregeln für Busse, erzählt der Bürgermeister Alexander Scheutz (SPÖ). Früher fuhren teils 80 bis 90 Busse pro Tag nach Hallstatt, heute seien es 30 bis 35 täglich. Das funktioniere gut, aber es kämen immer noch zu viele Besucher*innen.
Die Cinque Terre und der gesamte ligurische Küstenstreifen gehen im Massentourismus unter.05.06.2023 | 2:11 min
Laut Tourismusforscher Pillmayer könnten auch Preiserhöhungen oder Limitationsstrategien, also bestimmte Orte nur zu bestimmten Zeiten zugänglich zu machen, mögliche Lösungen gegen Overtourism in Hallstatt sein.
Massentourismus: Fluch und Segen zugleich
Aber längst nicht alle in Hallstatt sind gegen die vielen Tourist*innen im Dorf. Eine Anwohnerin genießt den Blick auf ihrer Terrasse trotz vorbeilaufender Massen. Sie erzählt, dass die Vorteile in Hallstatt zu leben für sie überwiegen. Überhaupt, erzählt eine andere Frau, würden meist die Menschen schlecht über Tagestouristen reden, die zugezogen seien. Wirt und Hotelier Peter Pilz erzählt, dass er rund 40 Prozent seines Umsatzes mit Laufkundschaft mache.
Hallstatt leidet und profitiert gleichzeitig von dem Touristenansturm, sucht eine Balance zwischen Lebensqualität der Anwohnenden und Tourismusdestination. Klar ist aber: Ohne klare Regeln und Beschränkungen für den Tourismus wird das Problem weiter zunehmen.
Im Mittelmeerraum wird es immer heißer - mit Folgen für das Reiseverhalten. Mehr Touristen werden nach Österreich und Deutschland kommen, sagt Tourismusforscher Pillmayer.