Hass im Netz: Digitale Gewalt als "ständiges Dauerrauschen"

    Gesetz gegen Hass im Netz:Digitale Gewalt als "ständiges Dauerrauschen"

    Jan Henrich
    von Jan Henrich
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    Anfeindungen im Netz sind zum traurigen Alltagsphänomen geworden. Ein neues Gesetz soll Betroffene besser schützen, doch Experten sind skeptisch, ob es weit genug geht.

    Scamming - Symbolfoto
    Anfeindungen im Netz: Ein neues Gesetz soll Betroffenen helfen, sich dagegen zu wehren.
    Quelle: Colourbox.de

    Von Morddrohungen in sozialen Netzwerken, über Fake-Einträge auf Bewertungsplattformen, bis hin zur Verbreitung gefälschter Nacktaufnahmen - digitale Gewalt kennt viele Gesichter. Für Betroffene kann der meist anonyme Hass aus dem Netz sehr belastend sein. Doch wer sich dagegen zur Wehr setzen will, stößt häufig auf Hürden.
    Die Politik will Betroffenen bessere Möglichkeiten an die Hand geben, selbst aktiv gegen Anfeindungen zu werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird aktuell ausgearbeitet.

    Hilfe suchen und Beweise sichern

    Für Josephine Ballon von der Organisation HateAid, der Beratung für Betroffene anbietet, ist die Neuregelung ein wichtiger Schritt. Doch es stellt sich die Frage, ob die Vorschläge weit genug gehen. Denn die Probleme bei der Durchsetzung von Rechten gegen digitale Gewalt sind vielschichtig.



    Grundsätzlich gibt es für Betroffene bereits jetzt rechtliche Möglichkeiten, sich gegen die digitalen Angriffe zur Wehr zu setzen. Die sollten auch genutzt werden, so die Juristin von HateAid.

    Wir alle haben uns so daran gewöhnt, dass wir einfach denken, digitale Gewalt ist heute normal, das muss man im Internet aushalten. Das ist aber nicht der Fall. Man sollte es ernst nehmen und sich Hilfe suchen.

    Josephine Ballon, HateAid

    Beispielsweise mit einer Anzeige bei der Polizei. Denn viele Formen digitaler Gewalt sind strafbar. Allerdings können sich strafrechtliche Ermittlungen in die Länge ziehen. Die Verfahren richten sich auch meist nur gegen einzelne Täter oder konkret benannte Fälle.

    Vor Zivilgerichten zu klagen, kann wirkungsvolles Mittel sein

    Vor Zivilgerichten den Schutz der eigenen Persönlichkeitsrechte einzuklagen, kann alternativ ein wirkungsvolles Mittel sein, so Josephine Ballon.

    Durch eine zivilgerichtliche Klage kann man erreichen, dass einem Täter oder auch zum Beispiel einer Online-Plattform wie Twitter oder Facebook untersagt wird, bestimmte Inhalte zu verbreiten. Und das auch für die Zukunft.

    Josephine Ballon, HateAid

    Zudem kann dort Schadensersatz gefordert werden. Doch vor Zivilgerichten stehen Betroffene bislang insbesondere vor zwei großen Problemfeldern. Ein hohes Kostenrisiko und der Umstand, dass sich Täter in der Anonymität des Internets oft nur schwer identifizieren lassen.

    Auskunftsansprüche gehen ins Leere

    Theoretisch bestehen Auskunftsansprüche gegen die Plattformen, um Täter ausfindig zu machen. Allerdings ist der Prozess langwierig und selbst wenn Plattformen beispielsweise IP-Adressen der Verfasser herausgeben, ist die Suche noch lange nicht am Ende. Denn dann müssen sich Betroffene erst noch an den jeweiligen Internetanbieter wenden, in der Hoffnung, dass sich die IP-Adresse auch einem Anschluss zuordnen lässt.
    Hier soll das neue "Gesetz gegen digitale Gewalt" anknüpfen, dessen Eckpunkte das Bundesjustizministerium im April vorgestellt hat. Gerade die Auskunftsverfahren sollen massiv vereinfacht und es soll verhindert werden, dass Daten über Täter zwischenzeitlich gelöscht werden. Außerdem sollen dafür auch keine Gerichtskosten mehr anfallen.
    Einen genauen Zeitplan für die Neuregelung gibt es noch nicht. Auf ZDF-Anfrage heißt es, der Gesetzesentwurf soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden.

    "Es braucht eine grundlegend neue Denkweise"

    Für Josephine Ballon sind die geplanten Änderungen sinnvoll. Allerdings könnten auch die neuen Vorschläge nicht alle Hürden für betroffene abbauen. Gerichtsverfahren gegen digitale Gewalt seien immer noch zu komplex und ohne Anwalt überhaupt nicht durchführbar, so Ballon. Und auch ohne Gerichtskosten im Auskunftsverfahren bestehe immer noch ein hohes Kostenrisiko.
    Man dürfe sich nicht darauf ausruhen ein weiteres Gesetz mit großem Namen zu verabschieden, sagt die Juristin. Es brauche eine grundlegend neue Denkweise, wie Betroffene gegen digitale Gewalt aktiv werden können, denn die sei mittlerweile zu einem Dauerrauschen geworden.
    Jan Henrich arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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